Glück Auf, Glück auf, der Bagger kommt

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Glück Auf, Glück auf, der Bagger kommt

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Ich weiß: “Glück auf” ist die Grußformel der Bergleute. Und sie gilt unter wie über Tage, kann daher auch im Rheinischen Braunkohlerevier gefahrlos verwendet werden.

So wurden dann auch auf der SPD-Revierkonferenz in Bergheim fleißig “geglückauft”. Mir, dem einsamen WDR-Journalisten auf den Presseplätzen, lief jedes Mal ein leichter Schauer über den Rücken.

Einige der Grüßenden habe ich gefragt, ob sie die großen Erdlöcher zwischen Köln und Mönchengladbach zumindest überdachen wollen, damit man ans Tageslicht hinauf fahren kann und “Glück auf” besser passt. Aber Klugscheißerei ist nicht mein Motiv.

Und ich dachte, es hört auf

Mich stört zunehmend diese nordrhein-westfälische “Polit-Glück-Auf-Folklore”. Eigentlich dachte ich, es sei damit so langsam vorbei, damals nach der SPD-Wahlschlappe 2017. Damals hieß es in der einstigen Partei von Kohle und Stahl, man solle vielleicht weniger “Glück auf” sagen, weil das gestrige Ruhrgebiets-Klischees bedient und den Blick auf die Zukunft verstellt. 

Aber irgendwie verfing das im Landtag nicht. Schlimmer noch: Seit die Löcher rund um meine Heimatstadt Mönchengladbach notwendigerweise in den Fokus der politischen Debatte rückten, fielen Landespolitiker jedweder Couleur in die Dörfer und Städte ein und trällerten “Glück Auf, der Braunkohlenbagger kommt.”

Dabei hat sich im sogenannten “Rheinischen Revier”- anders als in Städten wie Gelsenkirchen oder Bottrop – bei den Leuten eben nicht “Glück auf” als Grußformel durchgesetzt. Oder wird den Fans von Borussia Mönchengladbach, des 1. FC Köln oder Alemannia Aachens vor der Partie das Steigerlied vorgesetzt? Es wäre lustig zu sehen, wie diese Folklore ankäme, würde es mal jemand probieren. Dagegen bekommen Sie auf Schalke immer noch Tränen in den Augen, wenn ein Bergmannschor davon singt, wie er Schnaps säuft. 

Trecker-Romantik statt Malocher-Lyrik

Womit ich bei meinem Punkt bin: Dieses kleine Detail zeigt, wie wenig Politiker und Politikerinnen vom “Rheinischen Revier” verstehen. Es kommt oft rüber wie “Hat irgendwas mit Strukturwandel zu tun, ist also sowas wie Ruhrgebiet – nur unter freiem Himmel.” Aber genau das ist falsch.

Der nördliche Teil weiß längst, was Strukturwandel ist. Nur hatte der nix mit Kohle zu tun und weckt eher negative Erinnerungen. Als am südlichen Niederrhein vor rund 60 Jahren die Textilindustrie verschwand, ließ die Politik die zumeist weiblichen Arbeitskräfte im Stich. Anders als im Ruhrgebiet, gab es keine milliardenschweren Fördertöpfe für Städte wie Mönchengladbach oder Krefeld.

Trotz aller Schwierigkeiten hat sich die Region erholt. Es gibt gute Hochschulen, gute Jobs und die Abhängigkeit zur Kohleindustrie ist nicht mal im Ansatz vergleichbar mit dem Ruhrgebiet. Allerdings sehen die Städte nicht immer super aus. Verkrustete (Kinder-)Armut gehört leider zum Alltag und der ÖPNV ist südlich von Mönchengladbach oftmals eine Katastrophe. Außerdem lebt man nicht im verdichteten Ballungsraum. Vieles spielt sich in Dörfern ab samt Trecker-Romantik, wenn die Rüben geerntet werden. Mit “Glück Auf” hat das alles nix zu tun! 

