Wenn es darum geht, (leider) alltägliche Straftaten in sogenannten “sozialen Netzwerken” strafrechtlich zu ahnden – etwa Stalking, Hass, Hetze, Beleidigungen, Drohungen –, wird es für Polizei und Behörden regelmäßig schwierig, die Täterinnen und Täter zu identifizieren. Das Recht auf Anonymität erschwert Strafverfolgung erheblich.
Im Koalitionsvertrag der Ampel findet sich ein Hinweis, dass die Politik künftig ein neues Instrument einsetzen will. Auf Seite 110 steht folgender, zunächst unscheinbar wirkender Satz: “Mit der Login-Falle wollen wir grundrechtsschonende und freiheitsorientierte Instrumente schaffen, um die Identifizierung der Täterinnen und Täter zu erreichen.”
Attraktive Alternative zu Klarnamenpflicht und Vorratsdatenspeicherung
Die Login-Falle ist neu. Bislang standen immer nur Klarnamenpflicht, Identifizierungspflicht oder Vorratsdatenspeicherung zur Debatte. Doch all diese Werkzeuge bergen enorme Nachteile und Risiken. Wenn sich jeder nur noch mit seinem echten Namen im Netz äußern darf (Klarnamenpflicht), schränkt das die Meinungsfreiheit ein. Da viele Menschen dann Repressalien und Bedrohungen befürchten müssen.
Die Identifizierungspflicht erlaubt weiterhin ein Pseudonym, doch die Betreiber haben persönliche Daten wie Name, Adresse, Telefonnummer. Das ist schon viel besser. Doch wer will insbesondere Facebook noch mehr Daten liefern als unbedingt nötig? Auch sind Datenmissbrauch und Datendiebstahl zu befürchten. Und die Vorratsdatenspeicherung (dauerhafte, anlasslose Speicherung zahlreicher Daten von allen) haben Verfassungsgerichte schon mehrfach gekippt.
So funktioniert die Login-Falle
Was also tun? Der Verein “D64 | Zentrum für digitalen Fortschritt” hat eine interessante und vielversprechende Lösung entwickelt, die “Login Falle”. Sie soll vor allem in Fällen helfen, in denen auf Facebook, Twitter, Instagram und Co. Menschen beleidigt oder gedemütigt, oder wenn Hass und Hetze verbreitet werden. Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) sieht in solchen Fällen vor, dass die Plattformen solche Straftaten aktiv melden. Aber wer sind die Täter?
Hier kommt die Login-Fall ins Spiel. Beispiel: Sylvia wird vom Nutzer „McSchlau“ auf Facebook beleidigt und bedroht:
- Sylvia zeigt den Post direkt auf der Plattform über ein Online-Formular bei der zuständigen Polizeibehörde an. Der beleidigende Post wird der Polizei automatisch mitübermittelt, ohne dass es manueller Screenshots bedarf.
- Geschulte Polizeibeamte prüfen die Anzeige, erkennen einen Anfangsverdacht und lassen bei Facebook die „Login-Falle“ für „McSchkau“ scharf stellen.
- Die Facebook-App auf dem Smartphone von „McSchlau“ ruft entweder im Hintergrund Aktualisierungen ab oder „McSchlau“ öffnet aktiv Facebook in einem Browser, um sich neue Posts anzugucken.
- Die Login-Falle schnappt zu: Kurzfristig (bestenfalls in Echtzeit) wird die IP-Adresse von „McSchlau“, über die die erneute Anmeldung stattfindet, an die zuständige Ermittlungsbehörde übermittelt.
- Die Ermittlungsbehörde leitet die IP-Adresse an den zuständigen Telekommunikationsanbieter weiter und erhält von dort die gespeicherten Stammdaten (Name und Anschrift).
- „McSchlau“ wird erfolgreich identifiziert. Nun kann Anklage erhoben werden
Wunderbar: Ein extrem datensparsames Konzept. Es werden nur in begründeten Fällen Daten erhoben. Nicht Facebook entscheidet, sondern Beamte. Ein einfaches und sicher wirksames Instrument. Denn allein die Tatsache, dass es dieses Instrument gibt, würde wahrscheinlich die Mehrheit der problematischen Inhalte verschwinden lassen.
