Hallo, mich gibt es nicht: KI-Porträts

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Hallo, mich gibt es nicht: KI-Porträts

Kommentare zum Artikel: 9

Wir Menschen sind Gemeinschaftswesen. Wir gucken lieber auf oder in ein Gesicht als nur auf ein Produkt. Deshalb funktioniert Werbung immer dann besonders gut, wenn Menschen darin zu sehen sind – ob im Foto oder Video.

Allerdings: Models sind teuer. Entsprechende Fotos kostspielig. Der Bedarf an Porträtfotos wird aber immer größer. Weil heute wirklich jeder im Internet Werbung machen will (oder muss), um Aufmerksamkeit zu bekommen – und dafür braucht es Köpfe.

Die KI-Gesichter können in Werbung oder Apps verwendet werden; Rechte: WDR/Schieb

Die KI-Gesichter können in Werbung oder Apps verwendet werden

100.ooo Fake-Porträts zum Nulltarif

Das Unternehmen Icons8 hat aus der Not eine Tugend gemacht. Auf dieser Webseite gibt es nun 100.000 Porträtfotos, die jeder lizenzfrei verwenden darf. Das Angebot ist riesig: alle Ethnien, beide Geschlechter, viele Altersgruppen. 100.000 Personen sind in der Datenbank enthalten. Alle Bilder sind gut ausgeleuchtet.

Allerdings: Es gibt keine einzige Person davon in Wirklichkeit. Alle Aufnahmen sind mit Hilfe von KI entstanden – und die aller meisten Ergebnisse sehen verblüffend echt aus. Es gibt nur vereinzelte Aufnahmen, die kleine Fehler aufweisen und den Verdacht aufkeimen lassen, es könnte sich um unechte Fotos handeln.

Schon vor einigen Wochen hat eine Webseite gezeigt, dass es heute mit speziellen KI-Algorithmen möglich ist, Fake-Porträtfotos zu erzeugen. Forscher beim Grafikkartenhersteller nVidia haben einen solchen Algorithmus entwickelt. Nun hat Icons8 diesen Algorithmus verwendet, um die 100.000 Fake-Fotos zu erzeugen. Dazu wurden 29.000 Fotos von 69 echten Models verwendet und durch den Algorithmus gejagt. Vorteil: Stets gleiche Lichtverhältnisse.

https://vimeo.com/362229346

Rund 100.000 verblüffend echt aussehende Porträts – erzeugt im Computer

Ab in die Fake-Zukunft

Jeder kann die Fake-Fotos kostenfrei nutzen. Sie sind sogar in einem Cloud-Laufwerk gespeichert. Einzige Bedingung: Ein Hinweis auf die Projektseite. Später soll es sogar eine API (Programmierschnittstelle) geben. Dann kann jeder – in einer Webseite, einer App, einem Programm – ein bestimmes Porträtfoto “anfordern”. Etwa: Jung, asiatisch, männlich – mit Brille. Schwups, schon poppt ein passendes Gesicht auf. Ganz so weit ist es noch nicht. Aber es wird kommen.

Web und Apps werden also noch künstlicher. Wir werden überflutet mit Fake-Fotos. Im Zweifel sehen die dort abgebildeten Personen auch nicht unnatürlicher aus als manche Freak-Gesichter auf Instagram und Co., die meinen, mit möglichst viel Make-Up besser oder interessanter auszusehen.

Aber bedenklich ist diese Entwicklung auf alle Fälle. Mit Volldampf in eine Zukunft, in der nichts mehr echt ist.

Über den Autor

Jörg Schieb ist Internetexperte und Netzkenner der ARD. Im WDR arbeitet er trimedial: für WDR Fernsehen, WDR Hörfunk und WDR.de. In seiner Sendung "Angeklickt" in der Aktuellen Stunde berichtet er seit 20 Jahren jede Woche über Netzthemen – immer mit Leidenschaft und leicht verständlich.

9 Kommentare

  1. Leider habe ich damit auch schon selbst Erfahrungen gemacht. Die Bilder sehen wirklich realistisch aus und man erkennt keinen Unterschied zu echten Bildern. Ich finde es in Ordnung, solange es wirklich nur für das verwendet wird, wozu es benötigt wird. Aber nicht, um andere Menschen damit zu schaden.

  2. Also ich stimme da Jörg voll und ganz zu. Die gefakten Fotos sind nicht das Problem, sondern die Personen, die dann lieber falsche Bilder als Profilbilder verwenden als ein wirkliches Bild von sich.
    Da fängt dann das Problem mit dem anonymisierten Internet an.

    • Wow Christina, da hast du es wirklich auf den Punkt getroffen!
      Stimm dir vollkommen zu :)
      Grüße aus dem Schwarzwald,
      Susi

  3. Erstklassiges Tool, u. a. zum Rumtrollen, für Fake-Accounts auf Dating-Portalen, zur Diskreditierung politischer Gegner mit Klarnamen und “Echt”foto sowie für sonstige kreativ-betrügerische Machenschaften. Läuft! ;)

    • Jörg Schieb am

      Keine Frage. Dieses Angebot selbst ist nicht das Problem. Es ist die mögliche Entwicklung, die etwas unheimlich ist — finden Sie nicht?

  4. Gott oh Graus…alles unecht….und man staune, seit Jahrhunderten stellen Maler Bilder von nicht real existierenden Personen her. Wo waren da bloß die Datenwächter und Schwarzmaler?

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