Wie Warn-Apps besser werden können

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Wie Warn-Apps besser werden können

Kommentare zum Artikel: 10

Warnung, Bergung, Rettung und Versorgung: Darauf kommt es in Katastrophen an – und das alles will gut organisiert (und auch geübt) sein.

Um die Bevölkerung zu warnen, setzen Behörden auf einen Mix von Methoden: So wird nicht nur über Radio, Fernsehen und Internet vor Gefahren gewarnt, sondern auch mit Sirenen (aber immer weniger) – oder über Apps. Zwei sind dabei besonders erwähnenswert: Die bundesweit verfügbare und aktive Warn-App Nina vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) sowie die von Fraunhofer Fokus entwickelte Katwarn-App.

Auch Katwarn informiert auf dem Smartphone über Gefahren; Rechte: WDR/Schieb

Auch Katwarn informiert auf dem Smartphone über Gefahren

Zwei Apps im Einsatz: Nina und Katwarn

Nina hat im Unwetter mancherorts ganz gute Dienste erwiesen: Wer in Erftstadt und Umgebung wohnt und die App im Einsatz hat, wurde vergangenen Mittwoch von der Leitstelle gewarnt. “Bleiben Sie möglichst zu Hause”, lautete die Bitte. Einen Tag später wurde über die App erneut gewarnt: “Dammbruch: Extreme Gefahr”. In Ahrweiler gab es solche Warnhinweise in der Nina-App wohl nicht. Dafür aber über die Katwarn-App.

Es kann also besser werden, das Konzept, per App zu warnen. Es sollte keine Rolle spielen, für welche Warn-App man sich entscheidet: Zumindest die wichtigen Warnungen sollten alle erreichen.

Rund 10 Prozent der Deutschen haben Nina oder Katwarn installiert. Nicht schlecht, lässt sich aber zweifellos noch verbessern. Zum Vergleich: Die Corona Warn App haben deutlich mehr Menschen auf ihrem Smartphone.

Schwaches Glied in der Kette: Ohne Mobilfunktürme keine mobile Kommunikation; Rechte: WDR/Schieb

Schwaches Glied in der Kette: Ohne Mobilfunktürme keine mobile Kommunikation

Mobilfunknetze ausfallsicherer machen

Natürlich hat längst nicht jeder ein Smartphone – deshalb kann die Warnung per App nicht die einzige Maßnahme sein. Umgekehrt ist es aber auch kein Grund, auf eine App-Lösung zu verzichten. Denn die Apps haben einen riesigen Vorteil: Jeder User kann selbst entscheiden, welche Gebiete in Deutschland für ihn relevant sind. Also, ob man nur im aktuellen Aufenthaltsbereich oder zum Beispiel auch bei Warnungen in einem bestimmten Gebiet gewarnt werden möchte. Wichtig, wenn man mitbekommen möchte, ob etwa im Wohnort von Freunden oder Familie etwas passiert.

Und es gibt eine weitere Hürde: Fällt der Strom und/oder das Mobilfunknetz aus, funktionieren Warn-Apps nicht mehr – zumindest nicht mehr flächendeckend. Ein funktionstüchtiger Mobilfunk ist heute elementar, auch in der Organisation von Rettung und Hilfen. Denn längst nicht alle verfügen über Funksysteme.

Lassen sich Mobilfunkeinheiten besser absichern – und auch mit Notstromaggregaten ausstatten? Solche Fragen müssen wohl beantwortet werden.

Vorschlag: Nina Opensource und erweitern

Und ich hätte noch eine Bitte: Die Corona Warn App wurde stets weiter entwickelt – orientiert am jeweiligen Bedarf. Es wäre sicher klug, auch die Nina-App neu zu denken. OpenSource wäre gut, damit andere Systeme andocken können. Und damit Experten Erweiterungen entwickeln können. Es ist zwar löblich, dass Facebook einen “Crisis Reponse” Dienst hat, in dem sich Menschen in Krisengebieten als “Ich bin in Sicherheit!” melden können. Aber Hilfen sollten nicht unbedingt über Facebook organisiert werden, sondern besser über nicht-kommerzielle Systeme. Die Nina-App könnte und sollte entsprechend ausgebaut werden.

Das geht nicht von heute auf morgen, ist aber ein wichtiges Projekt.

