Die Nerd-Facts zur Kommunalwahl-Umfrage

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Die Nerd-Facts zur Kommunalwahl-Umfrage

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Wieso hängt es zusammen, wenn in Düsseldorf der CDU-Mann Stefan Keller Oberbürgermeister würde und im Kölner Rat nach der Kommunalwahl ein rot-grün-rotes Bündnis die Mehrheit stellt? Warum ist Autofahren Teil der Antwort auf große Fragen um Ökologie, Wohnen und gesellschaftlichen Zusammenhalt? Ein tieferer Blick in die Vorwahlumfrage des WDR zur Kommunalwahl bringt das ein oder andere Detail an die Oberfläche, was aber in seiner politischen Auswirkung massiv sein kann – für das ganze Land. Dabei haben wir eigentlich nur in elf großen Städten gefragt.

Doch die erste Erkenntnis jenseits der parteipolitischen Interessen überrascht auf den ersten Blick und lässt über die befragten Grenzen hinaus den oder anderen Rückschluss zu. Wir in der Redaktion hatten ja gedacht, dass die Menschen die Sorge um bezahlbaren Wohnraum umtreibt, dass sie im Ruhrgebiet am deutlichsten auf Migrationsfragen schauen. (Was im Fall Duisburg auch stimmt)  Aber die Antworten zeigten ein anderes Top-Thema: Verkehr- und Mobilität spielen in neun von elf Städten die größte Rolle.

Mobilität als ganzheitliches Thema

Denkt man genauer darüber nach, ist das jedoch logisch und sagt politisch viel über den möglichen Wahlausgang für ganz NRW aus. Das Thema Verkehr verbindet nämlich nahezu alle wichtigen Politikfelder. Dröseln wir das mal auf: Die Zahl der Pendler steigt weiter, wenn es nur noch auf dem Land Wohnraum gibt, der für Normalverdiener bezahlbar ist. In einigen Großstädten führt das direkt in den Stau – auf der Umweltspur.  Pendler*innen würde es also noch mehr nerven als jetzt schon – sie würden aber nicht zwingend freie Fahrt für ihre SUVs fordern, sondern Alternativen fordern, das Auto stehen lassen zu können. Ein Flickenteppich an Sharing-Angeboten, ein unübersichtlicher ÖPNV mit nicht immer schnellem und verlässlichem Angebot verhindert das jedoch in vielen Fällen. Und dieses eigentlich sehr reale Gedankenspiel treibt offenbar viele Menschen im Land um.

Womit sich sich Ökologie, demographische Entwicklung auf dem Land und bezahlbarer Wohnraum mit dem Thema Verkehr verbinden: Wer wegen guter Alternativen nicht ins Auto steigen muss, kann günstig auf dem Land wohnen, braucht dort eine gute digitale Infrastruktur, vermeidet beim Pendeln trotzdem Stau und Emissionen. Und damit wären wir bei der sich abzeichnenden “grünen Welle” bei der Wahl.

Wir haben in Großstädten gefragt, wen die Menschen wählen wollen – und es gibt eine klare Tendenz auf einem möglichen Wahlsieger: Die Grünen. In Wuppertal und Aachen können sie auf den OB-Posten hoffen. In Dortmund haben sie sogar Außenseiterchancen. Wenn Daniela Schneckenburger in die Stichwahl gegen SPD-Kandidat Westphal kommt, könnten viele CDU-Anhänger der Grünen ihre Stimme geben. Und die SPD würde erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik das Dortmunder Rathaus verlieren. Und für alle abgefragten Räte gewinnen die Grünen ebenfalls deutlich.

Die nächste “Wende im Westen”?

Jetzt ist das erst einmal keine Überraschung: Grüne sind in urbanen Zentren nicht erst seit dieser Kommunalwahl stark. Seit der Bundestagswahl 2017 fährt die Partei von Erfolg zu Erfolg. Aber paart man die Erkenntnis aus den thematischen Schwerpunkten mit den Trends aus den Großstädten, dann könnte die Partei auch in ländlichen, eher konservativen Regionen Erfolge feiern. Es spricht einiges dafür, dass die Kommunalwahl 2020 für die Grünen das werden könnte, was sie für die CDU 1999 war. Damals gab es plötzlich im Ruhrgebiet christdemokratische Oberbürgermeister. Die Bastion der SPD fiel, historisch gesehen sprechen noch heute Politikwissenschaftler von einer Wende im Westen.

