Die äußerst umstrittene Reform des Urheberrechts in Europa hat die nächste Hürde genommen: Der EU-Ministerrat hat offiziell die Übereinkunft aus den Gremien abgenickt. Auch Deutschland. Wirklich überraschend kommt das nicht, denn Angela Merkel ist ein großer Verfechter der Reform. Es lässt sie kalt, dass die drohenden Upload-Filter jetzt schon “Merkel-Filter” genannt werden.
Sie poltert nur: “Die bestehenden Regeln müssen auch im Internet gelten.”
Regeln ja – aber nicht unbedingt die alten
Das stimmt. Im Internet müssen selbstverständlich Regeln gelten. Aber es müssen nicht automatisch die alten sein. Weil nun mal heute alles anders ist als vor Dutzenden von Jahren, als die meisten Regeln auf den Weg formuliert wurden, ist es zwingend erforderlich, sich mal so richtig Gedanken zu machen – und nicht einfach nur auf den zu hören, der gerade am lautesten schreit.
Ich stimme Angela Merkel ausdrücklich zu, dass eine Reform her muss. Aber was da jetzt auf den Weg gebracht wurde, ist keine Reform, sondern eine Art elektrischer Stuhl fürs Netz.
Lassen wir mal das “Zensur”-Geschrei beiseite, das ebenfalls vollkommener Unsinn ist. Doch jeder mit etwas Sachverstand – und es war genug Zeit, sich mit der Materie vertraut zu machen – wird einsehen müssen, dass Upload-Filter die Aufgabe unmöglich zuverlässig meistern können, die ihnen zugedacht ist. Es wird erhebliche Kolletaralschäden geben. Mehr Schaden als Nutzen. Es wird Chaos herrschen, wenn sie kommen.
Koalitionsvertrag gebrochen
Deshalb steht im Koalitionsvertrag (hier als PDF) auch vollkommen folgerichtig (Zeile 2212): “Eine Verpflichtung von Plattformen zum Einsatz von Upload-Filtern, um von Nutzern hochgeladene Inhalte nach urheberrechtsverletzenden Inhalten zu ‘filtern’, lehnen wir als unverhältnismäßig ab.” Schwarz auf Weiß. Doch das interessiert Axel Voss offenbar nicht, den Einpeitscher der EU-Reform – und auch die Kanzlerin nicht.
Ist Merkel doch egal, was im Koalitionsvertrag steht. Auch egal, dass die sogenannte Staatsministerin für Digitales eine andere Haltung hat. Was weiß die schon? Abgekanzelt. Hat nichts zu melden. Auch die Justizministerin hat sichtbar Magenschmerzen angesichts der Reform. Wurscht. Jetzt zeigt die Kanzlerin mal harte Kante. Da, wo es niemand versteht. Da, wo sie gegen die Bürger entscheidet.
Es kann zweifellos schon mal richtig sein, gegen die öffentliche Meinung zu entscheiden. Wenn es der richtigen Sache dient und am Ende der Allgemeinheit. Aber hier: Die Reform ist absolut gaga. Wirklichkeitsfremd. Es gab und gibt gute Vorschläge für Alternativen, die die berechtigten Interessen der Urheber berücksichtigt, ohne die Welt auf den Kopf zu stellen.
Angela Merkel hat komplett versagt.
Angeklickt: Die Tücken der EU-Urheberrechtsreform
9 Kommentare
Kommentar Funktionen
Wenn man nicht kontrollieren und nachvollziehen kann, was alles in die Filter eingefügt wird, dann handelt es sich um Zensur. Das gleiche Problem, wie damals mit den Stoppschildern.
Zensur wird dadurch erheblich erleichtert.
Guten Abend Herr Schieb,
besagte Uploadfilter können jederzeit missbraucht werden und zur Zensur genutzt werden. Wer die Technik besitzt, besitzt die Kontrolle darüber,
was gezeigt werden soll und was nicht,
das sollten Sie als Jorunalist doch am Besten wissen Herr Schieb, jeder Ihrerer Beiträge im Fernsehen muss doch auch sicher von einer Redaktion abgenickt werden,
wenn Sie anderes behaupten, würde ich Ihnen dies nicht glauben.