 

Über den Autor

Jörg Schieb ist Internetexperte und Netzkenner der ARD. Im WDR arbeitet er trimedial: für WDR Fernsehen, WDR Hörfunk und WDR.de. In seiner Sendung "Angeklickt" in der Aktuellen Stunde berichtet er seit 20 Jahren jede Woche über Netzthemen – immer mit Leidenschaft und leicht verständlich.

10 Kommentare

  1. Bernd Barkmin am

    Sehr geehrter Herr Schieb,
    Bettina Steinbecks Kommentar kann ich mich im Wesentlichen anschließen. Viele Handynutzer schalten ihre Telefone vor dem Schlafengehen aus, damit sie nicht durch jeden Benachrichtigungspieps geweckt werden. Insoweit gehen insbesondere zur Nachtzeit die NINA- Und KATWARN-Meldungen aktuell ins Leere. Die Menschen können während des Schlafs keine außergewöhnliche Gerüche, wie zum Beispiel giftige Brandgase, wahrnehmen. Deshalb sind Sirenenwarnungen, egal auf welchem Erdteil, umso wichtiger. Diese könnten je nach Großraum oder sehr gezielt auf kleine Umgebungen mit unterschiedlichen Tonfolgen auf unterschiedliche Szenarien hinweisen. Zum Beispiel: “Lokale Radiostation/sonstige lokale Medien einschalten” oder “Verlassen Sie unverzüglich diesen Quadratkilometer”. Die Sirenen müssten auch ohne eine Netzstromversorgung zumindest über 10 Stunden im Akku-Betrieb funktionieren.

  2. Die Nina-Warn-App habe ich wieder gelöscht, weil sie mir zwar fast täglich Corona-Meldungen aufs Handy schickte, aber nicht in der Lage war, mich vor dem Gewitter zu warnen, das direkt über mir stand. Das konnte ich erst hinter ca. 10 Corona-Warnmeldungen finden, als ich in die App hineingegangen bin. So eine App macht nicht wirklich Sinn, wenn man sich nicht auf sie verlassen kann.

    Ich verstehe nicht, warum eine Warnung per SMS an alle, die sich im Warngebiet befinden, nicht möglich ist.
    Als ich vor ein paar Wochen aus Holland gekommen bin, hatte ich sowohl mein Handy als auch meinen Router ausgeschaltet und die SIM entfernt (weil ich vor Ort eine andere SIM genutzt hatte). Trotzdem bekam ich, als ich zu Hause die SIMs eingelegt und beides wieder eingeschaltet habe, eine SMS, die mich auf die Einhaltung der Coronaregeln hingewiesen hat. Ich frage mich, wie es möglich ist festzustellen, dass ich mich in Holland aufgehalten habe und warum es zwar möglich ist, wegen Corona eine SMS zu schicken, aber nicht, wenn eine Flutwelle auf einen zurollt.

    • Das geht mir auch gegen den Strich bei beiden Apps (NINA und KATWARN), man bekommt eine Push-Benachrichtigung über eine Ereignis, klickt es an und muss sich erstmal durch viele (unwichtige) Meldungen scrollen bis man das eigentliche Ereignis findet bzw. nicht findet (ist schon häufiger vorgekommen). Das kann nicht der Sinn dieser Apps sein! Da muss mal dringend nachgebessert werden. Ich weiß nur leider nicht an wen man sich da zwecks Verbesserungsvorschlag wenden soll. Vielleicht kann hier Herr Schieb mal intervenieren, bzw. Tipps geben?!

  3. Ich habe mehrere Tage zuvor in der App des DWD Unwetterwarnungen gelesen, tags zuvor dann auch mit den klaren Ansagen zu Starkregen um 200 l oder mehr.

    In Bottrop war ich am nördlichen Rand des Unwettergebietes, und mangels Bächen oder Flüssen wären 200 l hier bei weitem nicht so gravierend.
    Wohnte ich am Fluß, hätten mir die Meldungen schon zu denken geben müssen?

