Handytracking gegen Corona: Wirklich ein Unding?

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Handytracking gegen Corona: Wirklich ein Unding?

Kommentare zum Artikel: 9

In Zeiten von Corona ist vieles anders als sonst. Unter anderen Umständen würden wir eine amtlich verordnete Quarantäne wohl eher “Hausarrest” nennen. Extrem unangenehm, keine Frage – doch bei genauer Betrachtung wird mir der Sinn solcher Maßnahmen deutlich. Die Quarantäne wird derzeit als Ultima Ratio akzeptiert, um die Ausbreitung eines äußerst gefährlichen Virus einzudämmen. Richtig so!

Ortungsdaten als Datenspende; Rechte WDR/Schieb

Ortungsdaten als Datenspende

Bitte keine Denkverbote: Was bringt etwas?

Wieso dann dieser enorme, reflexhafte Widerstand beim Gedanken, mit Hilfe der Digitalisierung die Infektionsrate zu reduzieren? Es kommt doch einem Denkverbot gleich, wenn solche Möglichkeiten nicht wenigstens sorgfältig geprüft werden.

Die Frage muss daher lauten: Was lässt sich tatsächlich durch ein wie auch immer geartetes Tracking eines Smartphones – auch rückwirkend – erreichen? Lassen sich wirklich Leben retten? Und welchen Preis zahlen wir dafür?

Wichtig ist die Frage: Was bringt ein Werkzeug?

Spart es Zeit und Energie beim ohnehin üblichen Interview-Verfahren des Gesundheitsbehörden? Ich habe den Eindruck: auf alle Fälle. Warum nicht also einen Beitrag leisten, die Infektionsketten besser sichtbar zu machen?

Mir gefällt die in Hannover und Hamburg entwickelte GeoHealth-App, da auf Freiwilligkeit beruht – und niemanden trackt, der das nicht möchte. Ein guter Vorschlag, der nicht gleich in die Ecke der datenschutzrechtlichen Unanständigkeit gepfeffert gehört. Mit der App ließen sich auch zufällige Kontakte ermitteln – und möglicherweise Menschenleben retten!

Dr. Gernot Beutel erklärt sein Konzept hinter der HealthApp

Daten von Google und Facebook wären viel aussagekräftiger

Was ich allerdings auch nicht verstehe: Wieso sich Bundesgesundheitsminister auf die Mobilfunkdaten stürzt. Vielleicht, weil es einfacher ist. Doch die Ortungsdaten von Google und Facebook sind viel detaillierter und lückenloser, da sie auch im WLAN funktionieren und so viel präziser sind.

Die User haben den Konzernen die Daten doch längst überlassen. Warum nicht für etwas Sinnvolles nutzen? Und wenn nicht von jeder und jedem, dann eben auf freiwilliger Basis: Wer sein Okay gibt, hilft der Wissenschaft, indem die Bewegungsdaten der letzten 14 Tage ausgewertet werden.

In Südkorea, Hongkong, Singapur und nicht zuletzt China werden solche Apps und Funktionen genutzt – und es hat was gebracht: Die Ausbreitung wurde enorm verlangsamt. Ein effektives Werkzeug, scheint mir.

Datenschutz ist sehr wichtig, keine Frage. Ganz sicher lassen sich Lösungen finden, die vertretbar sind: Indem die Userinnen und User zustimmen, Daten freiwillig hergeben – und überhaupt das alles zeitlich befristet ist. Denn natürlich soll so etwas nicht zum Alltag und zum beliebig einsetzbaren Werkzeug für Behörden werden.

Über den Autor

Jörg Schieb ist Internetexperte und Netzkenner der ARD. Im WDR arbeitet er trimedial: für WDR Fernsehen, WDR Hörfunk und WDR.de. In seiner Sendung "Angeklickt" in der Aktuellen Stunde berichtet er seit 20 Jahren jede Woche über Netzthemen – immer mit Leidenschaft und leicht verständlich.

9 Kommentare

  1. Claus Ohliger am

    Ich habe gar kein (Internetfähiges) Handy!

    Für mich ist ein einfacher Prepaid-Vertrag nur zum telefonieren mit Abstand am günstigsten. WLAN ist ok, aber ich sehe nicht ein, einen zweiten Internetvertrag abzuschließen, den ich nicht brauche! Wenn ich ins Netz will, dann zuhause am “richtigen” PC bzw. Laptop mit vernünftigem Bildschirm! Wenn ich bei dieser Sache mitmachen wollte, dann müßte ich jeden Monat für den mobilen Netzzugang bezahlen und das käme nur in Frage, wenn mir das Geld ersetzt wird!