Wirksam vor allem auf Plattformen
Klar: Das bedeutet Aufwand. Und ebenso klar: Es gibt Lücken. Etwa, wenn sich User über ein VPN einloggen. Und die Login-Falle funktioniert auch nicht überall (etwa auf Telegram). Aber es ist auf jeden Falle in frischer Ansatz, der auch Markus Beckedahl von netzpolitig.org grundsätzlich gefällt.
Mir auch. Allerdings werden wir die genaue Ausgestaltung der Gesetzgebung abwarten müssen.
Markus Beckedahl über die geplante Login-Falle
18 Kommentare
Kommentar Funktionen
Muss Facebook da selbst Daten an die Dt. Polizei/Justiz geben?
FB weigert sichg da zu Recht auch bei Beschluss. Wie im “Einbruchstipp”-Fall.
Twitter gobt auch keine Datren raus.
Ignoriert Polizeiliche Vorladungen, wenn ihr eine erhaltet. Nicht mal einen Rechtsanwalt sollte man da einschalten. Wenn es keine Staatsanwaltliche Vortladung im gelben Umschlag ist, ist die so viel Wert wie die Einladung zu einer Kaffeefahrt…
Was ist die größere Bedrohung für unsere Gesellschaft ? Facebook & Co. oder Polizeibeamte, die sich selbst in rechten oder Prügel-Chatgruppen bewegen und dann u.U. die Rechtmäßigkeit von Posts überprüfen sollen ?
Die Antwort liegt wohl auf der Hand. Ich finde es empörend und nicht richtig, dass Sie hier öffentlich den Eindruck erwecken wollen, Polizeibeamte wären mehrheitlich unveranwortlich, rechts und kriminell.
Nein, nicht mehrheitlich und nicht alle. Aber es gibt sie. Und wem die Demokratie wertvoll und wichtig erscheint, muss überlegen, welche Instrumentarien in welche Hände gelegt werden.
Ein entscheidender Unterschied ist die Gewaltenteilung. z.B. Polizisten sollen nur feststellen können, die Entscheidung über Rechtmäßigkeit liegt dann bei Richtern.
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Ganz anders bei Facebook. Hier liegt alles in einer Hand. So kann ein Facebook-Mitarbeiter direkt einen Befund feststellen und direkt sozusagen ein Urteil verhängen. Die Grundlagen für das Urteil liegen oft im nebulösen und sind sehr intransparent.
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Ferner ist es anzunehmen das es unter Facebook-Mitarbeitern genau so viele Extremisten gibt wie bei der Polizei.
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Nun kommen wir auf den Satz zurück “… überlegen, welche Instrumentarien in welche Hände gelegt werden.”
Er/Sie muss aber auch überlegen, was das bedeutet, wenn nützliche, wirkungsvolle und (natürlich) auf ihre Nebenwirkungen gesetzlich und juristisch zu prüfende Instrumente nicht angewendet werden? Wollen Sie etwa den jetzigen Zustand beibehalten?
Der Anteil an Extremisten in der Polizei entspricht etwa dem in der Gesamtbevölkerung. Im Übrigen wären Extremisten anderer Couleur bei der Polizei keineswegs besser.
Ich glaube das mit den rechtsextremen Polizisten kommt auch davon, dass die häufig bei Straftaten von Ausländern gerufen werden. Zu den ganzen anderen Ausländern die sich gesetzeskonform verhalten haben die gar keinen Kontakt und so kommt schnell die Beurteilung: Ausländer = Krimineller. Hier wären vielleicht mal Schulungen mit konkreten Beispielen gesetzeskonformer Ausländer nötig, um solchen Denkweisen vorzubeugen.
Und wenn man in Einrichtungen und Städten für sozial schwache “freie WLANs” nutzt, bleibt man auch anonym. Und die persönlichen Daten die beim Anbieter hinterlegt sind können ja frei erfunden sein.
Mit dem WLAN, das ist ein guter Punkt!