  4. dpa berichtete heute:
    “Debatte über Versäumnisse beim Bevölkerungsschutz
    […] Die Kritik am Bevölkerungsschutz und Innenminister Seehofer wird lauter. […] Eine britische Wissenschaftlerin warf den deutschen Behörden «monumentales» System-Versagen bei der Flutkatastrophe vor. […] Aus Sicht der Hydrologin Hannah Cloke von der englischen Universität Reading ist in Deutschland viel schiefgegangen. Klare Hinweise, die im Rahmen des europäischen Frühwarnsystems EFAS bereits vier Tage vor den ersten Überschwemmungen herausgegeben worden seien, seien offenbar nicht bei der Bevölkerung angekommen, sagte sie der Zeitung «Sunday Times». […] Forscherin Cloke war am Aufbau von EFAS (European Flood Awareness System, auf Deutsch: Europäisches Hochwasseraufklärungssystem) beteiligt, das nach den verheerenden Überschwemmungen an Elbe und Donau im Jahr 2002 gegründet wurde. Mithilfe meteorologischer und hydrologischer Daten sowie anhand von Computer-Modellen werden dabei Überschwemmungen und Sturzfluten vorhergesagt. Ziel ist es, Zeit zu gewinnen, um die Bevölkerung besser zu schützen.[…]FDP-Bundestagsfraktionsvize Michael Theurer sieht schwere Versäumnisse. «Die rechtzeitigen Warnungen der Meteorologen sind weder von den Behörden noch vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk hinreichend an die Bürgerinnen und Bürger kommuniziert worden», sagte er der Deutschen Presse-Agentur. «Es bietet sich das Bild eines erheblichen Systemversagens, für das der Bundesinnenminister Seehofer unmittelbar die persönliche Verantwortung trägt.» Die FDP-Fraktion beantragte eine kurzfristige Sondersitzung des Innenausschusses. Seehofer müsse darlegen, was die Bundesregierung wann genau wusste – und was unternommen wurde, um den Katastrophenschutz sicherzustellen..” […].
    Wenn das wirklich stimmt, dass die satte VIER Tage vorher bereits umfangreich gewarnt worden sind und Bescheid gewusst haben, dass ist das mehr als nur ein Systemversagen! Da wäre, unabhängig von TV-/Radio-/Internetwarnungen, sogar noch jede Menge Zeit für seit Urzeiten bewährte, strom- und mobilfunknetzunabhängige, old-school-Maßnahmen gewesen, wie Hauswurfzettel oder Fahrzeuge mit Lautsprecherdurchsagen.

    • Hallo Robert,
      sorry, aber ich kann diese Kritik nicht nach vollziehen ! Der Deutsche Wetterdienst hat bereits Tage vor dem Schadensereignis eindringlich auf diese Situation hingewiesen. Die Grafiken des DWD zeigten dabei auch deutlich das betroffene Gebiet auf (was dann ja auch zur traurigen Wahrheit wurde). TV-Wettersendungen haben dies aufgegriffen und ebenfalls frühzeitig auf die Gefahr von Starkregen hingewiesen – aber ganz offensichtlich hat es keiner zur Kenntnis genommen.
      Das ganze erinnert mich an Orkan Kyrill – da wurde auch TAGELANG auf das bevorstehende Ereignis hingewiesen – und am Tag selbst haben alle sich so benommen, als wäre alles normal.
      Die Warnungen waren damals wie jetzt da – es sollte sich halt jeder fragen, ob wir dies mit einem “jaja, redet mal schön” abtun, oder solche Warnungen einfach mal ernst nehmen und uns darauf vorbereiten (wobei, zugegeben, darauf konnte sich keiner vorbereiten)
      Im Nachhinein den Katastrophenschützern die Schuld für ein Jahrhundert- (wenn nicht gar ein Jahrtausend-) Ereignis zuzuschieben, geziemt sich nicht.
      Oder, wie haben Sie die Meldungen der Tagesschau- oder WDR-Wettermeldungen zwei Tage vorher aufgenommen, bzw. ein eigenes Risikomanagement eingeleitet ? Ich wette, es war (leider) lediglich ein “jaja …”

      P.S.
      Allen Opfern der Flurtkatastrophe meine volle Anteilnahme, bleiben Sie gesund. Ich wünsche Ihnen und Ihren Angehörigen das Allerbeste für die Zukunft !!!!!!!!!