Alte Denkmuster helfen nicht

Entsprechend habe ich auch mit dem Begriff “Revier” Probleme. Im Rheinland kam die Kohleförderung in eine vorhandene Wirtschaftsregion. Anders als im Ruhrgebiet gab es schon vor der Kohle viel Industrie. Entsprechend fremdele nicht nur ich damit, wenn  mal wieder einer aus dem Ruhrgebiet was vom Kohlerevier erzählt. Die Kohle ist im Rheinland EIN Teil eines großen Ganzen, aber längst nicht das prägende Element einer ganzen Regionalgeschichte.

Es ist aus meiner Sich daher wichtig, wie man ÜBER das Ganze rund um die Baggerlöcher redet: Wer das Rheinland mit Ruhrgebiets-Sprache überzieht, macht auch Politik wie für das Ruhrgebiet – und damit auch absehbar ähnliche Fehler. Und da wird es finanziell sensibel. Wenn nämlich SPD-Fraktionschef Jochen Ott auf der “SPD-Revierkonferenz” sagt, “nie war soviel Geld für einen Strukturwandel da!”, dann stimmt das zwar irgendwie; 15 Milliarden Euro sind mindestens im Spiel. Nie war aber auch die Gefahr so groß, viel Geld ohne klares Ziel und klaren Plan auszugeben.

Über den Autor

Geboren 1980, aufgewachsen am linken Niederrhein. Im WDR seit 2006 als Nachrichtenmann und politischer Berichterstatter unterwegs. Aktuelle Schwerpunkte bei SPD, AfD, Hochschul- und Sportpolitik im Land. Und sogar mit eigenem landepolitischen Podcast.

Ein Kommentar

  1. Glück auf, wenn der Steiger nicht hinabsteigt sondern im Tagebau oben bleibt, passt wirklich nicht so richtig. Aber Rituale können doch einen hintergründigen Sinn haben, hier zum Beispiel damit man nicht vergisst wo seine Wurzel sind. Ein Sozialdemokrat als „Klimakanzler“ muss zwangsläufig so in die Hose gehen wie ein „Genosse der Bosse“.

    Im „Rheinischen Revier“ bin ich nicht zuständig aber den Satz „Es gibt gute Hochschulen, gute Jobs“ kenne ich auch vom Revier an der Ruhr. Näher an der Realität ist der Paritätische Gesamtverband beim aktualisierten Armutsbericht 2022: „Armutspolitische Problemregion Nr. 1 bleibt dabei das Ruhrgebiet“. Ob noch nie „soviel Geld für einen Strukturwandel“ da war oder nicht ändert offensichtlich nichts am Ergebnis.

    Es ändert aber eine Menge, wenn jemand auf kommunaler Ebene den Klimakanzler spielt mit seiner Verkehrswende. Gestern habe ich den Plan im Briefkasten gefunden, in dem massenhaft kostenlose Parkplätze in kostenpflichtige Kurzzeitparkplätze gewandelt werden. Und der Parkausweis für Anwohner kostet im Jahr jetzt 30 Euro; vergleichsweise sehr günstig aber trotzdem zusätzlich Ausgabe. Wer ohnehin wenig verdient kann nicht mehr in unsere Stadt rein pendeln und beim Ausbau ÖPNV kommt selbst eine reiche Stadt wie Münster schnell an Grenzen. Es gleicht sich etwas aus denn wenn der Handel stirbt fallen auch Arbeitsplätze und Pendler weg.

    Einen „klaren Plan“ und ein „klares Ziel“ sehe ich schon und Grüne dürften zufrieden sein. Nur ist da nichts was man von Sozialdemokraten erwarten würde und für das Streichen von Abstandsregeln bei Windrädern stehen die Christdemokraten auch nicht unbedingt. Vielleicht würde doch etwas mehr „Polit-Glück-Auf-Folklore“ helfen sich wieder an seine Wurzeln zu erinnern, bevor noch mehr Wurzeln als Konsequenz Richtung rechte Seite wachsen.

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