Manche Gesetze und EU-Regeln sind einfach nicht totzukriegen. Obwohl höchste Gerichte wie das Bundesverfassungsgericht und der Europäische Gerichtshof (EuGH) immer wieder klare Ansagen machen und sie sogar aufheben. Das gilt zum Beispiel für die Vorratsdatenspeicherung (VDS).
Vorratsdatenspeicherung ist unverhältnismäßig
Die aktuelle Fassung ist bereits seit über fünf Jahren als EU-Verordnung etabliert. Doch gerade erst hat der EuGH erneut festgestellt: Von ausnahmslos allen EU-Bürgern unentwegt und überall Bewegungs-, Kontakt- und Kommunikationsdaten zu erheben und zu speichern – und das anlasslos, also ohne konkreten Tatverdacht -, ist aus Sicht der Richter unverhältnismäßig und deshalb nicht erlaubt.
Allerdings haben die Richterinnen und Richter diesmal die Tür einen kleinen Spalt weit geöffnet: Bei schweren Straftaten und wenn die nationale Sicherheit bedroht ist, sind laut EuGH Ausnahmen erlaubt. Dann dürfen Daten auf Vorrat gespeichert werden. Aber das ist dann eben auch nicht mehr “anlasslos”, sondern fokussiert, konkret begründet – und richterlich angeordnet. Ein Unterschied.
Cosmo Tech Podcast: die Vorratsdatenspeicherung – Mutter aller Überwachung?
Einen Überwachungsstaat will keiner
Zur Bekämpfung schwerer Verbrechen – etwa Clan-Kriminalität, Kinderpornografie oder Islamismus – brauchen Fahnder Nutzungsdaten. Sebastian Fiedler vom Bund Deutscher Kriminalbeamter erklärt mir glaubhaft: Vor allem die IP-Daten sind wichtig. Die Ermittler wollen nicht möglichst viele Daten, sondern bei Bedarf die Richtigen.
Ich persönlich verstehe die Sorgen von Netzaktivisten und Datenschützern: Wehret den Anfängen. Fängt ein Staat erst mal an, im großen Stil Kommunikationsdaten zu sammeln, droht Missbrauch.
Vielleicht nicht gleich bei uns in Deutschland, aber womöglich in anderen EU-Ländern. Und – wer weiß: Vielleicht auch irgendwann bei uns. So etwas muss natürlich verhindert werden.
Polizei braucht IP-Adressen
Auf der anderen Seite müssen aber auch Polizei und Ermittlungsbehörden ihre Arbeit machen können. Können sie aber häufig nicht. Viele Verfahren werden eingestellt, weil die nötigen Daten fehlen. IP-Adressen werden derzeit nicht gespeichert/vorgehalten, da die Vorratsdatenspeicherung ausgesetzt ist.
Das scheint also auch nicht ideal zu sein. Es ist doch so: Wir müssen uns im Alltag immer wieder mal Einschnitte in die Privatsphäre gefallen lassen – die müssen dann aber natürlich gut begründet sein.
Ein Neuanfang ist nötig
Von daher ist eine Vorratsdatenspeicherung, die einfach mal so von allen Daten sammelt, in der Tat unzumutbar und gefährlich. Allerdings ist es meiner Ansicht nach auch keine Lösung, partout den Bedarf von Polizei und Ermittlern zu ignorieren. Die haben nämlich keine Überwachungsphantasien, sondern brauchen schlichtweg Werkzeuge und Daten, um ihre Arbeit machen zu können.
Was es also dringend braucht ist ein Neuanfang: Politik muss sich von dem Gedanken lösen, die Daten aller anhaltslos zu speichern. Es müssen Lösungen her, die ein Maximum an Diskretion und Privatsphäre garantieren, aber es ermöglichen, Kriminelle dingfest zu machen.
Sebastian Fielder vom Bundes Deutscher Kriminalbeamter erklärt den Bedarf
9 Kommentare
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Natürlich nutzen nicht “alle” diese Werkzeuge, ist ja auch wegen der fehlenden Speicherung noch nicht nötig.
Wenn es denn soweit ist, wird der betreffende Personenkreis sich aber selbst
gegenseitig dafür sensibilisieren.
