Microsoft und sein problematischer “Productivity Score”

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Microsoft und sein problematischer “Productivity Score”

Kommentare zum Artikel: 5

Wenn wir von Big Data sprechen, haben die meisten nur eine vage Vorstellung davon, was damit gemeint ist: Unfassbar viele Daten – und am Ende kommt irgendwas raus. Statistik halt.

Big Data bekommt immer dann besondere Brisanz, wenn man plötzlich – erkennbar! – davon selbst betroffen ist. So ist es zum Beispiel mit dem “Productivity Score” (Produktivitätswert), den Microsoft vor einigen Tagen eingeführt/vorgestellt hat. Eine neue Statistikfunktion, die es Chefs in Unternehmen erlauben soll festzustellen, wie “aktiv” einzelne Mitarbeiter/innen sind.

Microsoft-Manager Jared Spataro erklärt die neue Funktion; Rechte: WDR/Schieb

Microsoft-Manager Jared Spataro erklärt die neue Funktion

Wie produktiv bist Du? Microsoft weiß es…

Wie viele E-Mails gehen pro Tag per Outlook raus? Wie viele Chats führen die Mitarbeiter in Microsoft Teams – und wie lange dauern sie? Vergleichsweise harmlose statistische Daten, die anfallen, wenn Menschen Microsoft 365 – also die Office-Programme Word, Excel, Outlook, Teams etc. – in der Cloud-Version benutzen. Viele Menschen machen das sowieso – und in Zeiten von Home Office mal erst recht.

Selten wurde ich innerhalb weniger Tage so häufig auf ein Digitalthema angesprochen. Die “Schnüffelfunktion von Microsoft” (nicht meine Wortwahl) hat ganz offensichtlich das Potenzial, ungemein zu verunsichern. Gewerkschaftler, Juristen und Datenschützer sind gleichermaßen entsetzt. In den USA – wo solche Funktionen erdacht und dann auch stolz präsentiert werden -, kommt es so leicht niemandem in den Sinn, dass so etwas in der Tat höchst problematisch und auch unanständig sein könnte und ist.

Nach Protesten zurückgerudert

Doch Microsoft hat reagiert. Der verantwortliche Microsoft-Manager Jared Spataro erklärt in einem Blogpost, wie das Unternehmen das Tool nun verändern will, “um die individuelle Privatsphäre zu schützen”. Erster Schritt: Die Chefs – und wer auch immer den Productivity Score einsehen darf – soll keine Nutzernamen mehr sehen. Es gibt also “nur” noch Statistiken über die Produktivität an sich – als Team.mKlingt nach einem Sieg für alle, die sich nicht gerne überwachen und ständig bewerten lassen wollen.

Automatische Bewertung: Wie produktiv war das Meeting?

Die IT-Konzerne allerdings haben noch jede Menge Ideen im Köcher. Laut dem Onlinemagazin Geekwire hat Microsoft Patentanträge für IT-Lösungen eingereicht, die unter anderem die Qualität von Meetings bewerten sollen. Wie? Etwa, indem Körpersprache, Gesichtsausdrücke, Raumtemperatur, Tageszeit und die Anzahl der Personen in der Besprechung” mit in die Bewertung einfließen.

Microsoft stellt hier seine “Productivity Score” genannte Funktion vor

Über den Autor

Jörg Schieb ist Internetexperte und Netzkenner der ARD. Im WDR arbeitet er trimedial: für WDR Fernsehen, WDR Hörfunk und WDR.de. In seiner Sendung "Angeklickt" in der Aktuellen Stunde berichtet er seit 20 Jahren jede Woche über Netzthemen – immer mit Leidenschaft und leicht verständlich.

5 Kommentare

  1. Der Mensch wird zum Roboter. Was man bei Maschinen messen kann, geht doch auch bei Menschen. Da Unternehmen nur auf Gewinn aus sind, und der Mensch als Arbeitnehmer wie ein Roboter oder Sklave zu gehorchen hat – macht es für den Chef doch Sinn Zahlen zu haben welche Mitarbeiter Leistung liefern und welche nur Kosten verursachen. Ich hoffe Microsoft und Co. bringen noch mehr dieser Funktionen!