Es ist es in der Vergangenheit auf Platformen wie Youtube schon häufig dazu gekommen, dass ohne jegliche Urheberschaft und Grundlage auf Urhberrechtsanspruch einfach Videos vom Netz gingen, Yotube blockt schon jetzt lieber Videos anstatt Ärger mit den Großen Rechteverwertunggesellschaften zu bekommen.
Die zur Zeit vorgesehene Urheberrechtsreform ist mit aktueller Technik des weiteren kaum umsetzbar und spielt Politiker und großen Unternehmen für Zensur in die Hände.
Zur Zeit existiert lediglich ein bekanntes arbeitendes Uploadfilter-Programm und dies ist das Content-ID-System von Youtube.
Wem gehört Youtube? Ja richtig Google.
Des weiteren ist paradox, dass EU Politiker die Unabhängigkeit von großen amerik. Technik-Konzernen wie Google, Facebook und co fordern, jedoch keine ansatzweise vergleichbare Technik in Europa existiert.
Zur Umsetzung der neuen EU Urhberrechtsreform müsste man eben auf solche amerikanischen Konzernen zurückgreifen und zb. das Content ID System von Goolge/Youtube nutzen.
Lediglich diese großen Unternehmen haben über haupt das technische Know-How und die Erfahrung einen solchen “Uploadfilter” zu erstellen.
Somit spielt man letztendlich Google hier nur wieder in die Hände.
Google wird wohl sein Geschäftsmodell in Europa nur noch auf das Geschäftsmodell der Lizensierung von Uploadfilter in Europa beschränken, wenn diese Reform durchgeht.
Was sie erzählen, dass sich Google/Yotube in Europa engagieren wird ist nur zum Teil richtig.
Youtube wird nur noch mit den Großen Kanälen und Medienvertretern Deals abschließen und deren Inhalt zeigen und User Genrerated Content für die Breite Maße ohne Zahlreiche restrektionen nicht mehr zulassen.
Google News hat es zb in Spanien vorgemacht und sperrte alle spanischen Zeitungen aus, schluß endlich haben die Zeitungne Google angebettelt wieder im News Feed aufzutauchen, sie unterschätzen diese Konzerne. Google ist nicht böse, sie machen nur Geschäft was die wollte wollen. Der geforderte Eingriff der Poltik in das Netz ist abstruss, dafür bestehen keinerlei Kompetenzen. Die marktwirschaftliche Variante des Netzes, welche Google befeuet hat bis jetzt gut funktioniert.
Warum soll man nicht dafür zahlen können ganz oben bei der Suche nach bestimmten Begriffen zu erscheinen?
Die Netzbürger wissen damit umzugehen und erkennen den Unterschied zwischen geschalteten Anzeigen und relevanten Artikeln, jedoch offensichtlich nicht die Ü50 Poltiker im Parlament und EU Bundestag.
Ihre Forderungen übrigens für ein eigene Europa Facebook und eine Europa Suchmaschine halte ich auch für polarisierenden Unsinn.
Dazu haben wir hier einfach nicht die Mittel.
Wer sollte dies den schaffen, etwa die kompetenten EU Politiker?
Das Urhberrecht muss in Europa grundlegend modernisiert werden, aber mit fairen und Regelungen für alle Content Creator! Private, KMUs sowie große Medienkonzerne.
Bei Verwendung von Musik und Videos, sollen die großen Platformen centbeträge Bezahlen, ja so wie es heute auch bereits der Fall ist, aber nur bei solchen Werken, die auch verwendet werden.
Hier arbeitet der Filter /das Content -ID-Verfahren von Youtube einfach zu schlecht, aktuell, hier ist Nachbesserungsbedarf.
Keiner wird im Netz Geld für Links bezahlen, wie die Zeitungen diese fordern, dies ist ebenso nicht umsetzbar.
Ich hoffe Sie bahlten sich ihrer kritischen Stimme zu Uploadfiltern bei und sind für ein faires Urhberrecht und lassen sich von niemanden zu sehr beeinflussen.
Gruß
Ein besorgter und äußerst verärgerter Netzbürger
Sehr geehrter Herr Schieb,
Angela Merkel kann wohl kaum ein “Verfechter” sein, sondern nur eine Verfechterin. So viel sprachlicher Respekt vor der Existenz von Frauen auf dieser Welt kann wohl jede Frau beanspruchen. Schließlich gehört das Geschlecht unabdingbar zu Identität eines jeden menschlichen Wesens.
mein Kommentar ist:
Die Neue-Welt-Ordnung kommt in großen Schritten (auch mit diesen Gesetz) auf ums zu.
