Plattformen sollten nicht über Presseprodukte richten

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Plattformen sollten nicht über Presseprodukte richten

Kommentare zum Artikel: 11

Wenn ein Kiosk-Betreiber entscheidet: “Das Stern-Magazin hänge ich nicht mehr ins Fenster – und die BILD verkaufe ich auch nicht mehr”, so ist das sein gutes Recht. Eine freie unternehmerische Entscheidung. Wenn aber alle Kioske und Bahnhofsbuchhandlungen des Landes einheitlich gesteuert sind und die Unternehmensleitung dann beschließt, bestimmte Blätter aus dem Sortiment zu werfen, hätte das eine ganze andere Wirkung – und Bedeutung.

Es ist eben eine Frage von Macht über Reichweite und politische Meinungsbildung.

Plattformen haben zu viel Macht

So ist es auch mit den Plattformen wie Facebook, Instagram, Twitter, Youtube und Co. Was hier online geht und was nicht, das bestimmen die Betreiber selbst – basierend auf den Nutzungsbedingungen.

Einzige Ausnahme ist in Deutschland das mühsam erarbeitete Netzwerksdurchsetzungsgesetz (NetzDG), das dafür sorgt, das bestimmte Einträge, die gegen geltendes Recht verstoßen, zeitnah entfernt werden müssen. Doch im Wesentlichen gilt Hausrecht.

Diese Macht lässt sich missbrauchen. Das hat Facebook gerade erst unter Beweis gestellt: Mark Zuckerberg hat in Australien alle australischen Medien blockiert. Eine ungenierte Machtdemonstration, ein Muskelspiel, um den Gegner – in diesem Fall die australische Regierung – umzustimmen. Hat leider funktioniert.

Aber was, wenn Berichte von traditionellen Medien aus anderen Gründen nicht online gehen? Das hat das ARD-Magazin “Monitor” gerade erleben müssen. Ein Bericht über die Attentate von Hanau ist bei Facebook gar nicht online gegangen – und wurde bei Instagram innerhalb kürzester Zeit wieder gelöscht.

Beitrag aus "Monitor" von Facebook und Instagram entfernt; Rechte: WDR/Schieb

Beitrag aus “Monitor” von Facebook und Instagram entfernt

KI ist zu dumm für zuverlässige Entscheidungen

Wie das bei Facebook und Co. so ist: Die Betroffenen erfahren davon in der Regel nichts – erst recht keine Begründung oder Rechtfertigung. Und wenn, dann bestenfalls mit der nebulösen Erklärung: “Gegen die Nutzungsbedingungen verstoßen” – was alles und nichts bedeuten kann.

Vermutlich hat ein beschränkter KI-Algorithmus den Beitrag wegen Schlüsselbegriffen wie “Terror” und möglicherweise auch wegen der gewählten Bilder als gefährlich eingestuft. Aber wie bei den milliardenschweren Konzernen leider üblich: Niemand nimmt die Verantwortung ernst – und schaut sich die Sache noch mal genauer an. Von sich aus. Immer sind erst Proteste nötig.

KI-Experten bei Facebook haben zugegeben – zu hören in unserem Podcast Cosmo Tech über “Künstliche Intelligenz” -, dass KI nicht zwischen echter Gewaltdarstellung und modernen Computer Games unterscheiden kann. Zu realistisch.

Medien in Australien blockiert; Rechte: WDR/Schieb

Medien in Australien blockiert: Facebook hat Inhalte zum eigenen Machtpoker geblockt

Regulierung nötig: Wie wär’s mit einer Art “Lizenz”?

Ich finde: Es ist auf Dauer nicht zu ertragen, dass Plattformen wie Facebook, Youtube, Instagram und Co. eine größere Macht haben als Medienhäuser, Sender oder etablierte Redaktionen. Eben weil sie kein kleiner Kiosk in einem Stadtteil sind, sondern gewissermaßen Leitmedien. Sie wollen sich nicht selbst als Medium sehen, aber sie sind eins: Sie stellen Kontakt her zu Inhalten. Hier informieren sich die Menschen. Viele sogar hauptsächlich oder ausschließlich.

Aber wie lässt sich das Problem lösen? Hier eine Idee: Alle Social-Media-Plattformen haben “Verified Accounts”, um Promis und Pseudo-Promis zu identifizieren. Wie wäre es mit einer Art “Lizenz” für Verlage, Sender, Redaktionen und auch etablierte Onliner mit einer Mindestreichweite. Wenn die etwas posten, dann geht es online – und darf dann nur vom Netz genommen werden, wenn ein Gericht das anordnet.

Aber nicht, weil es einem Algorithmus oder einem unterbezahlten Content-Überprüfer nicht gefällt.

 

Über den Autor

Jörg Schieb ist Internetexperte und Netzkenner der ARD. Im WDR arbeitet er trimedial: für WDR Fernsehen, WDR Hörfunk und WDR.de. In seiner Sendung "Angeklickt" in der Aktuellen Stunde berichtet er seit 20 Jahren jede Woche über Netzthemen – immer mit Leidenschaft und leicht verständlich.