Und sei es nur durch die kostenlose Nutzung der Tor-Browsers
Das stimmt: Auch die falschen Schlüsse, die das Auswerten von VDS-Daten möglicherweise nach sich ziehen können, sind ein Argument von Kritikern. Allerdings ist es wohl etwas anderes, ob ein Anwalt schlicht ein Abmahnschreiben verschickt — oder ob Polizei ernsthaft ermittelt. Da braucht es zweifellos mehr als nur eine IP-Adresse in einem Fall.
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Wenn es keine Vorratsdatenspeicherung gibt, wie kommen dann die ganzen Abmahnanwälte an die IP-Adressen. Genau, die Daten werden gespeichert von den Kommunikationsfirmen.
Da muss man halt schnell sein. Wenn die Polizei technisch nicht so schnell ist, dass man die Daten zeitnah abfragen kann, dann muss man da ansetzen und die Polizei auf Stand der Technik eingreifen und nicht die grundrechtlich verbriefte Unschuldsvermutung außer Kraft setzen.
VDS ist eine Ausrede um nicht wirklich etwas zu tun und strukturelle Probleme zu lösen.
“Dann muss man halt schnell sein” -> Das ist eine Empfehlung, die ich fast schon zynisch finde – und mit dem Fahndungsalltag nicht viel zu tun hat. Vor allem bei komplexen Straftaten ist das kaum möglich: Hier ist häufig ein Blick zurück erforderlich (zu hören im Interview im Video). Man kann ja zu einem anderen Schluss kommen, welche Prioriäten gewünscht sind, aber der Polizei zu unterstellen, sie sei einfach zu langsam, finde ich nicht angemessen.
Da ist nichts zynisch dran, sondern Fakt. Die technische und personelle Ausstattung ist unzureichend. Das frisst wertvolle Zeit und auch noch so gute Hinweise müssen erst einmal ausgewertet werden. Wenn man bereits zig Fälle auf dem Tisch hat, dann dauert es halt, bis der nächste dran kommt. Der Tag hat nur 24 h und so bleiben Sachen liegen.
Wenn man danach geht, dass es auch lange dauern könnte, dann müssten die Daten von 83 Millionen Menschen über viele Jahre gespeichert werden.
Abmahnanwälte ist ein gutes Stichwort. Man liest es manchmal und es erscheint auch plausibel, das hin- und wieder Unschuldige in das Visier von Abmahnanwälten geraten. Die Antwort der Justiz scheint oft, das System aus Ermittlung der IP-Adresse und Zuordnung zu einem Endanwender arbeitet zu 100% fehlerfrei. Wer es glaubt … .
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Jetzt überträgt man das auf andere schwerere Vergehen. Ich möchte nun nicht aufgrund eines Fehlers in das Visier der Ermittler geraten.
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Solange nicht für vollständige Transparenz der Abläufe, der Einsicht das kein System jemals Fehlerfrei arbeitet und garantiert zügiger Aufarbeitung von Fehlerfällen gesorgt ist, sollte die Vorratsdatenspeicherung nicht über die derzeitigen ich glaube 7 Tage ausgeweitet werden.
Dass es sich um Überwachung handelt, sehe ich nixht. Es besteht allerdings das Risiko, das ist erwas anderes. Die Frage mit dem VPN habe ich im Interview gestellt… ? Es nutzen aber beileibe nicht alle solche Werkzeuge.
Moin,
das der Herr Fiedler diese Überwachung möchte, ist schon aus seiner Sicht
verständlich.
Vor allen Dingen schafft man mit der Kinderpornografie-Keule Akzeptanz bei
den vielen unbescholtenen Bürgern.
Von Ihnen hätte ich erwartet, dass Sie zumindest darauf hinweisen, dass man
mit einem wenigen Euro billigen VPN Anbieter die ganze IP-Adressen Geschichte aushebeln kann.
Und solche VPN Anbieter werden dann mit Sicherheit von diesen Leuten genutzt.
Übrig bleiben dann Millionen an überwachten Bürgern, die nix mit irgendeiner
Kriminialität zu tun haben.
Ich möchte keine Vorratsdatenspeicherung und ständig überwacht werden.
Wenn ich durch die City gehe, wird auch nicht protokolliert wann und wo ich
mir welche Sachen angeschaut habe.
Grüße aus Singapur, äh Lünen ;-)