Jede Woche gehen Menschen auf die Straße und demonstrieren gegen die EU-Urheberrechtsreform – und die Art und Weise, wie die Politik die Reform durchdrückt. Aber auch Wikipedia demonstriert – auf seine Weise.
Morgen, am 21.03.2019, geht die deutschsprachige Wikipedia-Seite für 24 Stunden offline. 35 Millionen Anfragen laufen ins Leere (auf so viele Pageviews kommt Wikipedia Deutschland an einem Werktag). Suchmaschinen können keine Wikipedia-Ergebnisse präsentieren. Das Online-Wissen ist weg.
Wikipedia fühlt sich durch neue Vorschriften bedroht
Die Macher von Wikipedia wollen ein Zeichen setzen: Das Wikipedia, wie wir es kennen, ist in Gefahr. Artikel 11 und 13 der EU-Urheberrechtsreform bedrohen das beliebte Nachschlagewerk – auf unterschiedliche Art und Weise. So könnte es beispielsweise sein, dass Fotos, Audios oder Videos im Nachschlagewerk wegfallen. Entweder, weil Lizenzzahlungen drohen oder weil es zu Rechtsstreitigkeiten wegen der neuen Vorschriften kommt. Aufwand, den sich Wikipedia nicht leisten kann.
Auch das Zitieren von Quellen, insbesondere von Zeitungen, Verlagen und Onlineangeboten wird schwieriger – möglicherweise sogar unmöglich. Auch hier drohen – Stichwort: Leistungsschutzrecht – Lizenzzahlungen oder juristischer Ärger.
Selbst, wenn Wikipedia verschont bliebe, weil es rechtlich bevorzugt wird: Andere Angebote im Netz könnten durch die neuen Vorschriften nur noch eingeschränkt arbeiten oder würden vielleicht verschwinden. Links aus Wikipedia auf diese Angebote – aber auch umgekehrt – könnten wegfallen oder bedroht sein.
Proteste gegen das neue EU-Urheberrecht in Köln – die Hintergründe
Aufruf zum Protest – bei EU-Abgeordneten
Aus diesem Grund protestieren die Wikipedia-Macher: Sie wollen die Menschen aufrütteln – und fordern die User konkret auf, Kontakt zum jeweiligen EU-Abgeordneten herzustellen und ihn/sie aufzufordern, im EU-Parlament gegen die Reform zu stimmen. Denn noch ist es zumindest denkbar (wenn auch unwahrscheinlich), dass die EU-Urheberrechtsreform gestoppt wird. Auch wenn die EU-Staaten selbst die Upload-Filter bereits abgenickt haben.
Die Initiative von Wikipedia ist interessant. Wenn Youtube mit zumindest anfechtbaren Methoden eine Gegenbewegung in Gang bringt, dann weiß man: Das geschieht allein aus kommerziellen Gründen. Doch Wikipedia hat keine kommerziellen Interessen, ist eines der wenigen ausschließlich nützlichen Angebote im Netz – und deshalb wichtig.
Wenn Wikipedia Sorgen hat, angesichts der EU-Urheberrechtsreform unter die Räder zu kommen, dann sollten wir das ernst nehmen.
8 Kommentare
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Nein, Wikipedia geht natürlich NICHT “24 h offline”, denn das würde ja heißen, daß es 24 Stunden lang ununterbrochen den Akt des “Offline-Gehens” vollzöge.
Vielmehr muß es heißen:
“Wikipedia geht aus Protest FÜR 24h offline.”…
ein kleiner Auszug aus der Zukunft:
“die hohen Herren machen Steuern aus, nachher stehts Volk auf” – ist glaube ich vom Mühlhiasl oder
“erst kommt ein Glaubensabfall wie noch nie, dann eine Sittenverderbnis wie noch nie, dann kommen viele fremde Menschen ins Land, dann die Revolution und dann … (schreibe ich besser nicht)” – ist vom Irlmaier.
Die Politiker vertreten nicht mehr die Leute, von denen sie gewählt wurden, sonder eine Elitelobby hat die Macht und das Geld diese Politiker zu lenken. Das sorgt für Unmut der Regierten; bis halt Aktionen folgen die dem häßlichen Spruch ähneln “die die früher gelacht haben, lachen nun nicht mehr”.
