“Sie stehlen die Wahl” – Wir brauchen Regeln für Social Media

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“Sie stehlen die Wahl” – Wir brauchen Regeln für Social Media

Kommentare zum Artikel: 8

Zum Zeitpunkt, als dieser Blogpost geschrieben wurde, stand noch nicht fest, ob Donald Trump oder Joe Biden nächster US-Präsident wird. Es waren noch nicht alle US-Bundesstaaten mit der Auszählung fertig. Was Donald Trump aber nicht davon abgehalten hat, sich vor Kameras und Mikrofone zu stellen und seinen Wahlsieg zu proklamieren.

US-Präsident Trump feiert sich als Sieger – auf Twitter

Das habe ich nicht nur im Fernsehen gesehen, sondern auch im Livestream auf Twitter. 10:24 Minuten lang feierte sich der Präsident selbst – und seine Wähler. Das machen alle Politiker. Die meisten allerdings erst, nachdem das Wahlergebnis feststeht. Nicht so Donald Trump. Und mehr als das: Donald Trump behauptete abermals, sollte er am Ende nicht als Wahlsieger dastehen, könne das nur an Manipulation und Diebstahl liegen.

Der Livestream ist ohne einordnenden Hinweis der Plattform. Auch nachdem er nicht mehr live ist, sondern nur noch ein Video. Einen ähnlich lautenden Text-Tweet von Trump hat Twitter immerhin mit einer Warnung versehen. Nur was bringt es: Wer drauf klickt, kann Trumps Nachricht ans Universum lesen: “They are trying to STEAL the election”. Sie versuchen, die Wahl zu STEHLEN.

Donald Trump twittert: Die Wahl wird gestohlen; Rechte: WDR/Schieb

Donald Trump twittert: “Sie versuchen, die Wahl zu stehlen” – markiert, aber trotzdem zu lesen

“Soziale Medien” erneut Sprengstoff für die Gesellschaft

Na, wenn das kein Sprengstoff ist. Denn “sie” – das können ja nur die anderen sein. Die Bösen. Klar, dass Trump-Anhänger durch solche Tweets aufgeheizt werden. Der sogenannten Lügenpresse glaubt doch sowieso niemand, sollte die im Anschluss daran das tatsächliche Wahlergebnis verkünden. Dann gibt’s halt den Beleg: Die haben die Wahl gestohlen.

Wir müssen nicht darüber diskutieren, dass das Verhalten Donald Trumps alles andere als staatsmännisch, sondern verantwortungslos ist. Mit diesem Verhalten ist er allerdings in den sogenannten “Sozialen Medien” nicht alleine. Denn wenn Donald Trump das kann, warum nicht auch alle anderen?

Eine Kennzeichnung ist weitgehend wirkungslos

Es ist begrüßenswert, dass Twitter problematische Tweets kennzeichnet. Wirklich wirkungsvoll ist das aber nicht. Denn erstens werden Livestreams nicht gekennzeichnet. Und zweitens: Welche Wirkung entfaltet ein Warnhinweis? Trump-Anhänger lachen sie darüber kaputt – und die Hassbotschaften können ihre schädliche Wirkung entfalten.

Donald Trump nutzt Twitter wie eine Art Fernbedienung. Er weiß, welche Knöpfe er drücken muss, um das Programm zu bekommen, das er sehen will. Und weil Twitter und Co. das zulassen, klappt es auch.