    • Zitat der Tagesschau 20:00 vom 14.07. : ” … kühle Atlantikluft trifft auf schwülheiße Mittelmeerluft, die Folge: sintflutartige Regenfälle im Westen, weiter östlich heftige Gewitter, es bestehen entsprechende Unwetterwarnungen des deutschen Wetterdienstes…” . Versteht das jemand nicht? Also ich fühle mich hinreichend gewarnt, wenn von “Sintflut” die Rede ist. Die Informationen waren da, man muss sie nur in der DWD-App abrufen bzw. mal sein Radio oder Fernsehen einschalten.

  5. Bettina Steinbeck am

    Sehr geehrter Herr Schieb,
    Sie sprechen mir aus der Seele. Fast schon bin ich froh, dass ich nicht mehr in NRW, sondern inzwischen im Sturmflut-Warngebiet in Hamburg lebe. Hier gibt es noch Sirenen und Vorab-Infos zu Verhaltensregeln im Notfall. Denn mein Telefon (inzwischen über Internet-Router), Fernseher, Radio und Handy haben bei Stromausfall keinen Empfang. Einen simplen Radio-Empfänger, der sowohl mit Strom als auch mit stets bereit liegenden Batterien betrieben werden kann, besitzt wohl kaum noch einer. Und der Blick gen Himmel, das Fühlen der Feuchtigkeit in der Luft und der Blick in die Webseiten zur Unwetterwarnung ist vielen Menschen nicht vertraut und eher anderweitigem Gedaddel auf dem Smart-Phone gewichen. Welches dann – wie bei jüngeren Kollegen oft zu beobachten – im Falle eines Alarms durch die Warn-App gerade out of Energy ist. Ein Mix aus neuen und erprobten alten Methoden, ergänzt durch mehrsprachige Informationen und vorbereitende Schulung vom Kindesalter an, bei Neubürgern gern im Einbürgerungstest statt der Frage, wer der erste Bundeskanzler war …. Vieles davon könnte im Katastrophenfall nützlich sein.
    Last but not least: Bewusstsein. Was ist mir das Wichtigste, wie kann ich es so lagern, handhaben, dass es schnell griffbereit ist, wie ist die geologische Beschaffenheit meines Umfelds und damit das Risiko, und was passiert eigentlich mit all den gelagerten fischgiftigen Waschpulvern, Chemikalien, Herbiziden, Benzin, Öl etc., das jetzt mit der Flut über das Gelände verteilt wird. … Womit wir auch beim Thema vorausschauender Umweltschutz sind.
    Fazit: Moderne Apps als Vor-Information für die, die sich richtig interpretieren können (Wetterstationen, Katastrophenschutz etc.) sind sicher hilfreich. Im Akutfall würde ich für den aufgeschreckten Bürger eher auf eine eindeutige und allgemein verständliche Information (altertümliche Methoden) setzen.

    • hydrarose am

      Ich kann mich da nur anschließen. Wie wäre es, wenn z.B. bundesweit “Übungstage” an Kindergärten, Schulen und Universitäten eingeführt werden, die auf solche Fälle vorbereiten. Oder sogar zur Pflicht, wie der Erste Hilfe Kurs beim Führerschein, würde. Auf dem Land ist man, zumindest in einigen Gegenden, manchmal noch mit dem guten alten Pferd schneller, als das Internet, wie der WDR ja festgestellt hat ?

      • Dietmar Münker am

        Der Gedanke einer Warn-App ist grundsätzlich gut. Wenn man aber wie ich ständig wegen Ereignissen die zig Kilometer weit entfernt begrenzt stattfinden mitten in der Nacht von NINA mit Fehlalarmen geweckt wird, deinstalliert man dieses Programm. Nebenbei hat NINA auch beim Großversuch bei uns versagt, als man bundesweit ein Katastrophen-Szenario durchgespielt hat. Und durch schlechte Apps verlorenes Vertrauen wieder zu gewinnen, ist schwer.

        Insofern ist der Wunsch nach einer systematischen Verbesserung durch Open Source und damit die Miteinbeziehung vielleicht etwas schlauerer Menschen in die Entwicklung nicht schlecht.

        Dann sollte man aber die Warnungen auf ECHTE Katastrophen beschränken und beispielsweise nicht wie NINA um 3 Uhr Großalarm ausrufen wegen “Nebel”.

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