Dokument eines Enttäuschten

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Dokument eines Enttäuschten

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Die Aufregung war unter landespolitischen Beobachtern relativ groß: Der ehemalige FDP-Fraktionschef und Landtagsvizepräsident Gerhard Papke hat ein Buch vorgelegt – Veröffentlichungstermin just an dem Tag, an dem die FDP ihre Kampagne für die Bundestagswahl 2017 vorstellt. Einige Medien hatten das Werk mit dem Titel “Noch eine Chance für die FDP” bereits vorab zu lesen bekommen. Westdeutsche Zeitung wie Bild schreiben von einer “Abrechnung mit Christian Lindner”.

Papkes umstrittenes Islamismus-Papier

Das passt vordergründig sogar ins Bild. Papke war im Unfrieden aus der Fraktion geschieden, trat 2017 nicht mehr zur Landtagswahl an. Nicht, ohne seinen Frust über den neuen Kurs unter Lindner öffentlich zu dokumentieren. Ihm seien die Freidemokraten zu sehr nach links gerückt, statt beharrlich in der Mitte des Bürgerlichen zu bleiben.

Deutlich machte dies Papke an einem Papier zum Umgang mit dem Islamismus. 2014 stellte er zehn Thesen vor, die sich auch mit einer restriktiveren Überprüfung von Flüchtlingen auseinander setzen. Auch hier machte das Timing die Musik. Die FDP konnte zu diesem Zeitpunkt keine Kontroversen gebrauchen. Lindner fing das Papier ein, Papke fühlte sich in die rechte Ecke gestellt.

Vom Timing eher ein Affront

Womit wir wiederum beim Buch insgesamt sind. Allein vom Zeitpunkt her – siehe oben – kann man es schlicht als gezielten Affront verstehen. Die Passagen über den Porsche fahrenden zivildienstleistenden Lindner lesen wir alle natürlich im Moment des Höhenflugs noch genüsslicher. Die Kritik an Lindners thematischer Verengung der Partei ist nicht unbekannt. Sie tut aber zum Start des wichtigsten Wahlkampfes der Parteigeschichte doppelt weh, kommt sie doch von einem enttäuschten Ex-Spitzenmann.

Leider schadet Papke damit seinem Buch und der Sicht auf das Werk. Es ist in weiten Teilen nämlich alles andere als eine Abrechnung. Zu keinem Zeitpunkt wird Lindners politisches Talent grundsätzlich infrage gestellt. Und wenn man ganz ehrlich ist: Die ersten 160 Seiten sind ein spannender Einblick in die Geschichte des Landtages seit 2000.

Papke lässt nichts aus: Die schwierigen letzten Jahre der rot-grünen Regierungen Clement/Steinbrück, den Wechsel zu Schwarz-Gelb 2005 und die schwierige Lage nach der Wahl 2010 und der Neuwahl 2012. Das Buch ist insgesamt so detailverliebt, dass längst vergessene landespolitische Figuren wie Ernst Schwanhold, Jamal Karsli, Birgit Fischer und Uli Schmidt vorkommen.

An manchen Stellen übertrieben, aber lesenswert

Und natürlich schimmert eine große Portion Eitelkeit durch. Papke weiß um seine Verdienste beim Steinkohleausstieg und bei der Diskussion um Subventionen für Opel. Bei der für die FDP unappetitlichen Möllemann-Ära zeichnet er sich als einen der wenigen, der früh genug das Desaster kommen sah. Das ist sicherlich übertrieben. Aber so ist das halt, wenn man über sich selbst ein Buch schreibt.

Papkes Buch ist sicherlich das Dokument eines Enttäuschten, der am Ende an manchen Stellen übertreibt (Die Episode mit dem abgedrehten Mikro beim FDP-Parteitag zum Beispiel haben anwesende Kollegen anders in Erinnerung.) Aber es ist keine Abrechnung, sondern schlicht eine etwas eitle aber für den landespolitisch Interessierten spannende Beschreibung der NRW-Politik in diesem Jahrhundert.

Ein Buch, kein Skandal

Lesenswert also, aber kein Skandal. Das wäre überhaupt nur der Veröffentlichungstermin. Der bewusst gewählt ist, um Aufmerksamkeit zu schüren, aber zu falschen Schlüssen verleitet. Schade eigentlich.

Buch: Gerhard Papke, Noch eine Chance für die FDP, 232 Seiten, erschienen im FinanzBuch Verlag, 19,95. 

Über den Autor

Geboren 1980, aufgewachsen am linken Niederrhein. Im WDR seit 2006 als Nachrichtenmann und politischer Berichterstatter unterwegs. Aktuelle Schwerpunkte bei SPD, AfD, Hochschul- und Sportpolitik im Land. Und sogar mit eigenem landepolitischen Podcast.

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