Englische Wikipedia geht ja zum glück noch, von daher.
Wikipedia genieße ich schon lange mit Vorsicht, denn die Texte entsprechen meist dem Mainstream. So werden Personen, die zum Beispiel über unbequeme Themen entgegen dem Mainstream berichten oder entsprechende Meinungen vertreten, oft als Verschwörungstheoretiker bezeichnet. Was dieses Wort bezwecken soll, dürfte jedem kritischen Bürger bekannt sein. Wikipedia ist für mich nicht das Maß der Dinge, auch wenn es von vielen Menschen als solches angesehen wird. Meine Meinung bilde ich mir durch den Konsum von öffentlich rechtlichen Medien und durch alternative Medien, hinter denen meist freie Journalisten stehen. Um diese mache ich mir im Bezug auf Uploadfilter Sorgen und nicht um Wikipedia, welches meiner Meinung nach schon jetzt gefiltert ist.
Ich sehe die Proteste ein bisschen zweischneidig. Klar besteht die Gefahr der Zensur und besser wären andere Methoden als Uploadfilter. Aber grundsãtzlich finde ich es richtig, wenn endlich etwas dagegen unternommen wird, dass überall geistiges Eigentum von anderen verwendet wird, ohne dafür zu bezahlen. Insbesondere die Interviews mit Youtubern, die ich, auch im WDR, gesehen habe, zeigen deutlich, wo das Problem liegt. Da beschweren sich junge Menschen, dass sie ihre Einkommensquelle bedroht sehen und geben unverhohlen zu, dass sie ihr Geld damit verdienen, Werke anderer digital zu verändern und neu hochzuladen. Das können sie ja gerne machen, aber dann sollen sie auch Lizenzgebühren an den Original-Autor bezahlen, der auch von seiner Leistung leben muss. Das gleiche gilt übrigens für die Software, die sie benutzen, die oft für den Privatgebrauch kostenlos ist, für die aber bei geschäftlicher Nutzung Lizenzgebühren anfallen. Diese Software wird aber oft kostenlos genutzt, obwohl der Lebensunterhalt durch den Einsatz der Software verdient wird. Als “Erfinder” der Werke/Software hat man mit der aktuellen Lage praktisch keine Möglichkeit, hier Geld für seine Leistung zu erhalten.
Genau bei dieser Fragestellung bin ich auch angekommen. Zum einen ist die Intention als solche meiner Meinung nach Gerechtfertigt. Wissen und geistiges Eigentum wird weniger und weniger als Wert angesehen und vergütet. Zum anderen sieht das Gesetz aber einfach nur schlecht gemacht aus und das Risiko/Nutzen Verhältnis ist völlig ungewiss. Zum letzten ist das Thema eine große intransparente Politschlacht, was die sachliche Meinungsbildung sehr erschwert.
Zwei kleine “Annektoden”:
1) Die CDU/SPD schließt Uploadfilter per Koalitionsvertrag aus, stimmt dem Gesetz in der EU zu, möchte aber National Uploadfilter wieder ausschließen. Hmpf.
2) Die Piraten rufen zur Demo auf. Auf deren Webseiten konnte ich keine Demo für die Stadt in meiner Nähe finden, auf Facebook schon. Hmpf.
Die Wikipediaautoren haben keine Sorgen. Die Wikimedia Deutschland ist schon seit Jahren mit den Piraten verbandelt und hat nun die Gunst der Stunde genutzt, um mit 139 Politaktivisten die Autorenschaft der Wikipedia zu überrumpeln. Man siehe sich nur mal die Diskussion zu dem Meinungsbild an.
Lächerlich, die Wikipedia nun für politische Belange zu missbrauchen. Das Meinungsbild widerspricht den Grundsätzen der Wikipedia. Es war das kürzeste MB seit 15 Jahren weil man schnell was durchwinken wollte. Die Wikipediaautoren wurden kaum über die Abstimmung in Kenntnis gesetzt.
Hallo,
interessanter Aspekt. Das klingt nach einem Insider. Gibt es Proteste unter den Autoren?