Online-Vermummungsverbot in Österreich

https://blog.wdr.de/digitalistan/online-vermummungsverbot-in-oesterreich/

Online-Vermummungsverbot in Österreich

Kommentare zum Artikel: 13

Bürgerrechtler sind empört: Die österreichische Regierung plant ein “digitales Vermummungsverbot”, wie das genannt wird. Sie will damit gegen Hassrede, Hetze und Beleidigungen im Netz vorgehen. Die Idee: Jeder, der in öffentlichen Plattformen wie Facebook oder Twitter etwas kommentieren will, muss sich bei den großen Plattformen mit Namen und Adresse registrieren. Oder mit Hilfe der Telefonnummer.

Ein Ende der Anonymität also – zumindest in den großen Onlinediensten mit mehr als 100.000 Nutzern oder 500.000 EUR Umsatz im Jahr. Kleine Blogs sind also nicht betroffen.

Anonymisierung soll in Österreich eingeschränkt werden; Rechte: WDR/Schieb

Anonymisierung soll in Österreich eingeschränkt werden

Ein Ende der kompletten Anonymität

Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass Menschen, die sich im Netz nicht korrekt verhalten und deswegen Ziel von Strafverfolgung werden (könnten), von den Behörden auch tatsächlich ermittelt werden können. Aber nur in solchen Fällen – für alle anderen bleibt man weiterhin anonym, wenn man möchte. Ob mit Pseudonym oder ohne. Was in der analogen Welt geahndet würde, argumentiert die Regierung, das solle auch im Netz Folgen haben.

Ganz ehrlich: Ich finde diese Argumentation schlüssig. Leider werden solche möglichen Lösungen wenig sachlich diskutiert. Es regiert die Aufregung. Werden Vorschläge gemacht, die einem nicht passen, werden sie gleich verunglimpft. Bei einer nüchternen Analyse hingegen kann man doch nur feststellen: Anonymität macht eine Menge Probleme. Die Menschen benehmen sich nicht. Sie pöbeln rum, beleidigen, verunglimpfen, hetzen und vieles andere mehr. Und warum? Weil es geht. Die Anonymität im Netz schützt sie.

https://vimeo.com/322260538

Im Darknet ist alles anonym

Das Recht auf freie Meinungsäußerung bleibt unangetastet

Ja, wir haben ein Recht auf freie Meinungsäußerung. Aber wir haben kein Grundrecht auf Anonymität. Wir haben vor allem kein Grundrecht auf die Verbreitung von Hass, Hetze, Beleidigung und vieles andere mehr im Netz. Das ist durch das Recht auf freie Meinungsäußerung nicht abgedeckt – und wird oft missverstanden. Dass es bislang möglich ist, heißt nicht, dass es richtig ist. Bewährt hat es sich meiner Ansicht nach nicht.

Müsste jeder damit rechnen, für das, was er oder sie schreibt oder postet, auch zur Verantwortung gezogen zu werden – so wie in der sogeannnten “richtigen” Welt -, sähe es im Netz ganz anders aus. Weniger dumpf, laut, krank, beleidigend. Ich finde, das ist durchaus wünschenswert.

Natürlich muss man sehr genau darauf achten, wann der Joker der Ent-Anonymisierung gezogen werfden darf. Wenn jeder, der gegen den österreichischen Bundeskanzler wettert, gleich Konsequenzen befürchten muss, ist das nicht in Ordnung. Werden Todesdrohungen ausgesprochen, allerdings schon. Denn das ist nicht vom Recht der freien Meinungsäußerung gedeckt – jedenfalls in der Regel.

Ich würde mir wünschen, dass das geplante “Vermummungsverbot” ernsthaft und sachlich diskutiert würde.

Über den Autor

Jörg Schieb ist Internetexperte und Netzkenner der ARD. Im WDR arbeitet er trimedial: für WDR Fernsehen, WDR Hörfunk und WDR.de. In seiner Sendung "Angeklickt" in der Aktuellen Stunde berichtet er seit 20 Jahren jede Woche über Netzthemen – immer mit Leidenschaft und leicht verständlich.

13 Kommentare

  1. Ich sehe es auch so, dass es so wie bisher nicht weitergehen kann. Eine verdeckte Registrierung ohne Klarnamenpflicht ist sicher eine Möglichkeit. Die Meinungsfreiheit bleibt unberührt, aber wenn ich etwas Strafbares äussere, muss ich eben mit den Folgen leben.

