Es gibt technische Neuheiten, die wirken – losgelöst von der deprimierenden Wirklichkeit – erst einmal interessant, ja sogar beeindruckend. Die neuen Echo Buds zum Beispiel, die Amazon jetzt auf einer Veranstaltung in Seattle neben vielen anderen Hardware-Neuheiten vorgestellt hat, gehören zweifellos dazu. Echo Buds sind kabellose Ohrhörer, die einen stundenlang unterwegs mit Musik versorgen. Oder mit Hörbüchern.
Alexa kann Echo-Bud-Nutzer ständig überwachen
Die schicken Ohrstöpsel verschwinden fast komplett im Ohr und bieten bewährte “Noise Reduction”-Technologie von Bose. Umgebungsgeräusche werden weitgehend ausgeblendet. Doch es gibt auch Gimmicks: Einmal auf den Stöpsel tippen und halten – schon kann der Echo-Bud-Träger mit dem Digitalen Assistenten in seinem Smartphone sprechen (Siri oder Google Assistant). Klingt alles nach einem schönen Nerd-Geschenk.
Doch die entscheidende Funktion ist die 24/7-Anbindung an Alexa. Diesen Aspekt muss man sich genauer anschauen, um die Tragweite zu erfassen. Auf Wunsch reagieren die Ohrstöpsel auf das vereinbarte Schlüsselwort (“Computer”, “Alexa”, “Echo”, “Amazon”) – und schon hört Alexa zu (und möglicherweise auch die Heerscharen von Abhörmitarbeitern). Kein schöner Gedanke: Wie wir wissen speichert Amazon nicht nur, was wir Alexa fragen und anvertrauen, sondern lässt es mitunter auch von echten Mitarbeitern abhören.
Alexa lotst Käufer durch den Laden
Amazon bekommt dadurch noch mehr Daten als ohnehin schon. Die Lautsprecher stehen zu Hause – jetzt können die Menschen auch unterwegs überwacht werden. Wann sind sie wo – und wie lange? Mit wem treffen sie sich? Was kaufen sie ein? Richtig: Was kaufen sie ein… Denn Amazon – nicht umsonst der größte Warenversender der Welt – baut eine Funktion ein, die das Einkaufen in der sogenannten “echten Welt” vereinfachen soll.
In einem entsprechend präparierten Laden kann der Echo-Bud-Träger fragen: “Wo ist das Nutella?” – und Alexa beantwortet, in welchem Gang die Gläser stehen. Und dass das 1-Kilo-Glas gerade besonders günstig ist. Echo-Bud-Träger werden also zu ferngesteuerten Einkaufsrobotern. Ihre Kaufwünsche werden in Seattle registriert – und ihre Bewegungen gesteuert.
Echo Buds bedeuten: Amazon ist den ganzen Tag bei uns – und kann Daten sammeln
Jeff Bezos Ziel: Kontrolle über alles
Hut ab, Jeff Bezos. An Ideen mangelt es ihm zweifellos nicht, den eigenen Wirkungsbereich aus der Onlinewelt auszuweiten ins Immer und Überall. Das muss man sagen. Da Amazon aber nach meiner Beobachtung das mit Abstand sperrigste Unternehmen in Sachen Transparenz ist – außer Facebook weigert sich kein anderes Unternehmen derart konsequent, die erhobenen und gespeicherten Daten offen zu legen -, besteht reichlich Grund zur Sorge.
Noch mehr Daten in die Hände dieses skrupellosen Unternehmens? Noch mehr Kontrolle über Warenverkauf in aller Welt – möglicherweise sogar in Offline-Ladenlokalen? Auf gar keinen Fall sollten wir das zulassen.
3 Kommentare
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“Auf gar keinen Fall sollten wir das zulassen.”
Danke, Herr Schieb, für diesen erneut so verdienstvollen Artikel, der sich u.a. sehr wohltuend absetzt von denen manch’ anderer Schreiber*innen, die nichts anderes im Sinn zu haben scheinen als alles Digitale in den Himmel zu heben und sämtliche Gefahren zu leugnen oder kleinzuschreiben.
Wie Kommentator*in “Thor” schließe auch mich Ihren Worten vollinhaltlich an, aber auch Thor’s Zweifel, die ich teile, weil ich sowohl als Zug-, Bahn- und Busfahrer als auch als Lehrender an einer Hochschule tagtäglich sehe, wie viele Menschen mit welcher Intensität in ihren Suchtgeräten (vulgo: “Smartphones”) regelrecht verschwinden und, ausgestattet mit alten oder den von Ihnen beschriebenen Ohrstöpseln blind und taub für die wirkliche Wirklichkeit durch die Gegend stolpern und ihr Leben regelrecht verpassen.
Zudem setzen sie sich mit den neuen Komplett-Autismus-Sets jedweder Form von Sucht, Verblödung (sie “lassen denken” – denken sie…), Überwachung und Manipulation aus , verbunden mit der heftigsten Form totaler Regression ins Säuglingsalter (“Ich-muß-immer-alles-überall-sofort-haben!!!”) –
Das Schlimmste: Die sog. Verantwortlichen in Politik, Verwaltung, Medizin unternehmen so gut wie nichts gegen diese grassierende Digital-Sucht-Seuche, die sich zu einer wahren Pandemie auswächst.
Mein Verdacht: Diese “Verantwortlichen” sind bereits selbst infiziert und digitalsuchtkrank, wofür u.a. die Tatsache spricht, daß sie allen Ernstes auch Kinder in allen Schulen der Seuche aussetzen wollen und damit schon begonnen haben, weil die Kinder angeblich nicht früh genug mit dem digitalen Leben umgehen zu lernen beginnen könnten.
Das ist so, als würde man Kindern so früh wie möglich möglichst viel Alkohol zu trinken geben, weil Alkoholkonsum in unserer Gesellschaft üblich ist und man nicht früh genug das Saufen lernen kann, um später auf dem gesellschaftlichen Parkett zu reüssieren…
:-((((
I found the article very interesting, helping me broaden my horizons.
Am Ende ein frommer Wunsch, dem ich mich anschliesse, jedoch nicht an seine Erfüllung glaube. Zu viele Menschen erliegen den Reizen der Vernetzung, SocialMedia und Co. Wenn nicht bald ein Sonnensturm mal ein paar Satelliten ausknipst, wird das so weitergehen und alle Lebensbereiche infiltrieren. … Ich beende das mal hier ;)