Die Diskussion um den aktuellen Gesetzentwurf des Bundesjustizministeriums sorgt für eine Menge Diskussionen: Mit neuen Regeln will die Ministerin die zunehmende Hasskriminalität im Netz bekämpfen.
Soziale Netzwerke sollen aktiv Postings mit Rechtsverstößen an das BKA melden. Außerdem sieht der Gesetzentwurf vor, dass in diesen und vielen anderen Fällen Polizei und andere Behörden schneller und mit mehr Daten versorgt werden sollen. Wir haben in Digitalistan hier schon über die Pläne berichtet.
Die Netz-Community ist in heller Aufruhr. Verständlich, denn wenn den Behörden künftig selbst Passwörter ausgeliefert werden, scheint – gefühlt! – nichts mehr sicher. Denn Passwörter sind der Generalschlüssel zu Onlinediensten, Mail-Konten, Messengern.
Kein Wunder, dass viele fürchten, ihre Privatsphäre sei nichts mehr wert – oder zumindest erheblich bedroht. Renate Künast hat sogar verfassungsrechtliche Bedenken. Andere sprechen von einem “großen Lauschangriff”. Das wiederum erscheint mir übertrieben.
Kein großer Lauschangriff – aber heikel
Denn ein Lauschangriff, zumal ein großer, würde bedeuten, dass massenweise spioniert wird. Das ist jedoch kaum möglich. Denn zum einen ist für die Herausgabe solch sensibler Daten eine richterliche Anordnung erforderlich – und die gibt es nicht massenweise. Zum anderen gibt es Passwörter in der Regel nur verschlüsselt, und die müssten dann erst mal aufwändig geknackt werden. Das ist schon im Einzelfall aufwändig – und taugt ganz gewiss nicht für massenhafte Überwachung.
Ich wollte mal wissen, wie die Polizei das sieht. Sebastian Fiedler vom Bund Deutscher Kriminalbeamter sagt: “Wir wollen nicht viele Daten. Die können wir gar nicht verarbeiten. Wir brauchen ganz gezielt Daten, um bei der Fahndung in Einzelfällen weiterzukommen.” Fiedler erklärt mir anschaulich und glaubwürdig, dass die Polizei auf Daten angewiesen ist – aber zur Bekämpfung weniger Einzelfälle, nicht für die Masse. Das komplette Interview findet Ihr hier im Blog.
Bund Deutscher Kriminalbeamter erklärt im Interview Notwendigkeiten der Fahndung
Polizei erklärt die Notwendigkeiten
Angesichts der Personalsituation bei der Polizei glaube ich das sofort. Das Misstrauen bei Netzaktivisten und vielen anderen richtet sich daher wohl eher gegen die Politik. Die hat ein Glaubwürdigkeitsproblem, nicht die Polizei.
Verständlich, denn wer derart sensible Eingriffe geplant, der muss genau erklären, was er will, wie das gehen soll und dass man – als Politik – verstanden hat, dass es heikel sein könnte. Und wie man vermeiden möchte, dass die IT-Sicherheit unbescholtener Bürger gefährdet ist.
Nicht umsonst haben hohe Gerichte immer wieder die Vorratsdatenspeicherung einkassiert. Weil es eben wichtig ist, eine gesunde Balance zu finden zwischen Rechten der Bürger und Notwendigkeiten der Behörden. Wer Polizei und andere Behörden mit den dringend nötigen Daten und Informationen versorgen will, kann das also nicht im Hauruck-Stil machen, sondern muss mit Augenmaß vorgehen – und erklären!
Das passiert leider viel zu selten.
8 Kommentare
Kommentar Funktionen
Basic police work is about more than patrolling the streets, writing citations and making arrests. Police officers use algebra skills in traffic accident investigations. … For police officers, detectives and crime scene investigators, algebra is a helpful tool in crime scene reconstruction.
Was es auf jeden Fall bräuchte ist Transparenz. Lückenlose sehr einfach jederzeit abrufbare Information wer, was, warum über mich an Daten abgefragt hat.
–
Und wichtig: Erst wird Transparenz geschaffen. Wenn dafür die Infrastruktur steht, dann kann man über anderes nachdenken. Leider denkt die Politik immer genau anders herum. Erst Behörden alle Rechte verschaffen, dem Bürger zu gute kommende Pflichten werden versprochen aber ob das Versprechen eingehalten wird ?
Also, auch wenn ich dem Gedanken folgen kann… Ich denke nicht, dass es eine gute ist, einen IS-Anhänger darüber zu informieren, dass die Polizei gerade Daten abgerufen hat, um ihn oder sie zu observieren.
Ich habe mich gerade noch mal eingelesen: Es ist sogar vorgesehen, spätestens 14 Tage nach Übermittlung der Daten den/die Betroffene/n zu informieren.
Interessant, Danke
Wo fängt Hass an?
Ist es schon Hass, die Umsetzung bestehender Asylgesetze als unzureichend zu empfinden, die ökonomischen Gründe der aufgebauten Klimapanik zu betrachten, vereinigte Staaten von Europa als Fehler und unabhängige EU-Staaten als richtig anzusehen, zwischen zwei Geschlechtern zu unterscheiden und Frau Merkel nach vielen Dienstjahren den baldigen Ruhestand zu wünschen? Für mich sind das politische Ansichten.
Seltsamerweise bleibt das Video eines Rappers auf YouTube online, in dem eindeutig nachgestellte Oppositionspolitiker auf grausamste Weise, ja man muss sagen, abgeschlachtet werden. Das ist für mich Hass, den ich aus linker, rechter und religiöser Richtung verurteile.
Mir wird verdeutlicht, dass selbst denkende Bürger nicht mehr gewünscht sind und man sie einschüchtern möchte. Ich kann sehr gut nachvollziehen, dass gerade Menschen in Mittel- und Ostdeutschland Parallelen mit vergangenen Zeiten erkennen. Deshalb bin ich froh, dass das Innere der Wahlkabinen nicht mit Kameras überwacht wird – noch nicht.
Was ist Hass und wo fängt die Kriminalität an , wer soll und will es entscheiden können ? Oder soll das Volk aufhören, selber zu Denken und Entscheiden zu können ? Das ist doch bei verschiedenen Medien , wenn bei Berichten keine Kommentarfunktion geschaltet wird oder gleich geschlossen , “um die Kommentare besser zu bündeln“ , öfters beim WDR . Das kommt mir vor wie vor 8 Jahrzehnten mit “Schriftleiter“ zwecks Gleichschaltung der Medien mit der Politik .
“… Kein Wunder, dass viele fürchten, ihre Privatsphäre sei nichts mehr wert …”.
Dass sie tatsächlich nichts mehr wert ist, wissen wir doch schon spätestens seit Snowdens Veröffentlichungen. Ziel ist, scheibchenweise/in bewährter”Salamitaktik”, den totalen Überwachungsstaat zu etablieren; selbstredend auf “demokratischer” Grundlage, wie in den USA. Nicht mehr und nicht weniger. Die protokollierten und nachlesbaren Vorhaben bzw. Ergebnisse jüngster, innerdeutscher Innenministerkonferenzen lassen gar keine andere Schlussfolgerung zu.