Die nächste steht also bevor. Und wieder wird es offenkundig zum Schaden der SPD sein. Sie verliert in den Umfragen, wo man nur verlieren kann. Die Partei wird sich am Tag nach der Stichwahl am 27.9., wenn nicht sogar früher Fragen zu stellen haben, wie sie überhaupt noch Machtoptionen ausbilden kann. Aber das ist ein Thema für einen eigenen Text.

Kölner-Düsseldorfer CDU-Interessen

Kommen wir zur kuriosesten Situation, die einigen Sprengstoff enthält: Es um Düsseldorf und Köln, aber nicht weil die Städte eh die ewigen Rivalen sind. Es geht um eine sich andeutende Situation, in der eine lokale CDU verlieren muss, damit die andere sich freuen kann. Warum? Im Kölner Rat liegen CDU, SPD und Grüne fast gleichauf bei über 20 Prozent, dazu gesellen sich überdurchschnittlich starke Linke. Wenn es kommt, wie es sich in der Umfrage andeutet, gäbe es eine Mehrheit für ein Grün-Rot-Rotes Bündnis. Die CDU wäre in diesem Fall raus – und das, obwohl sie gemeinsam mit den Grünen die parteilose Amtsinhaberin Henriette Reker unterstützt hat. Wenn Reker dann gemeinsame Sache mit einem eher linken Bündnis machte, wäre die Kölner CDU – nun ja, jedenfalls nicht dort, wo sie hinwollte.

Noch übler könnte es für die CDU sogar laufen, wenn in Düsseldorf Stefan Keller Oberbürgermeister wird, was im Bereich des Möglichen liegt. Der CDU-Mann ist Stadtdirektor in Köln und dort DIE Schlüsselfigur der Verwaltung. Ginge er als OB zurück in seine Düsseldorfer Heimat, bräuchte Köln einen neuen Stadtdirektor. Es ist eher unwahrscheinlich, dass dieser Posten unter den genannten Umständen wieder an die CDU ginge, ein Direktor muss nämlich vom Rat bestätigt werden. Die Kölner CDU hätte dann eine OB-Kandidatin unterstützt, mit der sie sich womöglich selbst marginalisiert und noch  ihren einflussreichen Stadtdirektor verliert.

Ein paar spannende Details, die ein spannende Wahl versprechen.

Über den Autor

Geboren 1980, aufgewachsen am linken Niederrhein. Im WDR seit 2006 als Nachrichtenmann und politischer Berichterstatter unterwegs. Aktuelle Schwerpunkte bei SPD, AfD, Hochschul- und Sportpolitik im Land. Und sogar mit eigenem landepolitischen Podcast.

3 Kommentare

  1. Der Artikel tut so als sei es unmöglich, “auf dem Land” zu wohnen *und* zu arbeiten, als sei pendeln ein Naturgesetz. Denkfehler.

  2. Franjo Schiller am

    Siegen gehört nicht zu den grossen Städten, nur knapp über 100.000 E. Warum habt Ihr nicht Mönchengladbach genommen? Da kann es eine Überraschung geben.

    • Christoph Ullrich am

      Naja, Siegen hat schon über 100.000 Einwohner, ist also definitorisch eine Großstadt. Aber egal: Sie haben im Kern Recht. Wir haben uns auf je eine Stadt pro WDR-Landesstudio beschränkt. Die Kolleg*innen aus Südwestfalen haben den Fokus auf Siegen gelegt. In der Region, zu der Mönchengladbach gehört, haben wir Düsseldorf gewählt (auch spannend). Es ist nun einmal so, dass wir in der Dimension nur eine Stichprobe anbieten können. Und nicht nur Sie schauen auf Mönchengladbach, auch ich bin sehr gespannt, was in meiner Heimatstadt für ein Ergebnis stehen wird.

      Beste Grüße,
      Christoph Ullrich

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