Nur 5,1 Prozent der Frauen zwischen 30 und 50 haben ein eigenes Nettoeinkommen von über 2.500 Euro. 5,1 Prozent. Von den verheirateten Frauen verdienen sogar nur 3,4 Prozent mehr als 2.500 Euro netto. Und wir reden dabei über Deutschland. Gelesen habe ich das zuletzt in diesem datenjournalistischen Beitrag zum Thema „Arm trotz Arbeit“. Immer wenn es um dieses frappierende geschlechtsbezogene Gehaltsgefälle geht, werden die gleichen Erklärungsversuche gestartet: ein Steuersystem, das per Ehegattensplitting Einverdienerhaushalte klar bevorzugt. Die Berufswahl von Frauen, ihre überproportionale Verbreitung in den zum Teil knochenharten Jobs, bei denen aber nicht viel Geld zu holen ist. Und manche schreien dann auch gleich: “Wenn sie nur wollten, die Frauen, dann könnten sie doch genauso Karriere machen.”
Teilweise mehr als 1.000 Euro Differenz
So, und was soll all das in einem Tech-Blog? Eher zufällig habe ich im Gehaltsatlas der Bundesagentur für Arbeit gestöbert. Dort sind längst “neuere Jobs” berücksichtigt. Und da war er wieder, dieser Schreck. Unterteilt wird nach Berufsgattungen, von denen ich zwei genauer studiert habe. Die erste ist die der “Redakteure/Redakteurinnen & Journalisten/Journalistinnen – komplexe Spezialistentätigkeiten”. Dem zugeordnet werden zum Beispiel Jobs wie Onlineredakteur/in, Contentmanager/in sowie Communitymanager/in. Und hier kommen die Zahlen, jeweils bezogen auf die Altersgruppe 25 bis unter 55 und Vollzeitbeschäftigte:
Mittleres Entgelt (Median) in Deutschland 3.656 Euro – Frauen
Mittleres Entgelt (Median) in Deutschland 4.428 Euro – Männer
Verglichen habe ich diese Ergebnisse im selben Tool mit der Gattung “Berufe in Werbung & Marketing – komplexe Spezialistentätigkeiten”. Dazu werden zum Beispiel Social-Media-Manager/in oder Online-Marketing-Manager gezählt, hier die Ergebnisse ebenfalls für die Altersgruppe 25 bis unter 55:
Mittleres Entgelt (Median) in Deutschland 4.023 Euro – Frauen
Mittleres Entgelt (Median) in Deutschland 5.313 Euro – Männer
Altes Gehaltsgefüge reloaded
Diese Zahlen kann man nun wie immer unterschiedlich interpretieren. Klar ist, dass bestehende, ungerechte Gehaltsgefüge nun auch auf verhältnismäßig neue Tätigkeiten wie die von Social-Media-/ oder Community-Manager/in übertragen wurden. Bei vielen Unternehmen, ob nun in der freien Wirtschaft, in Medienhäusern oder im Kulturbetrieb, wurden die Stellen etwa für Social-Media-Manager/in irgendwann in den letzten zehn Jahren neu geschaffen. Weil man auch mitmischen wollte, in diesem Face-Dings. Hat man es den Männern dann einfach eher zugetraut? Weil es am Ende ja primär um Technik geht?
“Ach, da, diese Userkommentare, lass’ da mal lieber einen Mann ran. Der regelt das schon.” Oder: “Accounts einrichten, Online-Marketing planen, Twitter erklären, das wird gleich viel wertiger, wenn das ein Mann in die Hand nimmt.” Es muss doch Köpfe geben, in denen solche Machismo-Algorithmen aktiv sind, oder?
Neu, shiny, internetzig – dass dahinterstehende Unternehmen oft nicht viel mit Feminismus am Hut haben, beweist, so sad, das Silicon Valley selbst. Die amerikanische Journalistin Emily Chang hat diese Unkultur als “Brotopia” beschrieben. Und wie die Geschlechterverteilung in den Führungsetagen deutscher Rundfunkanstalten derzeit ist, hat ProQuote erst neulich dargelegt. Ja, da gibt es zumindest Hoffnung, in Teilen. Aber sie existieren auch in deutschen Medienwelten weiterhin, diese Horte der glückseligen Testosteronmonokulturen.
Darüber müssen wir reden, immer wieder. Es gibt noch viel zu tun. Reden müssen wir auch über Geld. Schaut euch diese Gehaltstabellen ruhig an, liebe Frauen auf dem Weg zu einem Beruf mit viel Online und Social Media. Aber guckt gar nicht erst in die Spalten „für Frauen“. Damit die irgendwann Vergangenheit sind, habt ihr neben eurer guten Arbeit noch etwas zu tun – nämlich bei der Gehaltsverhandlung.
4 Kommentare
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Danke für den Beitrag
Highly descriptive blog, I enjoyed that bit. Will there be a part 2?|
Hallo,
das Geld ist das eine, überhaupt einen Teilzeitjob als Mutter zu bekommen das andere…
In den Anzeigen steht aus Gründen der Diskriminierung bei Vollzeitstellen meist nichts dazu, man wird aber bereits bei der Vorselektion „herausgenommen“ (so wörtlich von einer HR-lerin im ersten Kontaktgespräch).
Es handelte sich dabei nicht um eine Führungsposition, wo ich sehr leicht nachvollziehen kann, dass Teilzeit ein Problem werden könnte. Auf Führungspositionen bewerbe ich mich mit Kindern im Alter von 3 und 6, trotz Führungserfahrung, schon gar nicht mehr, weil der Frust dann noch größer wird.
Nein, es handelte sich um eine normale Stelle im Team. Wenn nicht hier, wo sollen sich dann Mütter mit 20-30 Wochenstunden bewerben?
Das ist mal echt frustrierend, wenn es nicht an den benötigten Qualifikationen gelegen hat.
Und ja, Frau kann klagen, aber damit wird der Einstellung nicht gerade auf die Sprünge geholfen…
Viele Grüße
Diana
Was viele – auch: Frauen – immer noch nicht zu wissen scheinen:
Seit 2006 (!) gibt es das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das u.a. ungleiche Bezahlung von Frauen und Männern für gleiche oder vergleichbare Arbeit nicht nur verbietet, sondern auch sanktioniert:
Arbeitgebende, die gegen das Verbot verstoßen, müssen nicht nur die Differenz für die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ausgleichen, sondern verwirken auch noch ein Schmerzensgeld für die erlittene Diskriminierung in empfindlicher Höhe.
Für alle Betroffenen sieht das Gesetz auch Beweiserleichterungen vor:
Die lohndiskriminierte Frau muß die Diskriminierung also nicht BEWEISEN, sondern es reicht, wenn sie Vermutungstatsachen beweist, welche die Diskriminierung als wahrscheinlich erscheinen lassen – z.B. Statistiken.
Und die einschlägigen EU-Antidiskriminierungsrichlinien bestimmen zum Schmerzensgeld, daß alle Mitgliedsstaaten verpflichtet sind, “wirksame, abschreckende und verhältnismäßige Sanktionen” gegen die die (Lohn-)Diskriminierer und Diskriminiererinnen zu verhängen.
Man kann alle betroffenen Frauen nur ermutigen, ihre Ansprüche nach dem AGG geltend zu machen und sich bei einschlägigen Stellen beraten zu lassen, etwa bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes oder bei ihrer Gewerkschaft, bei der sie als abhängig Beschäftigte selbstverständlich Mitglied sind!