“Ein einzigartiger Schatz poetischer Zeitzeugnisse”: Christa Morgenrath über das Projekt “Neue Töchter Afrikas”

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“Ein einzigartiger Schatz poetischer Zeitzeugnisse”: Christa Morgenrath über das Projekt “Neue Töchter Afrikas”

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„Neue Töchter Afrikas“ – was ist das für ein Projekt?
NEUE TÖCHTER AFRIKAS ist ein Programm und Buch von stimmen afrikas, das Schwarzen Schriftstellerinnen und Aktivistinnen aus verschiedenen Teilen der Welt gewidmet ist. Ein Kuratorinnen-Team aus NRW hat für uns 30 Stimmen aus dem reichhaltigen Band New Daughters of Africa (hrsg. von Margaret Busby, Myriad 2019) ausgewählt. Die deutsche Edition NEUE TÖCHTER AFRIKAS wird im Juni 2023 im Unrast Verlag erscheinen. Bis dahin werden eine Reihe von Autorinnen-Lesungen mit Gesprächen, Schulveranstaltungen und Diskurse z.B. über Genderthemen stattfinden.

Gab es so etwas wie eine besondere Inspiration, eine Ursprungsidee?
Wir haben während unserer inzwischen dreizehnjährigen Arbeit immer nach einer Ausgewogenheit zwischen männlichen und weiblichen Gästen gesucht. Und wo es sich inhaltlich und literarisch anbot, haben wir Frauen bevorzugt, da sie in der Regel – wie in vielen anderen gesellschaftlichen Bereichen – in der Kunst und Kultur unterrepräsentiert sind.
Die New Daughters of Africa sind in dieser Hinsicht ein echter Joker, denn die Fülle, Vielfalt und Qualität der Sammlung sucht ihresgleichen. Da es in Deutschland erfreulicherweise eine wachsende Zahl an kulturschaffenden Schwarze Frauen* gibt, entstand die Idee, der in dem Band so leidenschaftlich beschworenen „Schwesternschaft“ einen weiteren Resonanzraum zu verschaffen.

Wer sind denn diese Töchter – und wer hat sie ausgewählt?
Die „Töchter“ sind rund 200 Schwarze Frauen* aus vielen Teilen der Welt, deren Texte Margaret Busby zusammengetragen hat. Das Besondere: der Entstehungszeitraum der Essays, Gedichte Shortstories etc. umfasst mehr als hundert Jahre und reflektiert die regional und kulturell unterschiedlichen und doch oft ähnlichen Erfahrungen dieser Frauen.
Julienne De Muirier, donna Kukama, Emilene Wopana Mudimu und Glenda Obermuller, vier Powerfrauen aus NRW haben in Kooperation mit Margaret Busby dreißig Autorinnen für unsere deutsche Edition kuratiert. Aminata Cissé Schleicher und Eleonore Wiedenroth-Coulibaly übertragen die Texte derzeit aus dem Englischen ins Deutsche. Die renommierte afro-deutsche Autorin, Literaturwissenschaftlerin und Übersetzerin Marion Kraft wird dazu ein Vorwort beisteuern.

Welche Rolle spielt die Migration?
Der Fokus liegt auf Schriftsteller*innen afrikanischer Herkunft. Es handelt sich also nicht nur um Frauen* vom afrikanischen Kontinent, sondern auch um solche, die in der Diaspora geboren oder in andere Länder der Welt ausgewandert und dort Zuhause sind.

Der Untertitel lautet: „Literaturvermittlung und Buch“. Was genau meint „Literaturvermittlung“?
stimmen afrikas möchte Literaturen d.h. Geschichten aus den Ländern Afrikas und der sog. afrikanischen Diaspora hörbar machen. Die Vermittlung besteht darin, auf diese Narrative aufmerksam zu machen, sie einem breiten Publikum durch ein Gespräch mit den Autor*innen zugänglich zu machen und sie gelegentlich auch ins Deutsche übersetzen zu lassen. Den Vorgang der Vermittlung verstehen wir als einen unmittelbaren Austausch mit den Erzähler*innen. Ein Gesprächsangebot, das Neugier weckt, zum genauen Zuhören, zum Weiterlesen und Weiterlernen anregt. Darum bieten wir u.a. auch Veranstaltungen für Schulen an.

Welche Arten von Texten darf man denn für das Projekt erwarten?
In der Veranstaltungsreihe bis zum Book Launch im Juni 2023 wollen wir Autor*innen mit möglichst unterschiedlichen geografischen und kulturellen Prägungen vorstellen. Wir starten z.B. mit der Südafrikanerin Sisonke Msimang, die in fünf verschiedenen Ländern aufgewachsen ist bis sie sich in Südafrika niederließ. Im Dezember geht es weiter mit Deise Faria Nunes, die in Brasilien geboren ist und zwanzig Jahre in Skandinavien gelebt und gearbeitet hat. Es geht um die diversen Lebensrealitäten und Perspektiven dieser oft auch aktivistisch engagierten Künstler*innen. Auch die Vielfalt der Genres und Themen, die je nach Generation andere Ausdrucksformen findet, möchten wir in den Veranstaltungen abbilden.

Gibt es thematisch einen roten Faden – oder sind die Beiträge so divers wie die Beiträger*innen?
Egal ob es Rassismuserfahrungen, Feminismus oder Migration thematisiert wird, den rote Faden bildet die Schwarze „Schwesternschaft“, der alle Beiträge mit einer zugleich politischen wie zarten und zauberhaften Energie auflädt.

Und, hat Dich schon der eine oder andere Text so richtig umgehauen?
Oh, da gibt viele! Aus jedem Jahrzehnt mindestens einen. – Ich möchte hier nur zwei ungemein starke und kunstvolle nennen: „The Audacity of Our Skin“ von Selina Nwulu, die als Kind nigerianischer Eltern in den Niederlanden zur Welt kam und „Backwards“ von der somalisch-britischen Autor*in Warsan Shire (Die Werke werden gerade erst übersetzt, daher die englischen Originaltitel.)

Wenn Du aufs große Ganze Eures Projekts schaust: Was haben diese neuen Töchter Afrikas zu bieten?
Sie offenbaren neue Potenziale und Perspektiven. Dadurch, dass Schwarze Frauen aus Deutschland gemeinsam einen einzigartigen Schatz poetischer Zeitzeugnisse heben, spinnen sie das Netzwerk der „Schwesternschaft“ weiter und bringen uns alle zum Staunen.

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