Drei Romane aus den USA – mit asiatischem Hintergrund

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Drei Romane aus den USA – mit asiatischem Hintergrund

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Die USA, ein Schmelztiegel der Ethnien, Herkünfte, Kulturen? Ja klar, das stimmt schon. Und den Begriff dafür – Melting Pot – gibt´s schon seit Ende des 18. Jahrhunderts. Aber dieser Pott ist halt auch einer, in dem nicht Gleiche unter Gleichen ein Ganzes ergeben, sondern vielmehr der Rassismus die weniger „Gleichen“ wegstößt und ausschließt. Das betrifft nicht nur indigene und schwarze Menschen, sondern zum Beispiel auch Asiaten, von Anfang an.

Davon erzählt der Schriftsteller Tom Lin, geboren 1996, in seinem Debütroman „Die tausend Verbrechen des Ming Tsu“, einer Mischung aus Western und Auftragskiller-Thriller, in dem ein Hitman mit chinesischen Wurzeln auf einem Rachefeldzug quer durch den Wilden Westen unterwegs ist – und da nach und nach nicht bloß mit den Typen aufräumt, die ihm übel mitgespielt haben, sondern gleich auch mit den klassischen, weiß geprägten Mythen zu diesem Wilden Westen kurzen Prozess macht. Ein ungewöhnlicher und ausgeprägt hybrider Genremix, gewürzt mit vielen „merk-würdigen“ Personen und Gestalten; auch deshalb, weil Ming Tsu mit einer Art Freak Show unterwegs ist: Menschen mit außergewöhnlichen Begabungen, die sie in den Städten und Städtchen des Westens vorführen. Eine Win-Win-Situation für alle: Der Killer schützt die außergewöhnlich begabten, dafür kann er in ihrem Kreis unauffällig untertauchen, und das passt ja auch, schließlich ist auch er ein ausgesprochen Begabter in seinem Metier.

Von der (asiatisch-US-amerikanischen) Vergangenheit in die Zukunft, gemeint ist dabei natürlich immer (auch) die Gegenwart: Celeste Ng, eine der interessantesten Vertreterinnen der US-Literatur der letzten Jahre, entwirft in ihrem aktuellen Roman „Unsere verschwundenen Herzen“ ein Near-Future-Szenario, in dem nach einer großen Krise in den Staaten ein autoritäres Regime etabliert wurde, das stark auch auf dem Bild des Außenfeindes China und in der Folge auf vielschichtigem Rassismus gegenüber asiatisch-stämmigen Menschen beruht. Im Zentrum steht ein Gesetz namens PACT – der „Preserving American Culture and Traditions Act“, das „die Förderung von unamerikanischen Werten und Verhaltensweisen“ verhindert soll. Sie war überrascht, wie leicht so etwas vorstellbar und umsetzbar war, als sie die Idee zu PACT und dem ganzen Geschehen mal hatte, sagt Celeste Ng im Nachwort, und sie versteht ihren Roman auch als Statement, solche Entwicklungen nicht geschehen zu lassen.

Last not least noch der Roman „Intimitäten“ von Katie Kitamura – US-Schriftstellerin mit japanischen Wurzeln. Die Geschichte einer ebenfalls japanisch-stämmigen US-Amerikanerin, die als Dolmetscherin arbeitet und aus New York nach Den Haag zieht, wo sie einen Job beim UN-Kriegsverbrechertribunal bekommen hat. Ihr Blick auf das Tribunal und sein Wirken ist die eine Ebene dieses Romans, die andere beschreibt die persönliche Dimension des Umzugs und des neuen Lebens in Europa. Es geht ums Ankommen, um die Frage, was Heimat ausmacht, welche Rolle Beziehungen spielen – und welche Bedeutung bei alledem auch so etwas wie die „kulturelle Identität“ hat. Auch bei dieser Geschichte haben, wenn auch eher am Rande, Ausgrenzungserfahrungen eine Bedeutung, insbesondere mit Blick auf Menschen mit asiatischen Wurzeln.

– Tom Lin: Die tausend Verbrechen des Ming Tsu. Übersetzt von Volker Oldenburg. 302 Seiten. Suhrkamp, 2022. Euro 16,–
– Celeste Ng: Unsere verschwundenen Herzen. Übersetzt von Brigitte Jakobeit. 400 Seiten. DTV, 2022. Euro 25,–
– Katie Kitamura: Intimitäten. Übersetzt von Kathrin Razum. 220 Seiten. Hanser, 2022. Euro 24,–

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