Komplettüberwachung durch Konzerne: Wo Amnesty International Recht hat

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Komplettüberwachung durch Konzerne: Wo Amnesty International Recht hat

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Amnesty International kümmert sich um Menschenrechte. Jetzt sieht die Organisation gleich die Menschenrechte von uns allen gefährdet. Konkret: Konzerne wie Facebook oder Google würden unser Recht auf Privatsphäre und informationelle Selbstbestimmung untergraben. Ununterbrochen und immer stärker. So heißt es jedenfalls in einem jetzt veröffentlichten Bericht, der ohne jeden Zweifel Wellen schlagen wird. Denn wer wollte ernsthaft bestreiten, dass Amnesty International Recht mit seiner Einschätzung hat?

Amnesty International erhebt schwere Vorwürfe; Rechte: WDR/Schieb

Amnesty International erhebt schwere Vorwürfe

Uneingeschränkte Überwachung und Datenausbeutung

Uneingeschränkte Überwachung und Datenausbeutung – so lauten die Anklagepunkte. Beides trifft zu. Die Datenausbeutung ist nicht etwa ein Kollateralschaden, sondern Geschäftskonzept. Wir wissen das – und die meisten von uns unternehmen trotzdem nichts dagegen. Denn der Trick ist ja: Es werden kostenlos Dienste zur Verfügung gestellt, die schnell derart unentbehrlich werden, dass sich die meisten nicht entziehen können oder wollen.

Weiter sagt Amnesty International: Die Bundesregierung und die EU müssten rechtsstaatliche Rahmenbedingungen schaffen, um die Grund- und Menschenrechte kommender Generationen in einer digitalen Welt zu wahren. Auch das ist richtig. Eigentlich wäre es sogar Aufgabe der Vereinten Nationen (UN), diverse digitale Rechte zu Grundrechten zu erklären. Ein Recht auf Netzzugang, ein Recht auf Privatsphäre, ein Recht auf informationelle Selbstbestimmung, ein Recht auf Auskunft.

Der Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland, Beeko, erklärte: Alle sollten am modernen digitalen Leben teilnehmen können, ohne die umfassende Überwachung und individualisierte Auswertung ihrer persönlichsten Daten erlauben zu müssen. Die Konzerne hätten jedoch ein privates Überwachungsregime geschaffen, das sich der unabhängigen öffentlichen Kontrolle weitgehend entziehe.

https://vimeo.com/263408641

Nicht enden wollender Datenstrom: Digitale Assistenten versorgen die Konzerne

Einzig mögliche Konsequenz: Die Politik muss endlich handeln

Gut, wir haben die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Aber die ist im Grunde nur ein Pflaster. Keine ernsthafte Therapie. Will man dem Problem angemessen beikommen, braucht es in der Tat ein beherztes Handeln. Denn wieso akzeptieren wir es, dass Onlinekonzerne mehr über uns wissen, als die Stasi je wusste? Wieso akzeptieren wir es, dass die Konzerne sich nicht erklären, was sie mit den Daten machen? Wie ihre KI funktioniert?

Es ist in der Tat die Zeit für einen großen Wurf. Wir sollten allerdings die “Sünder” auch differenziert betrachten. Google zum Beispiel ist meiner Ansicht nach deutlich achtsamer und auch einsichtiger als ein Facebook mit Instagram und WhatsApp. Aber am Ende müssen sich die Konzerne an unsere Regeln halten. Doch im Augenblick ist es viel zu häufig umgekehrt. Wir akzeptieren die AGBs der Konzerne wie eine Verfassung. Das geht so nicht weiter.

 

Über den Autor

Jörg Schieb ist Internetexperte und Netzkenner der ARD. Im WDR arbeitet er trimedial: für WDR Fernsehen, WDR Hörfunk und WDR.de. In seiner Sendung "Angeklickt" in der Aktuellen Stunde berichtet er seit 20 Jahren jede Woche über Netzthemen – immer mit Leidenschaft und leicht verständlich.

3 Kommentare

  1. Ich will ernsthaft bestreiten, dass Amnesty International Recht mit seiner Einschätzung hat. Als Beleg führe ich die Beobachtung an, dass es gerade autoritäre und an Menschenrechten wenig interessierte Regimes sind, welche den Diensten von Google und Facebook Fesseln anlegen: Iran, Nordkorea, China, Russland. Hätte Amnesty International recht, müsste jedoch solche Regimes das größte Interesse an Google und Facebook zeigen.

    Etwas tiefer vergraben als diese offensichtliche Ungereimtheit steckt in der Behauptung von Amnesty International ein fundamentaler Denkfehler, der seit Jahrzehnten in der Cypherpunk-Szene kursiert: die Idee nämlich, dass Überwachung das hervorstechender Merkmal der Unterdrückung sei. Dies ist jedoch nicht der Fall. Autoritäre Regimes verhindern in erster Linie öffentliches und organisiertes Handeln ihrer Gegner, denn das kann für sie zur Gefahr werden. Mit Privatsphären haben sie hingegen selten Probleme; ein Dissident in der inneren Emigration ist ein ungefährlicher Dissident.

  2. “Einzig mögliche Konsequenz: Die Politik muss endlich handeln”.
    Yo! Das Problem besteht allerdings nicht erst seit gestern oder vorgestern und führt zu der Frage: Wo sind sie also, die handlungsfähigen Politiker? ;)
    “Google zum Beispiel ist meiner Ansicht nach deutlich achtsamer und auch einsichtiger…”
    Tatsächlich? Aus Googles akuteller Datenschutzerklärung:
    “Wir erheben [!?] auch die Inhalte, die Sie bei der Nutzung unserer Dienste erstellen, hochladen oder von anderen erhalten. Dazu gehören beispielsweise E-Mails, die Sie verfassen und empfangen, Fotos und Videos, die Sie speichern, Dokumente und Tabellen, die Sie erstellen, und Kommentare, die Sie zu YouTube-Videos schreiben.”.

    • DollyOll am

      @ “Einzig mögliche Konsequenz: Die Politik muss endlich handeln”.

      Hat den die Politik überhaupt ein WIRKLICHES Interesse daran …

      In der (diktatorischen) neo-liberalen Wirtschaftsordnung gibt es keine Schonung für Mensch und Material!

      Erst recht nicht, wenn der Mensch in Zukunft nur noch auf die zu verarbeitenden Nullen und Einsen reduziert wird!

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