Ich denke, es braucht weltweit strenge Regeln für Plattformen – zumindest für die Tage oder Wochen vor einer wichtigen politischen Wahl. Und an diese Regeln müssen sich dann alle halten, insbesondere die politischen Parteien und Akteure. Etwa:

  • Keine persönliche Diffamierung
  • Kein Aufruf zur Gewalt
  • Keine bewusst falschen Unterstellungen oder Behauptungen über den politischen Gegner
  • Kein Aufruf zum Wahlbetrug

Wenn schon der Anstand verloren gegangen ist, muss das die Vernunft regeln.

https://vimeo.com/426245691

Immer häufiger kennzeichnet Twitter Donald Trumps Tweets

Über den Autor

Jörg Schieb ist Internetexperte und Netzkenner der ARD. Im WDR arbeitet er trimedial: für WDR Fernsehen, WDR Hörfunk und WDR.de. In seiner Sendung "Angeklickt" in der Aktuellen Stunde berichtet er seit 20 Jahren jede Woche über Netzthemen – immer mit Leidenschaft und leicht verständlich.

8 Kommentare

  1. Wer bestimmt denn, was persönliche Diffamierung ist?
    Überlässt man Frank Plasberg die Zensur darf man über Politiker schreiben:
    – der gehört in eine geschlossenen Anstalt und Schlüssel wegwerfen
    – der gehört in ein Hochsicherheitsgefängnis
    – in der Partei sind alle Faschisten
    – der ist ein Idiot
    Das und noch mehr ist im Gästebuch zur Sendung letzter Woche finden. Natürlich darf man das in deutschen öffentlich rechtlichen Medien nur über den US-Präsidenten sagen; bei ähnlichen Formulierungen bezogen auf unsere Kanzlerin wäre ich da nicht so optimistisch. Um darauf hinzuweisen habe ich mal provokativ gefragt, ob „Idiot“ grundsätzlich nicht mehr als Beleidigung gilt oder nur bei Trump. Das wurde als Verstoß gegen die „Netiquette“ gesperrt, der Beitrag mit dem Wort Idiot steht noch immer da.
    Ich würde auf keinen Fall Frank Plasberg die Regelkontrolle überlassen. Aber sind mäßig bezahlte Angestellte von Twitter oder Facebook so viel besser, objektiver und unparteiischer?
    Was zählt wann als Fake News? Wenn ein Ronald Pofalla eine Affäre für beendet erklärt hat?
    Im Zweifel für den Angeklagten und die Meinungsfreiheit ist ein so hohes Gut, dass ich das extrem viel zulassen würde. Auch was Frank Plasberg durchgewunken hat hätte ich auch nicht gesperrt aber Maßstäbe müssen dann in alle Richtungen gelten. Dieses Plädoyer für strengere Regeln hier sieht auch nach Lex Trump aus.
    Es gibt in Deutschland genug Regeln zur Meinungs- und Redefreiheit mit genug Konflikten in der Auslegung. Die würde ich nicht in Richtung mehr Zensur verändern.
    Weltweite Regeln? Ich bin sicher, z.B. mit China oder streng religiös geprägten Staaten könnte man sich über leichteres Löschen einigen, nicht nur vor Wahlen.

  2. Carsten Mohr am

    “Ich denke, es braucht weltweit strenge Regeln für Plattformen – zumindest für die Tage oder Wochen vor einer wichtigen politischen Wahl. Und an diese Regeln müssen sich dann alle halten, insbesondere die politischen Parteien und Akteure. Etwa:
    Keine persönliche Diffamierung
    Kein Aufruf zur Gewalt
    Keine bewusst falschen Unterstellungen oder Behauptungen über den politischen Gegner
    Kein Aufruf zum Wahlbetrug
    Wenn schon der Anstand verloren gegangen ist, muss das die Vernunft regeln.”

    Das sind warme Fürbitten. Umsetzen ist die Devise. Rechtssicher und für jedes Land, oder jede Demokratie einen gangbaren und rechtlich sicheren Weg beschreiten.
    Dummmist zu reden, ist leider noch nicht verboten. Ideologien zu vertreten in vielen Fällen auch nicht, solange nicht zu Gewalt und “Revolution” aufgerufen wird.

