In Sachen Olof Palme

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In Sachen Olof Palme

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Das ist doch mal ein gutes Timing: Heute wurden die Ermittlungen in Sachen Palme-Mord eingestellt – und heute erschien “Die Taten der Toten” von Roman Voosen und Kerstin Signe Danielsson: DER topaktuelle Roman zum Thema.

Olof Palme, der schwedische Ministerpräsident, wurde im Februar 1986 erschossen, nachts, nach einem Kinobesuch mit seiner Frau – DER große ungelöste Kriminalfall Schwedens, vielleicht sogar Europas. Nach katastrophal-dilletantischen Ermittlungen konnte nie ein Täter identifiziert werden, mehrere, zum Teil aufsehenerregende Spuren, die zum Beispiel zu alten und neuen Nazis, in die Polizeibehörden, zur PKK und zur südafrikanischen Apartheits-Regierung wiesen, führten letztlich ins Nichts – bis vor einigen Jahren die Ermittlungen wieder aufgenommen wurden, nachdem Recherchen von Journalisten die Variante mit dem “Skandia-Mann”, einem radikalrechtsverdrehten Einzeltäter verdichteten.

Er war´s wohl, so kann man das Ergebnis der heutigen Bekanntmachung der zuständigen Staatsanwaltschaft kurz zusammenfassen, und weil der Mann nun selbst schon längst das Zeitliche gesegnet hat, macht es keinen Sinn, weitere Ermittlungen voran zu treiben. Deckel drauf also, die leidige Geschichte endlich abschließen. Ernsthaft? Denn ganz so einfach ist es tatsächlich dann doch nicht: Wenn der “Skandia-Mann” Palme erschoss, könnte er dann nicht Hinterleute gehabt haben, das wäre zum Beispiel eine offene, angesichts der Hinweise auch nahe liegende Frage. Sowieso sind es letztlich bloß Indizien, die auf seine mögliche Täterschaft hinweisen, sichere Beweise gibt es nicht. Die Tatwaffe zum Beispiel ist nach wie vor verschwunden.

Anders als in “Die Taten der Toten”, der Roman fängt nämlich mehr oder minder damit an, dass Kommissarin Stina Voss, eine der beiden zentralen Heldinnen der Reihe von Voosen/Danielsson, diese Waffe findet – und zwar im Nachlass ihres verstorbenen Vaters. Was eine klandestine Ermittlung auslöst, das ganze Team arbeitet mit, allerdings unter dem Radar, denn diese Recherche ist nicht bloß illegal und unerwünscht, sondern auch extrem gefährlich. Vor allem für Stina Voss. Im Folgenden werden nun erstmal – etwas bemüht als Krimiplot verkappt – alle bekannten Indizien und Spuren in Sachen Palme-Attentat abgearbeitet, auch die mit dem “Skandia Mann”, das ist sozusagen der erste Teil des Romans. Im zweiten kommt dann der zentrale Vorzug der Literatur allen anderen Formen der (zeitgeschichtlichen) Recherche gegenüber zum Tragen – im Möglichkeitsraum auf Basis der Fakten entstehen ganz neue Dynamiken, die schließlich auch zu anderen Erkenntnissen führen. Das ist höchst interessant zu lesen, insbesondere als Begleitlektüre eben zur heutigen Verfahrenseinstellung und all den offenen Fragen, die man als Leser der Artikel dazu direkt im Kopf hat, wenn man die Berichterstattung verfolgt. “Gelöst” ist an dem Fall nämlich tatsächlich nicht so viel, schon gar nicht alles – und da geht der Roman ganz andere Wege.

Bedauerlich nur, dass die beiden AutorInnen offensichtlich keine Idee hatten, wie man solch einem Stoff auch ästhetisch auf eine zeitgemäße Weise gerecht werden kann: Die Geschichte ist immer wieder betulich formuliert, voller Erklärdialoge, auch strukturell bleibt der Roman allzu brav und konventionell, zumindest im ersten Teil, das hat letztlich fast etwas von einer Abhandlung. Schade, sonst hätte “Die Taten der Toten” nicht bloß ein hoch interessanter, topaktueller Politthriller werden können, sondern auch noch ein richtig guter. Trotzdem – und auch wenn man Geduld braucht zwischendrin – eine klare Leseempfehlung: Wie Voosen und Danielsson den Möglichkeitsraum rund um die Palme-Ermordung und ihre Hintergründe ausleuchten, das ist schon ziemlich spektakulär gedacht und geplottet.

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