Ciao, Twitter: Wie uns die Sozialen Medien verändern

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Ciao, Twitter: Wie uns die Sozialen Medien verändern

Kommentare zum Artikel: 12

Robert Habeck ist nicht mehr bei Twitter. Auch Facebook hat er den Rücken gekehrt. Der FAZ hat der populäre Grünen-Politiker jetzt ein Interview zu seinem Social-Media-Abschied gegeben. “Wollen Sie jetzt auch mit Talkshows aufhören?”, haben die Kollegen das Interview überschrieben. Ein bemerkenswerter Vergleich. Als ob es dasselbe wäre, in einer Fernsehsendung zu diskutieren – oder im Netz zu twittern.

Robert Habeck kommt ohne Twitter aus; Rechte: dpa/Picture Alliance/WDR/Schieb

Robert Habeck hat Twitter hinter sich gelassen – und kommt ohne Zwitscherdienst aus

Kein Moderator im Netz – dafür anonyme Wortmeldungen

Man kann von Talkshows ja halten, was man will. Aber in einer Talkshow sitzen keine anonymen Gäste, sondern Menschen, die Verantwortung für das übernehmen, was sie behaupten und sagen. Man kann sie sehen, man kann sie erkennen. Das lässt sich über Twitter, Facebook und andere Online-Foren nun nicht behaupten. Und: Es gibt eine/n Moderator/in, der/die sich zumindest bemüht, dass es fair und sachlich zugeht. Im Netz gibt es in der Regel auch das nicht.

Die FAZ-Überschrift bedeutet also, dass Äpfel mit Birnen verglichen werden. Robert Habeck hat die Sozialen Medien zweifellos aus vielen Gründen verlassen. Unter anderem wegen der Anonymität im Netz, die bei vielen nicht gerade die beste Kinderstube zum Vorschein kommen lässt.

https://vimeo.com/311312322

Angeklickt: Digital Detox – weniger ist mehr

Die Sozialen Medien sind nicht sozial – und verändern uns

All das ist nicht neu. Robert Habeck aber gibt zu, dass ihn auch Reflexe, die er an sich beobachtet hat, zu denken gegeben haben. Der ständige Griff zum Smartphone zum Beispiel, um nachzuschauen, wie die Leute auf Tweets reagieren. Ein zwanghaftes Verhalten, das die meisten kennen dürften – wenn sie ehrlich sind. Wie viele Likes? Wie oft geteilt? Die Sozialen Medien eignen sich zur Nabelschau. Bringen Bestätigung frei Haus – oder eben auch Widerspruch, Pöbelei, Hass.

Niemand ist in Facebook, auf Twitter und Instagram er/sie selbst. Es wird gepost, inszeniert, schön geredet, es werden Situationen ausgewählt, die nur einen kleinen Ausschnitt des Lebens zeigen – aber den Eindruck erwecken sollen, das Leben zu sein. Köln, Moskau, London, Paris, wir sind überall. Und Ihr so? Die Sozialen Medien – sie sind nicht wirklich sozial. Sie sind in vielerlei Hinsicht asozial.

Wenn einer wie Robert Habeck “Ciao!” sagt, gilt das als “mutiger Schritt” – auch das war in den Medien zu lesen. Denn nicht präsent sein, das bedeutet: unsichtbar, wehrlos, unbedeutend. Nicht unbedingt das, was ein Politiker sein möchte, oder ein Künstler, ein Blogger, ein Journalist, ein Mensch.

Eine ungeheure Macht, die diese Facebooks, Twitters und Instagrams haben. Oder?

Über den Autor

Jörg Schieb ist Internetexperte und Netzkenner der ARD. Im WDR arbeitet er trimedial: für WDR Fernsehen, WDR Hörfunk und WDR.de. In seiner Sendung "Angeklickt" in der Aktuellen Stunde berichtet er seit 20 Jahren jede Woche über Netzthemen – immer mit Leidenschaft und leicht verständlich.

