Weltempfänger-Bestenliste: Sonderausgabe zur Ukraine

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Weltempfänger-Bestenliste: Sonderausgabe zur Ukraine

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»Glückliche Fälle« Yevgenia Belorusets UKRAINE / DEUTSCHLAND
Erzählungen. Aus dem Russischen von Claudia Dathe
Matthes & Seitz Berlin, 154 Seiten, 20,00 €
Sie fotografiert, installiert, ist politisch tätig. Anfang März war sie in einem Keller in Kiew. Ihre Erzählung »Die die Kinder im Handschuh fängt« ist einer der fantastischsten Texte der letzten Jahre.
Arno Widmann

Rote Kreuze« Sasha Filipenko BELARUS
Roman. Aus dem Russischen von Ruth Altenhofer
Diogenes, 288 Seiten, 22,00 €
Nach einem Erlass Stalins galten russische Gefangene als »Volksfeinde«. Auch ihre Angehörigen landeten im Gulag. In Sippenhaft. Zur Umerziehung. Wie die Erzählerin im Roman. Der weißrussische Autor erinnert an »diese Wahrheit«, an die Verbrechen Stalins. Und Putin verbietet »Memorial«, verbietet das Erinnern.
Ruthard Stäblein

»Eine Formalie in Kiew« Dmitrij Kapitelman UKRAINE / DEUTSCHLAND Roman.
Hanser Berlin, 176 Seiten, 20,00 €
Kürzlich in Kiew: Der Leipziger Dmitrij Kapitelman braucht eine Kopie seiner Geburtsurkunde. Er muss ausdauernd anstehen, kreativ kungeln – und
sich für sein Russisch rügen lassen. Kapitelmans Vorkriegskiew ist anstrengend, aber auch lustig. Und: Es ist noch heil.
Katharina Borchardt

»Ein Ring aus Papier« Zygmunt Haupt POLEN / UKRAINE / USA
Erzählungen. Aus dem Polnischen von Esther Kinsky
Suhrkamp, 350 Seiten, 24,90 €
Ich empfehle »Ein Ring aus Papier«, weil es die Welt beschreibt, die zwischen 1914 und 1945 untergegangen ist, in den Gebäuden, Landschaften und Gemütern dennoch fortlebte und nun ein weiteres Mal unterzugehen droht. Und weil es so unglaublich gute Erzählungen sind.
Navid Kermani

»Graue Bienen« Andrej Kurkow UKRAINE
Roman. Aus dem Russischen von Sabine Grebing und Johanna Marx
Diogenes, 448 Seiten, 24,00 €
Anhand der Geschichte eines Bienenzüchters folgt Andrej Kurkow den Bruchlinien des Konflikts im Donbass und auf der Krim – mit Blick auf die Schicksale der kleinen Leute. Aus heutiger Sicht: Ein Requiem; die Hoffnung, die dieser Roman noch transportierte, ist zerfetzt und begraben.
Ulrich Noller

»Das perfekte Gift« Sergej Lebedew RUSSLAND
Roman. Aus dem Russischen von Franziska Zwerg
S. Fischer, 256 Seiten, 22,00 €
Ein Politthriller, der oszilliert zwischen Diskurs und Plot. Ein russischer Geheimdienst- Offizier wird ausgeschickt, um einen einst in sowjetischen Dienst gestandenen Bio- chemiker zu liquidieren. Einblicke in das Denken der Wissenschaftler und ihrer politischen Herren, die nicht unbedingt verblüffend, aber sehr instruktiv sind.
Thomas Wörtche

»Menschen im August« Sergej Lebedew RUSSLAND
Roman. Aus dem Russischen von Franziska Zwerg
S. Fischer, 368 Seiten, 22,99 €
Lesen Sie die Romane von Sergej Lebedew. Wenn Sie verstehen wollen, wieso die Vergangenheit in Russland die Gegenwart okkupiert hat, wie die Geister der Geschichte weiterhin das Denken und Fühlen kontaminieren. Seine Werke zeigen auf, wie gut wir auch aktuelle Entwicklungen verstehen können, wenn wir uns der Literatur hinwenden.
Ilija Trojanow

»Blauwal der Erinnerung« Tanja Maljartschuk UKRAINE / ÖSTERREICH Roman. Aus dem Ukrainischen von Maria Weissenböck
Kiepenheuer&Witsch, 288 Seiten, 22,00 €
Ein vergessener Volksheld der Ukraine und eine Autorin in der Krise heute. Zwei Emigranten in Wien, die sich nie begegnet sind. Die Bachmann-Preisträgerin 2018 macht aus ihrer Spurensuche einen klugen Roman. Unsentimental erzählt sie von ihrem Land, von Emigration, Sprachwechsel und Identität.
Cornelia Zetzsche

»Hundepark« Sofi Oksanen FINNLAND
Roman. Aus dem Finnischen von Angela Plöger
Kiepenheuer & Witsch, 480 Seiten, 23,00 €
Die Autorin finnisch-estnischer Herkunft erzählt in ihrem spannenden Roman über die Kinderwunschindustrie in der Ukraine und von den weitreichenden Verwerfungen, die der Zusammenbruch der Sowjetunion nach sich zog. Kenntnisreich, scharfsinnig, erhellend.
Anita Djafari