    Was bishes nicht angesprochen wurde, betrifft die Nutzung des Internets selber, die leidet. Ob Stream, Forum oder Facebook – überall mühen sich Moderatoren ab, um eine saubere Diskussion zu gewährleisten. Einige nennen es dann Zensur, aber ohne diese Eingriffe ist es inzwischen nicht mehr überall möglich, vernünftige “Gespräche” zu führen. Irgendwann reicht es ihnen und sie widmen sich einem angenehmeren Hobby – und das Internet um einen Aktiven ärmer.

    Zudem bekomme ich oft genug mit, dass der Umgangston zu Lasten der schwächeren Teilnehmer geht. Jemand freut sich über etwas und äussert es, und schon kommt garantiert ein Anderer und versucht, darauf herumzuhacken oder es schlecht zu reden. Unabhängig von Alter, Behinderung oder Bildung, Verständnis und Mitgefühl Fehlanzeige. Dumme Fragen brauchst du sowieso nicht zu stellen, mehr als “Bist du blöd” kommt unter Umständen nicht. Diese Menschen sind die realen Opfer, und sie haben Gefühle. Für sie ist kein Platz mehr im Internet…

    Wenn es möglich ist, wenigstens die strafbaren Äusserungen zu ahnden, wäre allen schon sehr geholfen. Wenn sich nicht alle mehr zusammenreissen, wird es aus Brüssel wohl noch mehr unangenehme Gesetze geben, und zur Zeit völlig zu Recht.

  2. Jörg Schieb am

    Es verstößt sicher nicht gegen die DSGVO, wenn der Gesetzgeber eine Ausnahme macht und es ausdrücklich vorschreibt (die Verordnungen sehen immer begründete Ausnahmen vor, sonst dürften ja auch die Ämter keine Daten erheben). Wenn ich durch die Straße laufe, mache ich keine öffentlichen Äußerungen. Wenn ich in einem großen Rahmen etwas öffentlich sage, schon. Das ist wohl etwas völlig anderes.

  3. Das verstößt gegen die DSGVO, weil die Seiten damit Daten erheben, welche diese nichts angehen. Außerdem muss ich auf der Straße auch kein Nummernschild am Kopf tragen.

    Ferner ist es ein leichtes falsche Angaben zu machen oder gar Identitätsdiebstahl zu begehen und wie wir alle wissen ist die Sicherheit der Daten nicht gegeben.

    Wenn man die Telefonnummer angibt, darf man sich dann sicher über zahlreiche Werbeanrufe freuen.

  4. Vielleicht habe ich es überlesen, doch ich sehe im Artikel und den Kommentaren keine Unterscheidung zwischen:
    a) der Verknüpfung, Überprüfung und Hinterlegung der echten Identität bei Facebook und Co
    und
    b) der Veröffentlichung von Kommentaren unter dann diesem realen “Klarnamen.”

    Über a) kann man nachdenken. Wer die Persönlichkeitsrechte anderer Verletzt durch z.B. übelste Beleidigungen, nötigt durch Drohungen, … der sollte ermittelbar sein.
    Von b) sollte man absehen. Jede Meinungsäußerung hat Konsequenzen. Ich bin davon überzeugt das die meisten Zeitgenossen zustimmen das freie Meinungsäußerung ein hohes Gut ist. Wenn sich aber jemand frei äußert und es läuft der eigenen Meinung zuwieder dann werden plötzlich viele höchst intolerant. Solch eine Intoleranz äußert sich nicht immer direkt, oft subtil und über längere Zeit.

    Oder anders ausgedrückt, wirkliche freie Meinungsäußerung ist eine illusion, sofern man dies unter seiner realen Identität tut. Alles andere zu glauben ist naiv.

  5. Helmut Otte am

    Facebook oder Twitter interessieren mich nicht; ich glaube, bei Facebook gehört der Klarname sogar zu den AGBs. Was „Hass, Hetze, Beleidigung“ ist, hängt hier in öffentlich rechtlichen Medien vom eigenen Standpunkt und Auslegung ab und das merkt man immer wieder. Die Zensur ist massiv auf dem Vormarsch. Besonders der WDR fällt (mal wieder) auf; Presseclub und Plasberg fordern zur Nennung des Klarnamen auf, was ich für völlig veranwortungslos halte. Folgt man dem naiv, kann kann man seine Existenz verlieren, wenn man sich zum Beispiel für Soziale Gerechtigkeit, auskömmliche Löhne oder sogar Enteignungen von Vermietungs-Heuschrecken ausspricht und der (FDP)Arbeitgeber erkennt einen seiner Angestellten wieder. Als Linker in einer rechtsradikalen Umgebung oder umgekehrt wäre das auch nicht so gesund.