  3. “Wenn schon der Anstand verloren gegangen ist, muss das die Vernunft regeln.”
    Ähem, jau!. Aber eine Wahl, während einer Staatsbesuchs, als “unverzeihlichen Vorgang” zu bezeichnen und -höchstdemokratisch und medial bejubelt- deren Rückgängigmachung zu fordern und zu erreichen, wird (vielmehr MUSS) doch wohl weiterhin gestattet sein, oder?
    “Sie stehlen die Wahl” und “unverzeihlicher Vorgang” liegen, aus Intentionssicht der sich dazu Äußernden, nicht unbedingt sooo weit auseinader!?
    “Vernunft regeln” und so. Ja, nee, is’ klar Biene. … [hüstel] ;)

    • Jörg schieb am

      Vielleicht ist nicht allen Leserinnen und Lesern klar, worauf hier angespielt wird. Wollen Sie es bitte präzisieren? Abgesehen davon hilft es nicht so sehr, immer auf andere Verfehlungen in einem ganz anderen Bereich zu verweisen…

      • “Wollen Sie es bitte präzisieren?”
        #Thueringen. Ist wohl schon viel zu lange her und vergessen?
        “Abgesehen davon hilft es nicht so sehr, immer auf andere Verfehlungen in einem ganz anderen Bereich zu verweisen…”
        Grundsätzlich richtig! Aber hier geht es um Trump. Da musste ich mich einfach den journalistischen Qualitätsstandards einer objektiven (die journalistischen Twitter-Kanäle sind z.B voll davon) Trump vs. Biden-Berichterstattung anpassen, die genauso agiert. Man könnte auch fragen: Warum in die Ferne schweifen, wenn das “Gute” liegt so nah? Aber immerhin: Sie haben es “Verfehlungen” genannt und das ist/war! es tatsächlich – in beiden Fällen.
        Also: Daumenhoch, alles gut! ;)

          • Nein, das ist falsch! Beides ist nicht vergleichbar! Im einen Fall ist der Umstand kritisiert worden, dass man sich von der AFD wählen lässt (es wurde NICHT die Rückgängigkeit der Wahl an sich verlangt) und im anderen Fall wird dem Gegner eine Straftat vorgeworfen (Wahlfälschung). Wer den Unterschied nicht erkennt, dem ist nicht zu helfen.

          • Dem Herrn Prüfer wird gerne (auf die Sprünge) geholfen; denn selbstverständlich wurde die Rückgängigmachung eindeutig verlangt:
            -Tagesspiegel/06.02.2020/14:54 Uhr-
            “…Mit deutlichen Worten hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Donnerstag verlangt, die Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten von Thüringen RÜCKGÄNGIG zu machen. ‘Die Wahl dieses Ministerpräsidenten war ein einzigartiger Vorgang, der mit einer Grundüberzeugung gebrochen hat für die CDU und auch für mich, nämlich dass keine Mehrheiten mithilfe der AfD gewonnen werden sollen’, sagte sie im südafrikanischen Pretoria. ‘Da dies absehbar war in der Konstellation, wie im dritten Wahlgang gewählt wurde, muss man sagen, dass dieser Vorgang unverzeihlich ist und deshalb auch das Ergebnis wieder RÜCKGÄNGIG gemacht werden MUSS.’…”
            oder
            -FAZ/06.02.2020/12:02Uhr-
            “… Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die von CDU und AfD ermöglichte Wahl des Thüringer FDP-Chefs Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten des Landes als „unverzeihlich“ bezeichnet. Deshalb MÜSSE ‘auch das Ergebnis wieder RÜCKGÄNGIG gemacht werden’, sagte Merkel am Donnerstag bei einer Pressekonferenz im südafrikanischen Pretoria. Daran werde in den kommenden Tagen gearbeitet. …”
            Ich hoffe, der Prüfer akzeptiert die o.g. Quellen als seriös und erkennt insbesondere die Gemeinsamkeiten im undemokratischen Handeln in beiden Fällen – nur darum geht es. Sonst bzw. anders, wäre (aus meiner Sicht) dem Prüfer nicht zu helfen. ;)

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