Leistungsschutzrecht: Google kann auch ohne Zeitung

https://blog.wdr.de/digitalistan/leistungsschutzrecht-laut-studie-verdient-google-nicht-an-journalistischen-inhalten/

Leistungsschutzrecht: Google kann auch ohne Zeitung

Kommentare zum Artikel: 4

Die äußerst umstrittene EU-Urheberrechtsreform hat uns nicht nur das Risiko für die Einführung von Upload-Filtern gebracht, sondern auch das Leistungsschutzrecht (LSR) für ganz Europa – obwohl ähnliche Vorschriften in Deutschland und Spanien effektlos sind, jedenfalls den Verlagen keinen Umsatz gebracht haben.

Der Wunsch der LSR-Lobby: Suchmaschinen wie Google sollen dafür bezahlen, wenn sie Headlines und Kurz-Teaser (Snippets) in den Suchergebnissen präsentieren. Dieser eher absurde Gedanke wurde vom EU-Parlament bekanntlich vor kurzem auf den Weg gebracht. Das Argument, dass Google mit den Inhalten der Verlage Geld verdiene, gebetsmühlenartig wiederholt.

Google soll für Headlines und Teaser zahlen; Rechte: WDR/Schieb

Google soll für Headlines und Teaser zahlen

Journalistische Inhalte spielen fast keine Rolle

Doch wie relevant sind journalistische Inhalte überhaupt für Google? Wenn die Menschen wahnsinnig häufig nach journalistischen Inhalten suchen, dann profitiert Google natürlich davon, wenn viele Treffer zu Angeboten von Verlagen führen. Weil sie dann die Suchmaschine öfter nutzen und weil sie auf Anzeigen klicken (nicht auf Google News, da gibt es keine Anzeigen).

Doch ob hier überhaupt relevante Umsätze entstehen, ist schwierig zu sagen – denn eigentlich kann nur Google wissen, nach welchen Begriffen gesucht wird, welche angeklickt werden, was die User so beschäftigt und welche Umsätze daraus entstehen.

Eine Ausnahme bildet der auf Suchmaschinenoptimierung spezialisierte Anbieter Sistrix aus Bonn. Sixtrix beobachtet ganz genau, welche Suchbegriffe eingetippt werden, welche Keywords (Schlüsselwörter) zum Einsatz kommen, wie populär Webseiten sind, wie oft Menschen dort landen – und besonders wichtig: Was ein Anzeigenkunde zahlen muss, um bei einem Suchbegriff in der Trefferliste aufzutauchen. Nur damit verdient Google Geld.

Anteil der journalistischen Inhalte an Google-Suche; Rechte: WDR/Schieb

Anteil der journalistischen Inhalte an Google-Suche

Die unabhängigen Experten von Sistrix haben herausgefunden: Journalistische Inhalte sind für Google in der Regel irrelevant. Demnach verweisen 7,89 Prozent aller Suchtreffer auf journalistische Domains, 4,65 Prozent der Suchbegriffe sind journalistisch – aber nur 0,25 Prozent der kommerziellen Suchbegriffe sind journalistisch geprägt.

Google könnte auf Inhalte komplett verzichten

Das bedeutet: Nur bei einer von 400 Suchanfragen geht es um journalistischen Content – wo dann eine bezahlte Anzeige auftauchen könnte.

Würde Google einen Hebel umlegen und alle journalistischen Inhalte aus seinem Such-Index verbergen, würde dem Unternehmen praktisch kein Umsatz verloren gehen. 99,75 Prozent der bezahlten Keywords (also bezahlten Anzeigen) haben nichts mit journalistischen Inhalten zu tun.

Der Wirbel, der um das Leistungsschutzrecht gemacht wurde, und der Ärger, der dadurch entsteht, sind durch rein gar nichts zu rechtfertigen. Jeder Verlag, überhaupt jeder Anbieter im Web ist froh über “Traffic” von den Suchmaschinen. Den gibt es kostenlos. Und Google kann sehr gut ohne diese Angebote leben.

Das Leistungsschutzrecht: völlig überflüssig.

https://vimeo.com/326744808

Jörg Schieb erklärt das EU-Urheberrecht in der “Aktuellen Stunde”

Über den Autor

Jörg Schieb ist Internetexperte und Netzkenner der ARD. Im WDR arbeitet er trimedial: für WDR Fernsehen, WDR Hörfunk und WDR.de. In seiner Sendung "Angeklickt" in der Aktuellen Stunde berichtet er seit 20 Jahren jede Woche über Netzthemen – immer mit Leidenschaft und leicht verständlich.

4 Kommentare

  1. Jörg Schieb am

    Ich denke, wir hier berichten nicht nur über jeden Tweet, sondern gehen etwas tiefer. :) Das würde ich für den WDR generell sagen.

    Die Studie von Sistrix besagt nicht, dass nicht nach journalistischen Inhalten gesucht wird, sondern dass praktisch gar nicht auf die relevanten und damit verknüpften Keywords geboten wird. Das ist etwas völlig anderes.

    Überdies: Nach Nachrichten suchen, das tut man nur dann, wenn man den Inhalt der Nachricht schon kennt. Sonst geht das ja nicht. Das ist dabei zu bedenken.

    • “Nach Nachrichten suchen, das tut man nur dann, wenn man den Inhalt der Nachricht schon kennt.”
      Hmh, wenn ich mich z. B. über die aktuelle politische Lage der Regierung in Vietnam informieren will oder über die Funktionsweise eines Kreiskolbenmotors (weil ich den Namen mal zufällig “aufgeschnappt” habe) oder über evtl. Risiken des Frackings, dann kenne ich zunächst doch nur die Information, mit der ich die Suchmaschine füttere, die mir erst dann bzw. danach die sortierten/selektierten Nachrichten liefert, oder nicht?

  2. Kann man die Bedeutungslosigkeit von Suchen nach journalistischen Inhalten über Suchmaschinen, nicht auch dahin deuten das der Journalismus selbst bei der Masse der Bevölkerung kein gefragtes Gut mehr ist?
    Wenn man jedem Tweet eines Politikers, jedem Blogeintrag eines Verschwörungsportals oder Stammtischparolen auf Facebook direkt glauben schenkt, dann muss man ja einen gut recherchierten journalistischen Artikel nicht mehr lesen.
    Oder anders, ist es möglich der Mehrheit der Bevölkerung den Wert von Journalismus zu vermitteln oder ist dieser Kampf schon unrettbar verloren?

    • Eben, vor allem wenn Journalisten / Presseartikel nur noch hingehen und über jeden Tweet von XYZ berichten. Dann kann ich auch selber schauen was auf Twitter trendet. Finde diese ganzen Artikel wo nochmal indirekt das beschrieben wird, was geschrieben wurde, lächerlich. Dafür am besten noch eine Paywall. Vermisse manchmal meine alte Papierzeitung…

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