  2. Carsten Mohr am

    Ich denke mal, wenn man nicht den Schnüffelgedanken dahinter hat, dass das eine durchausnützliche Funktion sein kann. Wichtig ist hier aber Transparenz bei den zugrundegelgten Maßstäben, Eingabewerten, Gewichtungen und der Aussagekraft der Ergebnisse. Denn wenn man Veränderungen in den internen Geschäftsprozessen voranbringen will, braucht man ein einheitliches Messinstrument zur Bestimmung des richtig gegangenen Weges. Wenn man allerdings immer den Status Quo zementieren und Veränderung nicht zulassen möchte, sollte man natürlich tunlichst gegen den Einsatz dieser Tools sprechen.
    Also, Augen auf und nicht immer gegen alles neue sein. In neuen Entwicklungen stecken mehr Chancen und weniger Risiken als man denkt. Risiken kann ich minimieren, Chancen muß ich ergreifen und herausarbeiten.

    • Hoffentlich werden Sie, sofern abhängig beschäftigt, nicht mal selbst zum “Risiko”/”Low Performer” für Ihren Brötchengeber, z.B. durch krankheitsbedingte Einschränkung der Arbeitsfähigkeit. Mein berufsbedingt, herzkranker Cousin wurde gerade von einem solchen “Messinstrument zur Bestimmung des richtig gegangenen Weges” aus dem Vertrieb gefeuert. “Chancen” hat der jetzt keine mehr oder wer stellt noch einen “alten Kranken” ein?
      Btw: Würden Sie sich vom Arbeitgeber einen arbeitsleistungsfördernden Chip einpflanzen lassen? Das ist nämlich der nächste, “logische” Schritt (vgl. Musks kranke Visionen) zur Optimierung der Arbeitswelt, selbstverständlich aus unternehmerischer Sichtweise.
      “Körpersprache, Gesichtsausdrücke”. Wer bereits angeboren/naturbedingt, “krumm” steht und/oder ein “schiefes Gesicht hat, hat in der Auswertung schon verloren, oder was? Krank, einfach nur krank!

      • Carsten Mohr am

        Nun denke ich nicht, dass das deutsche Arbeitsrecht die sicherlich bedauernswerte, aber vermutlich doch in anderen Gründen liegende Kündigung Ihres Cousins ohne Weiteres so zulassen würde.
        Auch ist es nicht in meinem Sinne gewesen, auf Übertreibungen einzugehen. Denn Chip einpflanzen und andere Szenarien gehören dann doch eher in die Horrokiste des fiktiven Filmes. Auch war die Frage nach den kriterien (schiefes Gesicht, Augenrollen etc.) nur ein ironisches Beispiel für nicht ernst gemeinte Kriterien.
        Wenn man aber produktiver sein kann (nicht durch Krankheit kurzfristig benachteiligt) nur durch etwas anders machen als man es bisher gemacht hat, dann sage ich Ja zu den Messmethoden.
        Denken Sie doch einmal andersherum: Sie wären derjenige, der besonders gut und produktiv arbeitet, bekommen aber “nur” € 20,00 je Sunde und der andere, der geht eine Rauchen, der schakert mit der Buchhaltung, der schiebt einen leichten Lenz und bekommt auch 20,00 je Stunde. Wäre das dann in Ihren Augen fair?
        Das soll aber nach meinen Ausführungen eben nicht als Messinstrument für höhere Bezahlung oder direkten Mitarbeitervergleiches sein. Es soll Hilfsmittel für bessere Arbeitsabläufe sein. Das kann auch bedeuten, man identifiziert z.B. E-Mails bestimmter Kunden als nicht effizient genug bearbeitbar oder geht dem näher auf den Grund.

  3. Unsozial – menschenverachtend – schäbig! Pfui deibel!
    Nicht nur jene, die das entwickeln, sondern auch jene, die das einkaufen und in ihrem Laden einführen.
    Fehlt nur noch die Pflichtabgabe der Spermaprobe, als biologischen Indikator für die zu erwartende Produktivität in der täglichen Mitarbeiterleistungsstatistik.

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