11 Kommentare

  1. Menschen Treffen Fehlentscheidungen, auch bei den Medien. Etwa damals ein Bericht über Stickoxide in der ARD, der miserabel recherchiert war oder absichtlich falsch informierte.

  2. Dipl.-Ing.K.Wicht am

    Plattformen haben zu viel Macht?

    wer gibt ihnen diese Macht?

    Antwort: die Mehrheit der Minderbegabungen auf dieser Plattform-Echo-Kammer auch Facebook genannt

    mein persönlicher Tipp: einfach diese Plattformen nicht benutzen, sie haben keinen intellektuellen Mehrwert in dem Land der Dichter und Denker
    es ist reine Zeitverschwendung
    die Mediatheken der ARD,ARTE,ZDF etc. reichen als Infoquellen vollkommen aus
    um sich vom Zeitgeschehen eine persönliche Meinung zu bilden.

    • Das ist m. E. zu einfach gedacht. Wir sollten neue Technik und daraus entstehende Phänomene nicht pauschal ablehnen – wie das Verteufeln der Maschinen in der Zeit der industriellen Revolution. Es ist ein wenig Intelligenz nötig, um adäquate Regelungen und Rahmen zu finden, die wenn nötig, immer wieder angepasst werden können.

  3. Schon wieder ‘ne neue Forderung nach Regulierung, weil ein “Monitor”-Beitrag mal für kurze Zeit (und wohl auch noch versehentlich) vom Netz war? Die sollen sich mal nicht so anstellen oder war etwa mal wieder unsere “Demokratie in Gefahr”?
    “Unbequem sein, irritieren, provozieren” verkünden die auf ihrer HP. Nicht so schwer zu verstehen: wer ganz bewusst, mit Ankündigung, provoziert, irritiert und austeilt, muss auch einstecken können und wird eben auch mal gesperrt … und jammert danach nicht rum wie im Kindergarten. Wenn sie so konsequent wären, wie sie immer vorgeben sein zu wollen, hätten sie ihren Instagram- und Facebook-Account unmittelbar danach aufgegeben. Alles für die Quote…

  4. Aber die Leute geben Facebook die macht. Es gibt zu fast allen vorhandenen Plattformen unbekannte alternativen. Diese werden aber selten genutzt.

  5. Es ist erschreckend, daß die Öffentlich Rechtlichen mit meinen Rundfunkbeitägen Framing betreiben gegen Menschen, die nach individuellem Wohlstand streben niedermachen, während die Wir-Menschen immer Unterstützung erhalten.

    • Tut mir leid, aber ich verstehe nicht, was gemeint sein soll. Wer wird hier “niedergemacht” und wer strebt nach “individuellem Wohlstand”? Ich kann nicht folgen…

  6. Der Vorschlag wäre sehr schecht, weil die Medien von Linken und Sozialisten beherrscht werden, und diese damit ein Verbreitungsprivileg für ihre Sozial-Propaganda bekämmen. Das Gegenteil ist viel wichtiger: Den Verlage, Sender, Redaktionen müßte es verboten werden Stimmung gegen reiche Menschen zu machen und Enteignung als etwas positives Darzustellen.

    • Auch hier kann ich nicht folgen. Enteignung? Wovon ist die Rede? Stimmung gegen reiche Menschen? Ist damit etwa Mark Zuckerberg gemeint? Im ernst?

      Ich halte es für eine steile These, Medien seien von Linken und Sozialisten beherrscht, Gibt es eine Studie, die Sie uns gerne verlinken möchten?

    • Hm, der These kann ich jetzt auch nicht ganz folgen. Der Gedanke aus dem Artikel war das alleinig eine bestimmte Reichweite ausschlaggebend ist. Mein Eindruck ist, das z.B. auch viele Liberale / Rechte Organisationen, Personen mit äh alternativen Fakten und Ideen über eine ausreichende Reichweite verfügen dürften. Letztlich bestimmt die politische, ideologische Verteilung in der Bevölkerung die Reichweite.

      Im Gegenteil ehe man es sich versieht geht das Gejammer los warum ein Breitbart o.ä. verbreiten darf was es will.

      Ob der Vorschlag gut ist, steht auf einem anderen Blatt. Ein junges Genie wird damit evtl. nie mit einem preiswürdigen Clip die Öffentlichkeit erreichen. Das Etablierte wird bewahrt und gefördert, der einzelne verkümmert.

      Wie wäre es eher das Facebook sofortig über jede Löschung informieren muss und diese begründen. Einsprüche muss Facebook innerhalb von 24h mit echten lokalen Mitarbeitern bearbeiten und über die Urteilsfindung wiederum ausführlich informieren und begründen. Kostet viel, ja, doch Facebook hat das Geld und da die Mitarbeiter lokal arbeiten kann man sich fast die Digitalsteuer sparen. Bei etablierten Medien, Organisationen, etc und deren Einsprüchen, sowie menschlicher Bearbeitung, sollten dann ungerechtfertigte Löschungen fast zur Gänze der Vergangenheit angehören. Auch kleinere hätten bessere Chancen.

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