ENIAC: Seit 75 Jahren programmieren wir

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ENIAC: Seit 75 Jahren programmieren wir

Kommentare zum Artikel: 14

Wir blicken jeden Tag dutzendfach auf das Display unseres Smartphones. Reagieren reflexartig auf durch dezentes Vibrieren angekündigte Ereignisse. Kaufen durch Antippen alles Mögliche ein. Und amüsieren uns über Postings, Fotos und Videos in unserer Timeline.

Doch nur die wenigsten machen sich Gedanken darüber, wie das eigentlich überhaupt alles möglich ist. Nämlich: durch Programmierung. Jedes Gerät – egal wie klein oder groß -, das in irgendeiner Weise Entscheidungen fällt (und sei es auch nur, wann der Wecker klingelt), erfordert Anweisungen. Ein Computerprogramm.

Der erste programmierbare Rechner überhaupt

Heute sind wir umgeben von Maschinen, die programmiert sind – und programmiert werden können. Fast überall ist heute ein Minirechner enthalten. Vor genau 75 Jahren – am 15.02.1946 – ist in Philadelphia, Pennsylvania, der erste frei programmierbare Computer der Öffentlichkeit vorgestellt worden: 27 Tonnen schwer, 17 mal 10 Meter groß. Aber eben frei programmierbar. Sein Name: ENIAC – “Electronic Numerical Integrator and Computer”.

Gebaut wurde dieser damals 468.000 Dollar teure Rechner (entspricht etwa 7,4 Mio. Dollar heute) für das Militär. Der erste Computer der Welt hat seine Fähigkeiten in den Dienst der Artillerie gestellt. ENIAC hat Ballistik-Bahnen berechnet. Und das schneller, präziser und zuverlässiger als jeder Mensch.

Glen Beck und Betty Snyder – die ersten Programmierer aller Zeiten – haben den Rechenkoloss mit Anweisungen gefüttert. Sie würden vermutlich aus dem Staunen gar nicht mehr herauskommen, was heute möglich ist. Dass jeder von uns heute einen Minirechner in der Hosentasche hat, der milliardenfach schneller rechnet, milliardenfach mehr Daten verarbeitet – aber nur ein Bruchteil kostet.

Program Code, Rechte: WDR/Schieb

Heutige Computerprogramme sind komplex – und rasend schnell

ENIAC: Urahn jedes Hightech-Geräts mit Prozessor

Vermutlich wären Glen und Betty aber auch erstaunt darüber – möglicherweise sogar entsetzt -, was wir mit diesem Geschenk anstellen: Diese günstig und allgemein verfügbaren Rechner, die wir mit uns herumtragen oder im Haushalt aufstellen, knobeln nicht etwa an Problemen der Menschheit, sondern dienen vor allem unserer Unterhaltung. Bestenfalls der Kommunikation.

ENIAC konnte Addieren, Subtrahieren, Multiplizieren, Dividieren und Quadratwurzeln berechnen. Für damalige Verhältnisse blitzschnell. Diese Rechenoperationen sind immer noch die Basis jedes Computerprogramms. Selbst KI und Gesichtserkennung ist am Ende nur eine – wenn auch extrem schnelle – Abfolge von mathematischen Berechnungen und logischen Entscheidungen. Aber eben so ungleich viel schneller und vor allem weniger raumfordernd als damals.

Eine moderne CPU: Nachfolger des ENIAC; Rechte: WDR/Schieb

Früher raumgroß, heute winzig klein und trotzdem leistungsfähiger

Im Heinz Nixdorf Forum in Paderborn 1:1-Nachbau

ENIAC hat vorgemacht, was möglich ist: Dass elektronische Maschinen nicht nur rechnen können, sondern sich sogar programmieren lassen. Was bedeutet, dass sie grundsätzlich in der Lage sind, so ziemlich jedes Problem zu lösen, jede gestellte Aufgabe zu berechnen.

ENIAC ist gewissermaßen der Urahn jedes Computers, Smartphones oder Hightech-Geräts in unserem Haushalt.

Im Heinz Nixdorf Forum Paderborn sind Originalteile von ENIAC ausgestellt – und ein imposanter Nachbau zu sehen. Wenn das wieder geht, empfiehlt sich ein Besuch dort!