Guter Ansatz, aber es fehlt an qualifizierten Fachkräften. Da sich unser Leben immer mehr online abspielt, benötigen wir im Grunde auch eine online Polizei. Das heißt eine digitale Polizei, hier müssen wer in die Zukunft investieren und viele junge Menschen ausbilden gegen Kindesmissbrauch im Netz , Hass-Botschaften, genauso wie gegen alle möglichen cyberattacken…
Zu Straftaten gehören Stalking § 238 StGB, Beleidigungen § 185 StGB und Bedrohung § 241 StGB. Hass und Hetze ist kein Straftatbestand mit Ausnahme der Volksverhetzung nach § 130 StGB und das in dieser Form auch nur in Deutschland und Österreich. Öffentlich rechtliche Medien dürfen also zum Beispiel rund um die Uhr ungestraft Stimmung gegen Ungeimpfte machen; das mit dem Auftrag der Meinungsvielfalt ist eine andere Geschichte und ob die weitere Spaltung der Gesellschaft wirklich die Welt verbessert steht auch auf einem anderen Blatt (der Seitenhieb musste sein).
Aber wo ist das mit dem „Recht auf Anonymität“ aus dem letzten Beitrag geblieben? Wieso entscheidet ein Beamter der Polizei und nicht nicht ein Richter ob die Anonymität „begründet“ aufgehoben werden soll? Auch eine Hausdurchsuchung geht nur mit richterlichen Beschluss nach Grundgesetz Art 13; wie viel Zeit und Lust ein Richter hat Anträge abzulehnen ist eine andere Geschichte aber formal wurde die Gewaltenteilung eingehalten.
Nicht nur bei VPN dürfte die „Falle“ versagen, auch das Tor-Netzwerk ist nicht leicht zu knacken.
In einer freiheitlich demokratische Grundordnung ist Strafverfolgung nun mal erheblich schwerer als in einer Diktatur. Da wird kräftig an den Grundrechten gerüttelt aber nur wenn es eine Richtung geht denn ist man nicht ganz auf der Linie Willkommenskultur darf man den Leuten pauschal (fast) alles nachsagen während in der anderen Richtung sofort der Ruf nach Law und Order laut wird lange bevor Law zieht.
“In einer freiheitlich demokratische Grundordnung ist Strafverfolgung nun mal erheblich schwerer als in einer Diktatur.”
“Die Führung ist da!”, wurde aber doch erst gestern euphorisch verkündet. Jippieh, Hurra!? Schau’n mer mal, ob Corona der “Führung” überhaupt eine volle Legislaturperiode zugestehen wird.
Wenn ich es richtig verstehe dann geht es hier nur um die Feststellung der Identität, nach begründetem Anfangsverdacht.
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Das ist eine ganz andere (niedrigere) Hausnummer, als die so gern propagierte Hintertür über welche Behörden sämtliche Kommunikation mitlauschen wollen oder ohne richterlichen Beschluss installierte Trojaner.
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Wenn jemand auf der Straße randaliert kann und sollte die Polizeit auch die Identität der Person feststellen. Ob das ganze dann eine Straftat oder was auch immer ist, stellt dann hinterher ein Richter fest
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Sprich in diesem Fall wird an keinen Grundfesten gerüttelt. Im Gegenteil es wird dafür gesorgt das die existierenden Grundfesten auch im Internet bestand haben.
Was heiß und Hetze und den Aspekt Strafbarkeit anbelangt, haben Sie natürlich völlig recht. Doch im Netz wird auch viel verleumdet, beleidigt, gedroht, und vieles mehr, was Straftatbestand darstellt.
Gerade Beleidigung könnte man halt auch einfach aus dem Strafkatalog streichen.
Vorallem da hier praktisch immer mit zweierlei Maß gemessen wird und für Bürger erster Klasse gerne mal die Verhältnismäßigkeit aus dem Fenster geworfen wird, siehe Fall Grote
Die Login-Falle ist etwas interessantes, aber ziemlich wirkungslos solange es VPNs gibt. Ich habe gestern meins (Sitz in Rumänien) zum CyberMonday verlängert. Das Problem der Login-Falle dürfte sich bei Nutzern schnell rumsprechen. Das zweite Problem dürfte sein, daß sich vieles unter Umständen zusätzlich auf Messenger verlagert. Ich habe Facebook schon seit Monaten nicht mehr geöffnet. Aber die Idee ist gut.
Machen. Immer machen. Verbessern oder gegen Alternativen austauschen kann man diese Verfahren immer noch. Aber es nimmt erst einmal Druck raus. Jetzt müssen natürlich nur bei den Behörden entsprechende Kapazitäten aufgebaut werden.