12 Kommentare

  1. Die Veränderung kam mit TikTok viel mehr. Meines Erachtens sind die Menschen viel offener geworden. Es gibt weniger Tabus und Hemmnisse. Andersherum muss man aber bedenken, dass viele heranwachsende sich später für ihre Videos schämen werden.

  2. Skywriter am

    Fehlermeldung
    Dopelter Kommentar wurde entdeckt ….

    Ja, bitte! Und warum wurde der erste Kommentar nicht veröffentlicht?!

  3. Den Umgang muss man lernen. Man muss nicht mit jedem diskutieren, weil etliche auch einfach nur rumtrollen und nicht an einer Diskussion interessiert sind.
    Ebenfalls muss man nicht ständig reagieren, sondern nur dann, wann man dazu Zeit und Lust hat. Ich lass mir doch nicht von einer Seite vorschreiben, wann und wie ich zu reagieren habe.

  4. Ich finde es gut, dass Social Media nun doch etwas kritischer gesehen wird. Ich bin Anfang 2018 ausgestiegen und lebe noch – sehr gut sogar ;-)

  5. Das FAZ-Interview ist mir als Nicht-“F+”-Nutzer nicht zugänglich.
    Doch ist Habeck nicht noch bei FB’s Instagram aktiv?
    Ich meine, im vergangenen Jahr gab es nach einer Umfrage die Erkenntnis, dass gerade Jüngere vermehrt Instagram nutzten, da “FB selber” von Jüngeren eher als Plattform ihrer Eltern oder älterer Nutzer angesehen werde.
    Die Betreuung, Bespielung und Pflege möglichst vieler SocialMedia-Kanäle ist auch eine Aufwandsfrage. – Und vllt setzt bei öffentlichen Personen langsam die Überzeugung ein, dass auch hier eine Auswahl zu treffen ist. Da wäre so ein aktueller Hackerskandal sogar ein willkommener Aufhänger.
    ———
    Unter der ausgegebenen Parole “Digitalisierung Deutschlands” gesehen, sollte Habeck die Diskussion über seinen (vorläufigen?) Twitter- und FB-Ausstieg vllt nutzen, um sich demonstrativ bei einer anderen, weniger genutzten Plattform anzumelden und etwas Bewusstsein für “mehr Sicherheit” und Alternativen zum Riesen FB zu bewerben.
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    Ja, die Macht, Aufmerksamkeit und Lebenszeit, die SocialMedia von uns bekommt, wird heiß diskutiert. Kann die FB-Nicht-Nutzung mit dem Selbstmord des eigenen öffentlichen Lebens gleichgesetzt werden? Müssen Schlaglichter, Meinungen, Ergüsse öffentlicher Personen rund um die Uhr für jeden abrufbar und kommentierbar sein? Bietet vermeintliche Kommentar-Anonymität die Selbstherrlichkeit schlechthin?
    —–
    Früher schrieben sich Bürger die Finger mit Briefen an Stars und Politiker wund. Anonyme Briefe landeten beim Empfänger oft direkt im Papierkorb. Anrufer hörten stundenlang das Besetztzeichen, weil die Telefone einer Koordinierungsstelle überlastet waren.
    So etwas kann sich doch kaum noch jemand vorstellen.
    Anonym ist heute “normal” und wenn wir innerhalb kürzester Zeit keine Reaktion, gar Antwort auf unser Anliegen oder unsere Anfrage erhalten, haben wir es “zweifellos” mit einem “minderbemittelten Saftladen” zu tun und wenden uns auch schon sofort einer anderen Stelle zu.
    *Schnell, schneller, Irrsinn*?

    • DollyToll am

      Unbedingt die ‘story’ von gestern in der WDR-Mediathek anschauen: Suchtfaktor der sogen. sozialen Medien …
      Was ‘uns’ hier an echter Lebenszeit gestohlen wird, fehlt für die Entwicklung künftiger echter Demokratie … oder man wacht in einer (Wirtschafts-)Diktatur auf. Ist das Handy nur das Vehikel dazu?

