Trump vs. Twitter: Eine Chance für uns alle

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Trump vs. Twitter: Eine Chance für uns alle

Kommentare zum Artikel: 6

Gut möglich, dass der aktuelle Zoff zwischen US-Präsident Donald Trump und Twitter – oder besser: zwischen Trump und den Sozialen Netzwerken im Allgemeinen – ein “reinigendes Gewitter” wird.

Denn die Chancen stehen nicht schlecht, dass nun endlich mal umfassend geklärt wird, welche Verantwortung Soziale Netzwerke eigentlich haben sollen. Es müssen verbindliche, allumfassende Regeln her. Im Interesse aller!

Regieren per Twitter: US-Präsident nuttz das Netzwerk intensiv; Rechte: WDR/Schieb

Regieren per Twitter: US-Präsident nutzt das Netzwerk intensiv – und kritisiert den Dienst jetzt lautstark

Zwickmühle für Betreiber: Machen zu wenig oder zu wenig

Im Augenblick machen es die Betreiber der Sozialen Netzwerke doch immer falsch: Entweder halten sie nichts zurück, greifen nirgendwo ordnend ein; dann empören wir uns immer wieder, dass Hetz und Hetze frei kursieren, dass Fake-News die Runde machen oder dass die so genannten Rechten ihre Chance nutzen, alle aufzuwiegeln.

Werden aber Maßnahmen ergriffen, sind die Netzwerke entweder zu zurückhaltend, heißt es, sie relativieren das Falsche oder löschen ausgerechnet jene Postings, die doch vollkommen in Ordnung waren. Irgendeiner beschwert sich immer. Den Netzwerken wird – je nach Blickwinkel – “Zensur” oder “Tatenlosigkeit” vorgeworfen.

Wenn Soziale Netzwerke den arabischen Frühling ermöglichen, finden das hier alle klasse – wenn sich über Soziale Netzwerke Propaganda verbreitet, dann natürlich nicht.

Endlich passiert mal was

Ein Durcheinander, das unerträglich ist. Anders als hiesige Politiker sagt US-Präsident Donald Trump wenigstens mal: Es reicht – ich unternehme jetzt etwas. Denn natürlich muss man sich fragen, ob es in Ordnung ist, den US-Präsidenten wie jeden anderen User zu behandeln und quasi mit Rotstift seine Äußerungen zu redigieren. Vielleicht ist das in Ordnung – vielleicht auch nicht.

Eins steht jedenfalls fast: Es kann unmöglich weiterhin so sein, dass die Netzwerke selbst die Regeln vorgeben und Politik nicht(s) gestaltet. Das ist eine Totalkapitulation vor dem Silicon Valley. Aber es ist die aktuelle Situation.

Wenn Netzwerke nicht haften, dann die User

Wenn die Netzwerke nur Portale sind und die User für die Inhalte haften, dann sollten die User auch leicht zu identifizieren sein: Wer gegen geltendes Recht verstößt, muss sich dafür verantworten.

Das geht aber nicht, wenn Anonymität möglich ist. Also müssen entweder hier Abstriche gemacht werden – oder die Portale haften. Dann werden sie aber zwangsweise auf die Inhalte Einfluss nehmen.

Was wir jetzt haben, ist vollkommene Rechtsunsicherheit. Niemand weiß so richtig, was er darf und was nicht, was er soll und was nicht. Das wäre so, als würden wir Straßen bauen und sagen: Entscheidet doch selbst, ob ihr links oder rechts fahren wollt, ob Ihr für Radfahrer anhaltet oder mit 200 km/h durch die Innenstadt rast. Ob es in Ordnung war, schauen wir hinterher.

Längst überfällige Debatte

Seien wir optimistisch: Möglicherweise führt der Druck, den US-Präsident Trump nun erzeugt, zu einer ernsthaften Auseinandersetzung darüber, was wir von Sozialen Netzwerken erwarten wollen, wo wir Grenzen ziehen und wie diese aussehen.

Das sollten aber eben nicht Mark Zuckerberg (Facebook), Jack Dorsey (Twitter) oder Sundar Pichai (Google) entscheiden. Sondern wir – die Gesellschaft. Und gerne auch überall in der Welt anders.

Über den Autor

Jörg Schieb ist Internetexperte und Netzkenner der ARD. Im WDR arbeitet er trimedial: für WDR Fernsehen, WDR Hörfunk und WDR.de. In seiner Sendung "Angeklickt" in der Aktuellen Stunde berichtet er seit 20 Jahren jede Woche über Netzthemen – immer mit Leidenschaft und leicht verständlich.

6 Kommentare

  1. DollyToll am

    Mit Verlauf Herr Schieb:
    Trump als Motor für eine gerechte Sozial-Media-Kultur zu erhoffen? … Dies ist so, als ob man Martin Winterkorn als E-Auto-Promoter sieht ….
    Facebook steht für Empörungs-Kultur! Und dies l
    ässt die Kassen klingeln! Und dieser Mark rutscht seit Jahren nach Rechts!
    Zufall?
    Mein (Alp-)Traum ist, dass, wenn Trumps Wiederwahl gefährdet ist, das Militär nach dem Uralt-Act mobilisiert wird, Twitter 4 Wochen vor den Wahlen besetzt wird, nur Trumps Propaganda zu sehen ist und die realen Wahlbüros überwacht werden, dass nur keiner sein Kreuzchen an der falschen Stelle macht ….
    I can not breath!

