Während die Öffentlichkeit vor allem auf das Rennen um den CDU-Vorsitz zwischen den drei nordrhein-westfälischen Kontrahenten Armin Laschet, Friedrich Merz und Norbert Röttgen blickt, ist es bei der SPD in NRW derzeit eher ruhig. Doch hinter den Kulissen laufen bei den Sozialdemokraten Vorabsprachen und kleine Machtspielchen. Spätestens nach der Kommunalwahl im Herbst dürften einige Konflikte mit Blick auf die Bundestagswahl 2021 offen ausbrechen.
Umfragetief trotz Corona-Krisenmanagement
Die Lage der SPD ist bekanntlich nach wie vor prekär. Obwohl die Partei sich selbst ganz gut findet in der Rolle des Corona-Krisenmanagers (Konjunkturpaket, Grundrente trotz Rezession usw.), sind die Umfragen weiter mies. Und das hat Folgen. Immer weniger Wahlkreise gelten für 2021 als sichere Bank für die SPD (wie Wahlkreis-Prognosen zeigen, NRW sieht da sehr schwarz aus mit einem roten Ruhrgebiet-Klecks in der Mitte). Umso wichtiger wird es darum für ehrgeizige Politiker, einen sicheren Listenplatz zu haben. Ein Umstand, der auch das Selbstverständnis von Abgeordneten verändern dürfte. Nicht mehr das Werben bei der Wahlbevölkerung um ein Direktmandat steht an vorderster Stelle, sondern geschmeidige, interne Eigenwerbung für einen günstigen Parteilistenplatz.
Besonders in der SPD-Region Mittelrhein gibt es einige prominente Genossen, die womöglich eine Absicherung über die Liste anstreben (müssen). Da ist der Chef der SPD-Bundestagsfraktion Rolf Mützenich (Köln), der Bundesschatzmeister der Partei Dietmar Nietan (Düren) und der SPD-Landesvorsitzende Sebastian Hartmann (Bornheim). Hinzu kommt der 2017 gescheiterte Kanzlerkandidat Martin Schulz (Würselen), falls er nochmal für den Bundestag antritt, sowie der Abgeordnete und Corona-Talkshowexperte Karl Lauterbach (Köln). Etwas entspannt wurde die Lage durch die Ankündigung des Co-Parteivorsitzenden Norbert Walter-Borjans (Köln), er wolle gar nicht in den Bundestag.
Bis zu fünf Promi-Männer allein aus dem Mittelrhein also. Ein Problem für die Herren: Die SPD hat eine Frauenquote. Nach dem Reißverschluss-Prinzip wird die Liste zwischen den Geschlechtern aufgeteilt. Und dann gibt es da ja auch noch andere SPD-Regionen wie das einst dominante Westliche Westfalen, die feste Plätze auf der NRW-Landesliste beanspruchen. Zumal der Mittelrhein bei den Mitgliederzahlen zuletzt stärker geworden ist (größter Unterbezirk der SPD ist zum Beispiel nicht mehr Dortmund, sondern Köln), deuten sich also Verteilungskämpfe an. Es könnte hitzig werden in den Hinterzimmern – oder bei Zoom-Konferenzen.
Ziel des Regionalchefs: “Eine gute und faire Landesliste”
Wie aus Parteikreisen zu hören ist, muss vor allem Lauterbach um einen sicheren Listenplatz bangen. Wenn er in seinem Wahlkreis Köln IV/Leverkusen wieder aufgestellt wird, muss der Epidemiologe für einen erneuten Bundestagseinzug wohl das Direktmandat gewinnen (das gelang ihm 2017 noch, aber bei den Zweitstimmen lag die CDU vorn). Auf WDR-Anfrage wollte Lauterbach nichts dazu sagen, ob er einen sicheren Listenplatz anstrebt.
SPD-Landeschef Hartmann hat vorher noch andere Hürden vor sich. Im September muss die SPD bei der Kommunalwahl ein Ergebnis von über 30 Prozent bei der letzten Wahl 2014 verteidigen (im letzten NRW-Trend von Westpol lag die SPD bei 20 Prozent) – ein Test für Hartmanns vermeintlichen Erneuerungskurs. Wenige Wochen später steht ein Landesparteitag an mit der Neuwahl des Landesvorstands. Wenn er im Amt bestätigt wird, kann Hartmann Ansprüche für die Liste anmelden.
Der Vorsitzende der SPD-Region Mittelrhein, Jochen Ott, weiß um die heikle Aufgabe, die sich in der Listenfrage anbahnt: “Nach der Kommunalwahl werden wir uns im Mittelrhein zusammensetzen, um einen Vorschlag für die Liste zur Bundestagswahl 2021 vorzubereiten. Es ist richtig, dass unsere Region eine ganze Reihe von wichtigen Persönlichkeiten in der SPD stellt. Man kann sagen, es knubbelt sich hier.” Daraus und unter Berücksichtigung der Quote und der Mitgliederentwicklung in NRW wolle man “eine gute und faire Landesliste erarbeiten”. Das werde “eine Herausforderung”.
Ein Kommentar
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“Nicht mehr das Werben bei der Wahlbevölkerung um ein Direktmandat steht an vorderster Stelle, sondern geschmeidige, interne Eigenwerbung für einen günstigen Parteilistenplatz.”
Wohl wahr! Und ein Trauerspiel für eine ehemalige Volkspartei.
Lauterbach ist omnipräsenter Talkshow-Weltmeister. Warum sollte er in den Bundestag? Dort werden Politiker gebraucht.