In den Wochen vor der Bundestagswahl haben Desinformation und Falschinformation im Netz Hochkonjunktur. Sogar Facebook verstärkt aktuell seine Anstrengungen, um auf Facebook, Instagram und WhatsApp etwas gegen Fake News jeder Art zu unternehmen. Niemand bezweifelt ernsthaft, dass im Netz Falschinformationen und Kampagnen kursieren – nur die genaue Dimension kennt keiner.
Ergebnisse von Fakten-Checkern untersucht
Doch jetzt hat das Netzwerk Avaaz – das selbst regelmäßig Kampagnen der verschiedensten Art in aller Welt startet – die Lage eingehender untersucht. Dazu haben sich die Experten die Ergebnisse der Fakten-Checker von dpa, AFP und des Rechercheverbunds Correctiv im Zeitraum vom 1. Januar bis 31. August 2021 genauer angesehen. Die drei Redaktionen gehören zum Fakten-Checker-Team von Facebook, beschäftigen sich also gewissermaßen “von Amts wegen” mit dem Problem.
Demnach gibt es rund 85 “Desinformationsnarrative” zu 30 deutschen Politikerinnen und Politikern. Man könnte auch “Erzählungen” oder “Geschichten” sagen, die einen mal mehr, mal weniger starken Bezug zur Realität haben – und manchmal gar keinen. Mal werden Geschichten aufgebauscht, manchmal erfunden – aber immer mit dem Zweck, Personen oder Parteien zu schaden.
Auch Laschet und Merkel betroffen
Interessant: Nicht etwa Armin Laschet ist das begehrteste Ziel solcher Desinformationskampagnen, sondern die Kanzlerkandidatin der Grünen, Annalena Baerbock. Sie betreffen nach dem Avaaz-Bericht die meisten Desinformationsnarrative im Fernsehen, Print, Online und in sozialen Medien.
25 Prozent der – rein quantitativ überschaubaren – Desinformationen betreffen Baerbock. Bundeskanzlerin Angela Merkel sowie Kanzlerkandidat Armin Laschet folgen mit 13 bzw. zehn Prozent auf den Plätzen zwei und drei. Rund 56 Prozent der Deutschen haben der Auswertung zufolge zudem Falschnachrichten über Baerbock gehört oder gelesen.
Nicht jedes Gerücht weiterverbreiten
Avaaz warnt vor einer ähnlichen Entwicklung wie in den USA, wo Desinformation im öffentlichen Diskurs noch eine deutliche größere Rolle spielt als bei uns. Wichtig scheint: Nicht über jedes Gerücht muss gleich in den seriösen Medien berichtet werden. Denn erst dadurch wird die meist in den Plattformen gezielt platzierte Kampagne für eine breitere Öffentlichkeit sichtbar.
Mein Gespräch mit Guido Bülow von Facebook über den Kampf gegen Falschinformationen
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Zumindest Beispiele wären schön gewesen – oder am Besten eine umfassende Liste aller aufgedeckten Desinformationen mit den zugehörigen Fakten. So weiß man ja immer noch nicht, was wahr und was erfunden ist. Nicht mal, ob die publizierten Zahlen stimmen.
Auf der Übersichtsseite von Avaaz gibt es eine Reihe konkreter Beispiele, auch solche, die nicht geblockt wurden.
Dass die Zitteranfälle der Noch-Kanzlerin [Spoiler: die nur eine allgemeine Kreislaufschwäche, aufgrund Überarbeitung, diverser Jet-Lags und Schlafmangel waren] im Hochsommer 2019 auf den Klimawandel zurückzuführen waren, hat die Anwärterin (“B[e]reit, weil Ihr es seid!”), neben anderen Geistesblitzen, höchst selbst als Desinformation verbreitet . Auch gut: der SPD-Mann (“Scholz packt das an”) mit den vorgeimpften “Versuchskaninchen”, wie auch der Frohsinn verbreitende CDU-Kandidat (“Deutschland gemeinsam [l/]machen”) während der Flutopferrede des Bundespräsidenten. Aber das ist immerhin die Elite, die Deutschland zur Übernahme künftiger Regierungsverantwortung aus einem, nicht gerade kleinen, Politpersonal-Pool vorzuweisen hat. Dieses unantastbare Faktum im Hinterkopf habend, sollte den Wahlbürger endlich zur Dankbarkeit anspornen, in demütiger Ehrfurcht sein Kreuzchen machen und den listigen, von selbstlosen Faktencheckern entlarvten, Falschinfoverbreitern die kalte Schulter zeigen lassen.