  2. Oh, diese heilige Kuh “Datenschutz”. Ist dieser denn wichtiger als “Menschenschutz”?

    Herr Scheib schreibt mir aus der Seele. Manche der Leserkommentare sind jedoch äußerst frustrierend. Mittlerweile sollte doch jedem klar sein, welches Ausmaß die Corona Krise – oder besser Corona Katastrophe – hat.
    Ohne digitales Tracking haben wir nur die Wahl zwischen Pest (monate- bis jahrelanges Ertragen der jetzigen Maßnahmen mit allen sozialen und wirtschaftlichen Folgen) und Cholera (zigtausend Tote und Zusammenbruch unseres Gesundheitssystems).

  3. Wegen der Kontrolle durch Tracking werde ich ich auf jeden Fall mein Telefon auf meinen Wegen draußen aktivieren und mitnehmen.
    Die Möglichkeit mich und andere zu schützen steht dabei für an oberster Stelle.
    Wenn es angeboten wird werde ich das Robert-Koch-Institut beim Eindämmen des Corona Virus mit meinen Daten freiwillig und befristet unterstützen.

    Ich nehme mein Telefon sonst auch nicht immer mit und daher ist o.g. Feststellung für mich kein Argument nicht mitzumachen.

  4. Datensammel-Kritiker am

    Ich schließe mich Ralf Klein an.
    Auch mein (altes) Smartphone ist grundsätzlich offline – ich nutze es eh fast nur zum telefonieren. Oft liegt es Tagelang auf dem Schrank. Ich nehme es einfach nicht mit. Warum auch? Was ich zu telefonieren habe, kann ich von zuhause aus. Wenn ich unterwegs bin, dann will ich weder getrackt werden, noch will ich erreichbar sein.
    Und für den Notfall habe ich im Auto noch ein altes Handy, mit welchem ich noch ohne Sim-Karte den Notruf wählen kann. Das ist ständig am Zigarettenanzünder.

  5. Ralf Klein am

    Tag
    Also zumindest wäre mein Bewegungsprotokol wenig bis nichts aussagend. Gehe öfter ohne Telefon raus. Bleibt auch schon mal an der Firma. Dann ist noch gelegentlich das Mobilphone meiner Mutter bei mir. Allerdings ohne das Sie bei mir ist. (Zum Update einspielen) OK bin in dieser Hinsicht nicht ein 08/15 User. Nur die Daten von Freiwilligen helfen schon? Stellt sich die Frage wie genau die Postionen sind. Mag ja evtl. eine Erleichterung sein Infektionswege zurück zu verfolgen. Allerdings fehlen dann wohl, aus verschiedenen Gründen, doch einige. Nicht jeder hat ein Mobilphone/dabei. Muss nicht in China jeder ein Foto hinterlegen der ein Mobilphone haben möchte? Irgendwas war doch da. Denke das möchten wir ja wohl nicht. So lang genug.

    • Christian Gafert am

      Auch wenn die Informationen nicht vollständig sein können, weil es Menschen gibt, die nicht getreckt werden möchten:

      Im Fall Infektionsschutzmwürde ich einem Tracking zustimmen. Und die Zustimmung dürfte gerne einfach zu machen sein, sie muss möglichst viele meiner Bewegungen (auch nachträglich!) nutzbar machen und ich muss die Möglichkeit des Abschaltens haben.

      Also am Besten eine eigenen App, die man installieren oder löschen kann, welche dann meine bei Google erfassten Bewegungsdaten ( ich gehe davon aus das es die sowieso gibt) rückwirkend für 14 Tage nutzt. Und die zukünftigen Bewegungen ebenfalls.

      Wenn dann eine „Positiv“-Nachricht (Achtung, sie hatten mit einen Corona Infizierten oder Verdächtigen am xx.xx.2020 Kontakt, bitte sprechen Sie Ihren Hausarzt oder Gesundheitsbehörde an“) möglichst schonend formuliert wird, dann wäre ich zufrieden.

  6. Seit ich zurückdenken kann jagt eine existenzbedrohende Krise und Ausnahmesituation die andere.
    Wer mag kann somit restriktive Maßnahmen immer begründen und warum eine eigentlich zeitlich befristete Ausnahme, dann doch weitergeführt werden muss.
    Ist diese Krise bedrohender als alle davor ? Vielleicht, wahrscheinlich sogar.
    Es ist aber dringendst geboten alle Ausnahmen alle Sonderwege sofort auf Null zurückzufahren, wenn z.B. ein Impfstoff flächendeckend zur Verfügung steht.
    Ich bin mir aber sicher das in ein oder zwei Jahren Politiker, Journalisten und natürlich auch jeder einzelne Bürger gute Gründe findet warum dieses oder jenes doch immer noch wichtig ist und beibehalten werden muss.

    Ich denke wir werden in ein paar Jahren auf diese Krise zurücksehen und feststellen das noch vieles daraus Bestand hat, im guten aber leider auch im schlechten.

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