Im Heinz Nixdorf Forum gibt es viel zu sehen – auch einen Nachbau von ENIAC

Über den Autor

Jörg Schieb ist Internetexperte und Netzkenner der ARD. Im WDR arbeitet er trimedial: für WDR Fernsehen, WDR Hörfunk und WDR.de. In seiner Sendung "Angeklickt" in der Aktuellen Stunde berichtet er seit 20 Jahren jede Woche über Netzthemen – immer mit Leidenschaft und leicht verständlich.

14 Kommentare

  1. Carsten Mohr am

    Leute, Leute. FREI programmierbar ist das Stichwort, woran sich der Autor aufhängt. Das der Aufbau von Turings Maschnine zwar frei gewählt, aber nicht ab hoc umprogrammierbar war, läßt ihn die Amis feiern.
    Das, was das dahinter stehende ist, haben die Amerikaner nicht erfunden, waren nicht die Ersten!
    Aber laßt mal, frei programmierbar…und 6 Monate später gab es eine neue Maschine.
    Habt ihr mal diskret aus TTL-Bausteinen, 74LS04, 74LS193 etc. eine frei programmierbare Maschine aufgebaut?
    Mitnichten, man wählt, um Material zu sparen (mit 14 hatte ich nur 5 DM Taschengeld) entsprechend Lösungen, die an dem Problem orientiert waren, das man stellte. So war es bei Turing etc. auch.

    • Rhom Netsarc am

      Carsten Mohr, wieder mal alles besser gewusst.

      Fein gemacht, gaaanz fein, bist ein ganz Braver, ein gaaanz ein Braver!

    • Carsten Mohr am

      Wikipedia zu ENIAC: “Ein deutlicher architektonischer Nachteil des ENIAC war das Fehlen eines Befehlsspeichers. Schon die Z1, Z3 und der Mark I lasen ihre Befehle von einem Lochstreifen, während der ENIAC für jedes Programm neu verkabelt werden musste.”
      Ich habe erst gedacht, ENIAC würde Befehle in einem eigenen Speicher vorhalten und sich selbst verändernden Code verarbeiten können. Fehlanzeige. Also auch da Fehlanzeige. Was also heist dann bitte “frei programmierbar”? Zuses Maschine las sein Programm von einem Lochstreifen, konnte Daten lokal zwischenspeichern. Das ist dann doch “frei programmierbar”.

  2. Frank Hockertz am

    Definitiv war Zuses Z3 der erste Computer der Welt.
    Da empfehle ich mal das Studium der entsprechenden Exponate z. B. im Deutschen Museum in München.
    Er hatte eine Architektur gem. Von-Neumann … Rechenwerk, Programmwerk und Speicher.
    Und, er arbeitete im fortschrittlichen Binärsystem – das hat der ENIAC nicht getan.
    Problematisch war, das es für Zuses Maschine auch nach dem Krieg keine Patentanmeldung gab – wg. “Fehlender Erfindungshöhe”.
    Da waren die Amis cleverer.

      • Christoph Stratmann am

        Die Z3 war sehr wohl frei programmierbar. Ihr Verweis auf Wikipedia ist in dem Zusammenhang wohl eher ein Eigentor. Bei Wikipedia steht nämlich, dass die Z3 der erste “funktionstüchtige, vollautomatische, programmgesteuerte und frei programmierbare, in binärer Gleitkommarechnung arbeitende Rechner” war.

        • Der Streit ist so alt wie Z1/Z3 und ENIAC. Es macht wohl nicht den geringsten Sinn, den hier fortzuführen. Stichtig: Vor 75 jahren wurde mit ENIAC eine der ersten frei-programmierbaren Recheneinheiten vorgestellt-

          • Carsten Mohr am

            Ich denke, der große Wurf von ENIAC war das mit den Sprungbefehlen. Denn damit erst kann man richtig programmieren. Das konnte Zuses Maschine nicht und ist heutzutage definitiv nicht wegzudenken.
            1:0 für die Amerikaner.

  3. Der erste Computer der Welt?
    Nach mein em Wissen war der von Konrad Zuse, auch schon vor 1946, zumindest der Z3 ist wohl ein universell programmierbarer Rechner gewesen.
    Was veranlasst Sie zu sagen, der ENIAC wäre der erste Computer gewesen?

  4. Ja, das ist umstritten, ob Z1/Z3 oder ENIAC der erste Rechner waren. Aber auch auf Wikipedia liest man dazu:

    “Im Gegensatz zum Entwurf und der Benutzung des ENIAC genügte der Entwurf der Z3 nicht der späteren Definition eines turingmächtigen Computers und sie wurde auch nie so genutzt”

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