      • Nach “Die Story” von gestern ist eines klarer geworden:
        “Skynet” killt uns vllt alle, doch bunte Apps und SocialMedia-Riesen halten uns in der “Matrix”.
        Wir sind die Batterien, die FB etc. schön zum Laufen bringen. Findige Entwickler, intelligente Algorithmen und buntes (positives) Feedback sagen uns, dass diese Apps für uns toll sind.
        Kommt der Tag, an dem wir ausreichend abgerichtet sind und unser Verhalten ausgewertet ist, werden evtl. Entwickler überflüssig. Dann schreiben KIen (personalisierte) Apps. Sie werden genau wissen, womit die Konzerne richtig Geld verdienen können bzw. auf welche Farben, Formulierungen, Bilder, Reize jeder einzelne User wie reagiert. Und User bekommen mit den Apps genau das, womit sie sich am wohlsten fühlen. – Ähnlich wie in den “Matrix”-Filmen, uiuiui.
        —–
        Die Nutzung des allgegenwärtig vernetzten Smartphones ist auf Tempo getrimmt: Hier schnell etwas liken, dort schnell spontan shoppen oder samstags mitten im Baumarkt Papa zu Hause fragen, welche der drei zur Auswahl stehenden Handkreissägen denn nun ausgeliehen werden soll …
        Alles läuft ganz selbstverständlich in Sekundenbruchteilen.
        Tut es das nicht, empfinden wir es manchmal schon als “unzumutbar”.
        ——
        Doch demokratische Prozesse laufen nicht in diesem wahnwitzigen Tempo.
        Auch nicht die umstrittenen Volksabstimmungen (“direkte Demokratie”). – Das wäre eher noch eine “Marktlücke”, die z. B. FB zu besetzen versuchen könnte …
        … An sich hat es die EU mit ihrer Sommerzeit-Online-UMFRAGE (!) vorgemacht.
        Wenn jetzt noch alle FB-Nutzer mit Zuckerberg – äähh, … Zuckerbrot – und Peitsche zum Abstimmen gebracht werden könnten, wären viele der uns bekannten demokratischen Institutionen hinfällig, oder?
        Nutzerbedingte Schnellschüsse statt Debatten, Filterblasen-bedingter blinder Aktionismus statt längerfristiger Pläne zum Wohle möglichst vieler Bürger: “Gesteuerte Diktatur”, einzig die anbietende(n) Plattform(en) verfolgte(n) noch einen langfristigen Plan.
        – “Terminator” wird vllt übermorgen Realität. “The Circle” und “Matrix” werden womöglich schon morgen Realität.
        Habeck hätte sich mit seinem Ausstieg dann selbst “entkoppelt” …

  6. DollyToll am

    Meiner Ansicht nach ist die Politik über Twitter,Facebook und Co., wie es z.B. Trump praktziert, überhaupt keine echte Politik, sondern nur Polemik und Hetze für seine Klientel, sozusagen der Lautsprecher seiner Propaganda … Und wie viel ist das von Gesamt-USA?
    Gewisse Kreise wissen aber mit neuen Techniken gezielt die Wahrheit zu pervertieren! Daher wäre es schon wichtig, gerade vor Wahlen für Wochen den Stecker zu ziehen.
    Diese Medien sind Demokratie zersetzend!

  7. Der Moritz Bleibtreu hat doch kürzlich auch verkündet, dass wir ‘Social Media nicht brauchen’ (grob vereinfacht). Das hat mir gefallen, denn Recht hat er. Ein negativer Aspekt ist für mich z.B.: Dumme, uninteressante Menschen fühlen sich wichtig. Und schon das birgt Gefahren (und nervt ungemein)

  8. Gute Entscheidung. Wieder ein Filterbläschen weniger. Sämtliche Mitglieder aus sämtlichen Parteien sollten Habecks Vorgehen folgen.

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