Datenschutz geht uns alle an. Deshalb ist es gut, dass es den “Big Brother Award” gibt. Einmal im Jahr zeichnet die Jury Unternehmen, Konzepte oder Personen mit dem (wenig begehrten) Anti-Preis aus – weil Datenschutz missachtet oder sogar bekämpft wurde. Meist legt der Preis den Finger in offene Wunden – und regt so zum öffentlichen Diskurs an. Und das ist nicht nur gut so, sondern sehr wertvoll.
Google dominiert den Werbemarkt – durch Daten
Dieses Jahr zum Beispiel gab es durchaus einige Überraschungen. Gut, mit Google gibt es einen Preisträger, der nun niemanden wirklich überrascht. Aber die Argumentation ist interessant: Es geht nicht um konkrete Verstöße gegen den Datenschutz, sondern mehr darum, dass Google ein gutes Beispiel dafür ist, wie mächtig – und auch übermächtig – ein Unternehmen werden kann, wenn es über absurde Datenmengen verfügt.
Genau das ist bei Google zweifellos der Fall. Die Folge: Google teilt sich weltweit nahezu den kompletten Werbemarkt mit Facebook. Alle anderen Wettbewerber sind unter “Ferner liefen”. Verlage haben kaum eigene Einkünfte im Netz – und sind von Google abhängig. Der diesjährige Preis ist daher eher ein Fanal als ein konkreter Fall – und soll zum Nachdenken anregen.
Daten aus dem Auto: On Board Consumption Meter
Interessant auch der Preis, der an die EU-Kommission geht – in der Kategorie “Verkehr”. Denn seit Anfang des Jahres sind alle Autohersteller in Europa verpflichtet, Neuwagen mit einem System auszurüsten, das Daten über den Verbrauch (Strom, Benzin) an Behörden und Hersteller meldet – Fahrgestellnummer inklusive. “On Board Consumption Meter”, wird das genannt. Ab April 2022 sollen die Daten fließen.
Die Jury des Big Brother Award findet das sehr bedenklich. Denn die Autohersteller haben ein großes Interesse an den Daten ihrer Kundschaft – und werden nun zum Datensammeln verpflichtet. Gut möglich, dass später auch Bewegungs- und andere Daten dazu kommen. Das gilt es zu verhindern, meint die Jury – und deshalb der Preis.
Doctolib: Patientendaten nicht sicher
Gesundheitsdaten sind besonders sensibel – und bedürfen daher auch besonderer Sorgfalt. Die lässt der französische Anbieter Doctolib vermissen, meint die Jury des Big Brother Award. Unter der gleichnamigen Plattform können Menschen online Termine bei Ärzten machen. Laut Big Brother Award Jury geht das Unternehmen aber nicht sorgsam mit den Daten um, sondern verarbeitet – „unter Missachtung der Vertraulichkeitsverpflichtung“ – die sensiblen Patientendaten, heißt es in der Begründung.
Der Vorwurf: Die Daten werden verarbeitet und offensichtlich zu Marketingzwecken missbraucht. Das ist natürlich genau das, was wir alle nicht wollen. Aber schon das Portal zum Buchen der Termine ist problematisch, da hier Tracker zu Einsatz kommen – was auf einer Webseite, auf der man Arzttermine bucht, nun wirklich nicht der Fall sein sollte.
Der Preis macht deutlich: Wir sollten genauer hinschauen, wenn es um die Digitalisierung im Gesundheitsbereich geht.
So funktioniert das “On Board Consumption Meter”
2 Kommentare
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Herr Prof. Dr. phil. Dr. h. c. Julian Nida-Rümelin hat auch einen BB-Award (“Falsche Propheten” lol) bekommen. Jener Prof., der auch hier im Blog seinerzeit lobende Worte für seine Datenschutzlockerungsforderungen erhielt (“Corona Warn App: Datenschutz muss diskutiert werden”, Jörg Schieb, 14.12.2020). Allen Unkenrufe trotzend: Die Bundes-CWA scheint sich prächtig zu entwickeln und sogar den strengen Datenschutzregeln zu genügen, während die auch hier beworbene 20Mio-Smudo-App, von zig Expertengremien zerrissen wurde. Macht aber alles nix – irren ist menschlich. ;)
Unfehlbar, sind und bleiben schließlich nur der Papst, der Fußballyogi und die Kanzlerin … aber nur die noch amtierende. ;)
Das ist korrekt, auch Prof. Nida-Rümelin ist “preiswürdig” im Sinne des BBA. :) Leider haben wir hier in Digitalistan immer nur beschränkt Platz. Ich halte es nach wie vor für legitim, die Frage zu stellen, ob weniger strenger Datenschutz bei bestimmten Projekten nicht sinnvoll sein kann — so etwas nennt man Debatte. Und offenen Diskurs.