Tag 93: “Wir sollten dat beste draus machen”

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Tag 93: “Wir sollten dat beste draus machen”

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Vor acht Jahren war der Zeuge, dessen Befragung heute ansteht als Sicherheitsmann für einen der Eingänge zum Tunnel zuständig. Er veranlasste zu einem kritischen Zeitpunkt, dass die Einlasskontrollen vollkommen geöffnet wurden, obwohl er von seinem Vorgesetzten, dem Crowd Manager, die Order hatte niemanden mehr hereinzulassen. Als Grund nannte er bereits in seinem Verhör nach der Katastrophe die Anweisung eines hochrangigen Polizeibeamten, den er aber nicht eindeutig identifizieren konnte.

Ein erfahrener Mann

Der 49-jährige erklärt, dass er schon auf einigen Großveranstaltungen wie dem Christopher Street Day mit einer Million Besuchern in Köln tätig war. Dabei habe er  Sicherheitskonzepte erstellt und eng mit der Polizei zusammengearbeitet. Er sei bei der Loveparade mit einem Team im Einsatz gewesen, das gut eingespielt gewesen sei.

An dem Morgen der Loveparade habe er sich seinen Arbeitsplatz angeschaut und dem Crowd Manager direkt gesagt, dass vor allem die Bauzäune am Wegrand nicht stabil und ungeeignet seien um Menschenmassen zu kontrollieren. “Da müssen wir das Beste draus machen.” sei die Antwort gewesen. Er mache sich heute noch Vorwürfe, denn er habe damals schon geahnt: “Zwei Eingänge und kein Notausgang. Da gibt es heute Abend Verletzte.”

Wer veranlasste die Öffnung der Schleusen?

Zunächst sei aber alles nach Plan gelaufen, berichtet der Zeuge. Er habe mit dem Crowd Manager über Funk in Kontakt gestanden. Doch am Nachmittag habe er von diesem die Anweisung bekommen die Eingänge zu schließen, weil der Druck an der Rampe zu hoch geworden sei. Ein Polizeibeamter, der den Einsatz auf der Straße geleitet haben soll, habe ihn jedoch dazu aufgefordert alle Einlässe zu öffnen. Diese Aktion könnte ein Auslöser für das Unglück gewesen sein. Denn die Menschenmassen, die nach der Öffnung in den Tunnel strömten, sind mutmaßlich in die Polizeikette gerannt, die dort gebildet worden war.

Die Frage ist also, wer diese fatale Entscheidung getroffen hat. Der Zeuge ist davon überzeugt, dass es ein Polizeibeamter war. Beweise dafür gibt es heute nicht. Jedenfalls nicht auf den vielen Videoaufzeichnungen, die den Einsatzbereich des Zeugen zeigen.

Eine emotionale Aussage

Muss an der Glaubwürdigkeit des Zeugen gezweifelt werden? Von Zeit zu Zeit maße ich mir als Bloggerin an, diese Frage zu beantworten. Aber nicht heute.

Der Mann wirkt. Mit seinem kölschen Dialekt und der Art sich auszudrücken bringt er die Anwesenden teilweise zum Schmunzeln. Dann ringt der kräftige ehemalige Securitymitarbeiter aber auch wieder um Fassung und kann die Tränen nicht zurückhalten. Er sagt, er empfinde “moralische Verantwortung”. Am Ende frage ich mich als Beobachterin, ob ich nun einen Verantwortlichen oder ein Opfer angehört habe.

Über den Autor

in Duisburg geboren. Nach einem Volontariat bei einem TV-Sender ging es weiter als freie Videojournalistin für verschiedene TV Sender und internationale Online-Plattformen. Seit 2016 im WDR Studio Duisburg zuhause.

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