Wie bei einem Mühlespiel werden wir Zug um Zug in die Klemme gespielt.
Am Ende heißt es nur noch die eigene Seele dem Antichristen zu übergeben oder Kübe ab.
Der derzeitige Text von Artikel 13 verlangt a) das Platformen Lizenzen für Urheberrechtlich geschütztes Material erwerben sollen b) das dann nach besten Bemühungen entsprechendes nicht lizensiertes Material nicht verfügbar ist.
Wenn man jetzt noch darüber nachdenkt wie Upload Filter überhaupt funktionieren sollten, dann tun sich hier gigantische Probleme auf, sowohl technischer Natur als auch prozessbezogener Natur, wie z.B. die Unterbindung impliziter Zensur. Somit kommen bei mir starke Zweifel auf ob Uploadfilter überhaupt zum Einsatz kommen würden.
Jetzt sollte man noch im Hinterkopf behalten, dass natürlich auch andere Interessensgruppen wissen wie man Lobbyismus betreibt und Kampagnen aufziert, nicht nur die Rechteinhaber.
Mein Fazit:
– Es geht in erster Linie darum Rechteinhaber zu stärken und irgendwie Geld aus Plattformen wie Google, YouTube, … zu erwirken.
– Kollateralschäden werden hingenommen, wie z.B. das es Startups aus Europa noch schwerer haben als eh schon. Ebenfalls der unwahrscheinliche aber nicht auszuschließende Einsatz von Uploadfiltern, wie auch immer diese aussehen würden.
– Uploadfilter wären nur eine Möglichkeit für Paragraph 4, Absatz b), aber nicht die einzige. Aufgrund sehr großer Schwierigkeiten in der Machbarkeit ist der Einsatz und die Funktion solcher Filter völlig ungewiss.
– Der politische Gegner wägt ebenfalls nicht sachlich ab und scheint die Möglichkeit an politisches Kapital zu gewinnen maximieren zu wollen.
– Eine tiefere sachliche Diskussion/Artikel konnte ich bis dato nicht finden. Referenzen willkommen.
Der nächste peinliche Schieb. Als Journalist ist Ihnen ein gewisses Neutralitätsgebot völlig fremd, was? Nur noch polemisieren? Anders kann man ihre subtile Meinungsmanipulation nicht auffassen. Ich zumindest.
@RK: Hier scheint ein grundlegendes Missverständnis vorzuliegen. Richter müssen neutral sein. Aber doch nicht Journalisten. Ganz besonders nicht in Glossen und vof allem Kommentaren. Und genau das sind die Blogposts hier: Äußerst persönliche Kommentare. Von Sowohl-als-auch haben die Leser in der Regel nicht so viel.
“Angela Merkel hat komplett versagt.”
Nix da! Versagt hat einzig die Wählerschaft: wie gewählt, so geliefert. Und die meisten werden wieder diese “GroKo” (dann mit Frau KK) wählen, wetten!? Ganz im Sinne von unseren|?| “europäischen Werten”.
“Rückkehr zur Sacharbeit”, blub-blub, … etc. usw..
Gute N8.
Auch ich muss gestehen, als Wähler versagt zu haben. Erst bei den letzten beiden Wahlen (LT + BT 2017) ergab sich eine neue Möglichkeit, diese Fehler meiner Ansicht nach zu beheben.
Nun zum eigentlichen Thema, dem Upload-Filter:
Wenn Frau Merkel, Frau Barley und die EU dieser Reform zustimmen, so habe ich ernsthafte Bedenken, dass hier einer mittel- bis langfristigen Zensur des Internets Tor und Tür geöffnet wird, was uns derzeit noch als „Schutz für Künstler“ verkauft wird. Schon heute sind kritische Seiten und Kanäle freier Journalisten, die den Blickwinkel der Bürger in vielen Themenbereichen erweitern, Dornen in den Augen des Mainstream. Nach rund 30 Jahren möchte ich keine Neuauflage eines Staates, in dem es nur eine vermeintlich richtige Meinung gibt und beispielsweise politisch anders denkende Menschen kriminalisiert werden, obwohl sie nicht in ein Extrem abgleiten.
Freies Internet für freie Bürger!