Gesetze und Vorschriften regeln so ziemlich alles in unserem Leben: Wie groß Eier sein müssen, welche Inhaltsstoffe in der Nudel erlaubt sind, die Abgaswerte von Autos (na gut, zumindest theoretisch), dass wir uns anschnallen müssen, wie viel Steuern zu zahlen sind und vieles andere mehr. Besonders rührend kümmert sich der Staat um das Wohl unserer Kinder. Wir haben ein Jugendschutzgesetz – ist das nicht toll? Trotzdem juckt es niemanden, was unseren Kindern im Netz und in Apps zugemutet wird.
Gratis = Zugemüllt mit Werbung
Kinder werden zugemüllt mit Werbung. Wenn sie YouTube schauen. Oder Apps nutzen. Richtig gelesen: Apps gehören derzeit zu den größten Reklameschleudern. Denn wer kostenlose Apps installiert, der muss offensichtlich hinnehmen, dass diese Apps unentwegt Werbung präsentieren – für alles Mögliche. Reklame am oberen Bildschirmrand. Reklame am unteren Bildschirmrand. Und dann, immer wieder: bildfüllende Werbung.
Viele Kids spielen kostenlose Games. Wenn sie gratis sind, freuen sich die Eltern, genehmigen sie und damit ist die Sache für sie erledigt. Doch die Kids werden zugeschüttet mit Reklame. Niemand weiß, wie viel und welche Reklame. Leider ist dieser Bereich praktisch null geregelt. Das einzige, was die App-Entwickler beachten müssen, erfahre ich von Rainer Smits von der Landesanstalt für Medien NRW: Die Werbung muss als Werbung gekennzeichnet sein.
Rainer Smits von der Landesanstalt für Medien NRW im Interview
Keine Beschränkung: Kinder müssen alles ertragen
Ob Kinder denn so eine Kennzeichnung sehen und verstehen, frage ich ihn? “Das ist vor allem bei jungen Kindern ein Problem!”, sagt er. Allerdings. Dann frage ich, wie er das findet, wenn zum Beispiel einem 8-Jährigen Werbung für ein Kriegsspiel untergejubelt wird? “Das ist bestimmt nicht lustig!” Wieder richtig. Aber die Behörden sind machtlos. Denn dieser Werbeterror ist erlaubt.
Im Fernsehen ist die Werbezeit auf maximal 2o Prozent beschränkt. “Im Internet gibt es so eine Beschränkung nicht”, erklärt mir der Experte. Da kann ich nur sagen: Ein unhaltbarer Zustand ist das. Werbung ist schlimm genug, bei Kindern ganz besonders. Und niemand kontrolliert oder schränkt ein, wie viel Werbung erlaubt ist und welche Werbung?
Das ist skandalös, finde ich. Wenn ich noch einmal “Das ist aber schwierig” höre, werde ich sauer. Das mag schwierig sein, ist aber dringend geboten. Ein Werbeverbot für Kinder unter 13 Jahren, das ist es, was ich für das einzig Anständige halte! Das sollte der Gesetzgeber vorschreiben. Am besten sofort.
8 Kommentare
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Selbstverständlich liegt es in der pflicht der Eltern es zu unterbinden. Dennoch sollte der Gesetzgeber auch den Zugang erschweren und dann Alter entsprechend. Da der App Store eine altersbeschrenkung hat ist es ohne weiteres möglich die werbung so anzupassen.
Und zu der aussage “Hier sind tatsächlich n u r die Eltern und nicht etwa, wie gefordert, der “Gesetzgeber”
Kann ich nur sagen. Bullshit.
Der einzige Grund warum der Gesetzgeber sich da raushällt ist das geld. Der Gesetzgeber ändert nichts was ihn bereichert. Das ist fackt.
Ich selber habe kinder. Und jeder der welche hat weiß wieviel Einfluss Eltern gegenüber ihren kindern haben, sobald sie in den Kindergarten und Schule gehen.
Ach so. Und ich war davon ausgegangen, dass die Gesellschaft eine Verantwortung für Kinder und Jugendliche hat…
Dann können wir das Jugendschutzgesetz ja abschaffen. Die Eltern machen das schon!