»Zukunftsmusik« Katerina Poladjan RUSSLAND / DEUTSCHLAND Roman. S. Fischer, 192 Seiten, 22,00 €
Fast unheimlich, wie Poladjan den 11. März 1985 beschwört als schon verflogene Möglichkeit eines Aufbruchs Russlands in eine bessere Zeit. Ihr schmerzhaft schönes, traurig-komisches Buch zeigt, welche Kunst die Literatur zu vollbringen imstande ist, stellt die Legitimation genau dieser Kunst infrage vor der Brutalität einer Wirklichkeit, gegen die sie entsetzlich machtlos ist.
Insa Wilke

»Leben. Geschichten« Oleg Senzow UKRAINE
Autobiographische Erzählungen. Aus dem Russischen von Irina Bondas u.a.
Voland & Quist, 112 Seiten, 16,00 €
Der Autor und Filmemacher Oleg Senzow war von 2014 bis 2019 in russischer Gefangenschaft. Nicht von der Haft, sondern von der Kindheit auf der Krim erzählt er in seinen Geschichten, die intensiv davon berichten, wie wunderschön und gleichzeitig aussichtslos das Leben in der Ukraine war.
Ines Lauffer

»Der Körper kehrt wieder« Maria Stepanova RUSSLAND
Gedichte. Aus dem Russischen von Olga Radetzkaja
Suhrkamp, 138 Seiten, 22,00 €
Diese Lyrik, in Teilen geschrieben nach der Intervention Russlands im Donbass 2015, erhebt radikal Einspruch gegen die offizielle russische Geschichtsschreibung –
und die Wiederkehr von Totgesagtem: dem lauten Chor des Vaterländischen, von Heldenwahn und Kriegsgesängen.
Claudia Kramatschek

»Internat« Serhij Zhadan UKRAINE
Roman. Aus dem Ukrainischen von Juri Durkot und Sabine Stöhr
Suhrkamp, 300 Seiten, 22,00 €
In der Ferne explodieren Granaten, Glas splittert unter den Stiefeln eines Snipers. Pawel will den Neffen aus dem Internat holen. Sein Weg führt durch eine Stadt
in Agonie. Vom Krieg in der Ostukraine erzählt Serhij Zhadans Schreckensszenario als Vernichtung der Mitmenschlichkeit.
Jörg Plath

Sachbuch

»Die Zukunft ist Geschichte. Wie Russland die Freiheit gewann und verlor« Masha Gessen RUSSLAND / USA
Sachbuch. Aus dem Englischen von Anselm Bühling Suhrkamp, 640 Seiten, 26,00 €
Diese glänzende Autorin beschreibt Aufbruch und Scheitern des neuen Russlands anhand verschiedener Biographien der ersten postsowjetischen Generation. Andreas Fanizadeh

»The Gates of Europe. A History of Ukraine«
Serhii Plokhy UKRAINE / USA Sachbuch.
Penguin, 432 Seiten, 11,20 €
Eine Woche, nachdem die Ukraine sich für die Unabhängigkeit ausgesprochen hatte, löste sich die Sowjetunion auf. In Putins Augen die größte geopolitische Tragödie des Jahrhunderts. Mit dieser Erinnerung beginnt Serhii Plokhy seine großartige Geschichte der Ukraine.
Arno Widmann

»Die Hände meines Vaters. Eine russische Familiengeschichte«
Irina Scherbakowa RUSSLAND
Sachbuch. Aus dem Russischen von Susanne Scholl Droemer Knaur, 416 Seiten, 10,99 €
Die bewegende ukrainisch-russisch-jüdische Familiengeschichte der Memorial- Mitbegründerin, die gerade von Moskau ins israelische Exil fliehen musste.
Andreas Fanizadeh

»Polinas Tagebuch« Polina Scherebzowa TSCHETSCHENIEN / FINNLAND
Sachbuch. Aus dem Russischen von Olaf Kühl
Rowohlt E-Book, 576 Seiten, 9,99 €
Als der erste Tschetschenienkrieg mit der russischen Invasion 1994 begann, war Polina neun Jahre alt. Sie wurde zu einer authentischen Augenzeugin und zum Symbol all derer, die sich der Gewalt auch Dank unverwüstlicher literarischer Kraft widersetzen.
Andreas Fanizadeh

»Bloodlands. Europa zwischen Hitler und Stalin« Timothy Snyder USA
Sachbuch. Aus dem Englischen von Martin Richter
C.H. Beck, 523 Seiten, 29,95 €
Die Bloodlands waren eingekeilt zwischen deutschem Nazireich und stalinistischer Sowjetunion. Hier wüteten abwechselnd zwei imperiale Terrorregime und brachten Millionen Menschen um. Die Ukraine weiß, wofür sie heute kämpft, aber wissen die Deutschen um ihre historische Verantwortung dafür?
Andreas Fanizadeh

»Unsere Anderen. Geschichten ukrainischer Vielfalt« Olesja Yaremchuk UKRAINE
Sachbuch. Aus dem Ukrainischen von Christian Weise Ibidem, 176 Seiten, 16,80 €
Eine junge Autorin hat sich aufgemacht, die nationale Vielfalt ihrer Heimat zu entdecken. Sie hat sich nicht nur bei den Polen, Slowaken, Rumänen, Juden umgeschaut, die in der Ukraine leben, sondern auch kleine, versprengte Gruppen wie die Gagausen oder
die Mescheten entdeckt. Eine ethnographische Reportage voller warmherziger literarischer Porträts.
Karl-Markus Gauß

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