    • Jörg schieb am

      Ich sehe Trunp nicht als Motor, aber möglicherweise seinen Furor als in diesen Fall geeigbete Kraft, endlich mal wichtigs Fragen zu klären.

  2. Es wäre m.E. schon viel erreicht und entsprechend Druck aus dem Kessel genommen, wenn die “sozialen” Netzwerke für die Politik und alles, was daran hängt und verfängt (z. B. Accounts von Parteien, Politikern, Politpresse und -rundfunk sowie deren Journalisten), zur Tabuzone erklärt würden. “Soziale” Netzwerke sollten perspektivisch zur reinen Privatsache werden – dafür waren sie ja auch ursprünglich mal gedacht. Die Anzahl der Follower und Likes sollten Dritten auch nicht mehr angezeigt werden, denn: zu viel bestätigter Narzismus/Selbstverliebtheit schlägt bekanntlich nicht selten auf die weiche Birne – nicht nur beim o. g. Protagonisten. Vielleicht ist das Twitterlogo ja auch irgendwie bezeichnend für einen Teil der dort Publizierenden? Wir haben einen Vogel oder, in ganz harten Fällen, vielleicht sogar eine Riesenmeise unter’m (blondierten) Pony… ;)

  3. justice for everybody am

    “Was wir jetzt haben, ist vollkommene Rechtsunsicherheit. Niemand weiß so richtig, was er darf und was nicht, was er soll und was nicht. Das wäre so, als würden wir Straßen bauen und sagen: Entscheidet doch selbst, ob ihr links oder rechts fahren wollt, ob Ihr für Radfahrer anhaltet oder mit 200 km/h durch die Innenstadt rast. Ob es in Ordnung war, schauen wir hinterher.”

    Wo leben Sie? Ihr Kommentar mag überspitzt gewesen sein, meinetwegen auch sarkastisch. Ist ja auch das gute Recht eines Journalisten, und auch wir haben sehr kritische Kommentare zu den letzten Entwicklungen veröffentlicht.

    Aber:
    “Vollkommene Rechtsunsicherheit” gibt es auch in Digitalistan nicht, da reicht ein Blick in die Gesetzgebung Ihres Landes, Deutschland.
    Wenn so etwas gepostet wird von einem “Fachmann”, dann wundert es natürlich auch nicht, wenn andere das lesen und meinen, sie könnten in einem angeblich rechtsfreien Raum was auch immer posten.

    Ob die Debatte irgendwelche Fortschritte bewirken kann, das wäre natürlich zu hoffen.

    Dass Sie dafür ausgerechnet Donald Trump anführen (“..sagt US-Präsident Donald Trump wenigstens mal: Es reicht – ich unternehme jetzt etwas”), der sich vor einer Kirche den Weg für ein erbärmliches Pressefoto freischießen lässt um mit der Bibel in der Hand “seinen Weg” den anderen erklären zu wollen, was er unternehmen will, ist mehr als fragwürdig. Andere Menschen unternehmen auch etwas, und zwar gegen solche Menschen wie Trump und dessen Einstellungen, und das ist gut so.

    Wenn Sie das in Ihrem Beitrag nicht so gemeint haben, wäre eine Klarstellung äußerst hilfreich.

    • Ich weiss ja nicht, wer “wir” ist — das wäre in diesem Zusammenhang vielleicht ganz interessant — aber: Ja, es ist zugespitzt. Und auf einer Metaebene gemeint.

      Nur: Im Internet gilt nicht vollumfänglich das sonst geltende Recht. Aus vielen Gründen. Was wollen Sie machen, wenn jemand aus Timbuktu Sie beleidigt oder hetzt? Selbst wenn er oder sie in D wohnt, ist es oft alles andere als trivial, wie Sie wissen. Strafverfolgung? Im Internet mehr als schwierig. Berichtet auch die Polizei.

      Mehr als das: Die Regeln, die im Netz gelten, werden uns “übergestülpt”. Konzerne und nicht gewählte Mächte und Konsortien geben diese Regeln vor. Urheberrecht? Im Netz alles andere als durchgängig wirksam. Das Netz gibt die Regeln vor, das Recht wird nachjustiert – im besten Falle-

      Wer eine Kneipe oder eine Bäckerei aufmachen will, unterliegt endlos vielen Regeln und Vorschriften. Im Netz nicht mal ansatzweise. Und wenn der “Sitz” im Ausland ist, wird es praktisch unmöglich, etwas zu tun. Das zeigt auch das aktuelle Beispiel Pornografie: Die meisten Anbieter scheren sich einen Dreck um geltenden Jugendschutz. Warum ist das so? Gelten im Netz also doch andere Regeln?

      Und um bei den Sozialen Netzwerken zu bleiben: Noch ist es nicht gelungen, sie zu “greifen” und einzuordnen. Ein bisschen Medien, ein bisschen Portal, ein bisschen Telekommunikationsanbieter. Glasklare Regeln für SOM gibt es nicht.

      Ich denke, dass Trump Bashing an dieser Stelle nicht weiter führt. Es geht darum, dass die Frage wichtig ist – und die ist eben unbeantwortet -, was Soziale Medien dürfen und sollen und müssen. Das ist bislang alles andere als klar.

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