Wieso dürfen eigentlich kein Alkohol und Tabak an Kinder verkauft werden? Ist doch Sache der Eltern…
Sorry, aber dieses Argument ist keins. Nicht alle Eltern können, nicht alle Eltern wollen – und die Kinder haben trotzdem jeden Schutz verdient. Es gibt KEINEN, aber wirklich KEINEN einzigen guten Grund, wieso Kinder mit Werbung berieselt werden dürfen.
“Es gibt KEINEN, aber wirklich KEINEN einzigen guten Grund, wieso Kinder mit Werbung berieselt werden dürfen.”
Natürlich nicht! Aber dann darf man nicht an den Symptomen herumdoktern, sondern das Übel an der Wurzel packen:
WEG mit allen asozialen Medien, ob sie sich nun Google, Facebook oder Instagram nennen!
Alles andere wäre so, als würde man alkohohlkranken Kindern Alka Selzer gegen den Kater geben, sie aber weiterhin Alkohol trinken lassen, so viel sie “wollen” bzw. so viel wie zu trinken die Sucht sie zwingt…
KEIN Mensch “braucht” doch diese Volksseuche Facebook und Komplicen!
In was für eine Digital-Sucht-Gesellschaft haben wir uns da nur hineinmanövriert?
Wenigstens der öffentlich-rechtliche Rundfunk könnte doch da endlich mal aufklärend tätig(er) werden!
Und ich war davon ausgegangen, dass eine Gesellschaft, die vorgibt eine Verantwortung für Kinder und Jugendliche zu haben, zunächst und vorrangig Zustände wie Kinderarmut oder gar Kinderobdachlosigkeit gar nicht erst zulässt:
[“Die Kinderarmut in Deutschland ist alarmierend hoch. Nicht nur jedes fünfte Kind in Deutschland lebt in Armut, sondern auch jeder fünfte arme Mensch in diesem Land ist ein Kind.” / Quelle: Wer die Armen sind. Der Paritätische Armutsbericht 2018, Seite 30]
Getrunken, geraucht, gekifft wird auch trotz Jugendschutzgesetz, ohne die Gefahrenaufklärung, aufgrund elterlicher Fürsorge und Erziehung, ist das nämlich auch nur wertloses Papier!
Ihr geschildertes Problem, das der Werbeberieselung, ist im Gesamtkontext des deutschen Zustandes von Kindern und Jugendlichen ohnehin nur ein reines “Luxusproblem”, und obliegt, dabei bleibe ich, weiterhin einzig und allein der Fürsorge und Erziehung der Eltern bzw. jenen, die sich als solche bezeichnen.
Wobei diese Apps doch meistens von Google aus geprüft werden? Schließlich sind es Google Ads die geschalten werden in der Regel.
Natürlich. Aber Google ist nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems. Google liefert Werbung an Kinder aus – im großen Stil. Zeitlich nicht eingeschränkt. Das ist mein Thema hier.
Hier sind aber doch die ELTERN gefordert, damit aufzuhören, ihre Kinder der Werbung auszuliefern – was nach meiner Beobachtung aber gerade junge Eltern immer weniger vermögen, weil immer mehr von ihnen selbst online- und smartphonesüchtig sind und es “normal” finden, daß alle Menschen jeden Alters Tag und Nacht am “digital Crack” hängen – auch ihre eigenen Kinder.
Mittlerweile kann man ja in Bus, Bahn und Supermarkt schon beoabachten, wie Kleinkinder Tablets und Suchtphones in den Kinderwagen gereicht bekommen, um sie ruhig zu stellen.
Suchtprophylaxe und Ausstiegshilfen sollten m.E. verstärkt Thema der Digitalistan-Blogger*innen werden.
S. auch die Titelgeschichte im “stern” der vergangenen Woche über Online- und Smartphone-Sucht: Unbedingt lesenswert!
Korrekt! Hier sind tatsächlich n u r die Eltern und nicht etwa, wie gefordert, der “Gesetzgeber” bzw. die Politik verantwortlich. Letztere vertreten doch sogar vehement die Meinung, dass Daten der “Rohstoff des 21. Jahrhunderts” sind.Eine entsprechende Werbeeinschränkung für Kinder, wäre demnach nur kontraproduktiv für die parasitäre Reklamewirtschaft und damit auch für den, der daraus Steuereinnahmen generiert. Aber was soll’s? Eltern, die ihre Kinder regelmäßig vor TV und www parken, werden das eh nicht mehr kapieren. Verlorene Seelen.