    Mir ist lieber, die Leute lassen im Blog den Dampf ab als auf der Straße. Man muss „dem Volk aufs Maul schauen“ und das geht besser anonym; spätestens an der Wahlurne versagt die Zensur in einer Demokratie und mit offener Rede gibt es weniger Überraschungen.

    Man kennt so langsam seinen WDR, die Verhältnisse in Österreich kenne ich nicht. Es ist nur außerordentlich überraschend weil dort eine Partei an der Regierung beteiligt ist, die selbst und deren Wähler auch nicht sonderlich zimperlich in Wortwahl und Formulierung sind.

    • Vielen Dank für Ihren Kommentar. Beruhigend zu wissen, dass es noch klardenkende Zeitgenossen gibt. Beunruhigend und beängstigend, dass Herr Schieb, gefühlt zunehmend, die Reklametrommel für (staatliche) Überwachung und Zensur rührt (vgl. z. B. dessen jüngste Kommentare zum Darknet oder zur Fingerabdruckerfassung). Im übrigen, sind wir hier immer noch in Deutschland und nicht in Österreich. Und selbstverständlich hat hierzulande jeder ein “Grundrecht auf Anonymität”; auch schlicht “Privatshäre” genannt – ob das dem Autor passt oder nicht.

      • Dads Recht auf Privatsphäre ist mir wohl bewusst – und auch wichtig (wie im nächsten Blog zu Alexa zu lesen). Der Vorwurf hier ist daher Unsinn. Privatsphäre ist aber nicht dasselbe wie Anonymität – vor allem, anonym ALLES raushauen zu dürfen. Das hat nichts mit Privatsphäre zu tun, sondern mit Verantwortung für öffentliche Äußerungen.

        • Off_Leiner am

          Danke für den begrüßenwerten Artikel und Ihre Anmerkungen zu den Kommentaren, Herr Schieb.
          Anonymität führt viel, viel leichter dazu, daß Menschen sich völlig danebenbenehmen und damit anderen Menschen z.T. schweren Schaden zufügen, bis hin zum Tod, wie dioe durch Cybermobbing verursachten Suizide zeigen.
          Schon seit Jahrzehnten beobachte ich auch z.B. die Zunahme der Zahl komplett asozialer Flegel und Flegelinnen, die auf ihren Fahrrädern auf Gehwegen rasend Leib und Leben der zu Fuß Gehenden konkret gefähren – hier liegt die Vermutung nahe, daß das viel weniger von ihnen täten, hätten die Fahrräder Kennzeichen wie die Autos.
          Und eins noch, Herr Florian:
          Es gibt keineswegs ein “Grundrecht auf Anonymität”:

          Art. 5 Abs. 1 und 2 des Grundgesetzes lauten (Beachten Sie bitte besonders Absatz 2!):

          “(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

          (2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

          (3) . . . “

          • Und eins noch, Herr Off_Leiner:
            Danke für Ihren Staatskunde-Exkurs, den Sie sich freilich hätten sparen können, sofern Sie denn gelesen hätten, dass ich das bereits gestern um 16:50 Uhr (siehe Satz zwei, ganz unten) “geradegerückt” habe.
            Den erhobenen Zeigefinger können Sie mithin wieder senken. ;)

    • Dazu gäbe es nun eine Menge zu sagen. Zum Beispie, dass es keine gute Idee ist, jemanden komplett zu entwerten, bloss weil man nicht seiner/ihrer Meinung ist. Ich finde die Frage wichtig, ob ein Vorschlag richtig oder falsch ist – und natürlich, was damit bezweckt wird.

      Und sich die Mühe zu machen, differnziert zu betrachten, wäre auch wünschenswert – wird aber oft nicht so gerne gemacht. Leider.

      Anonymität zB ist so ein Aspekt. Ich finde, es gibt gute Gründe dafür, aber auch gute Gründe dagegen. Es gibt faktisch kein Grundrecht auf Anonymität. Sonst hätten wir keiner Personalsweise, kein Einwohnermeldeamt etc. Sich anonym im Netz äußern zu können ist in der Tat schön. Aber es sind eben ÖFFENTLICHE Äußerungen. Deshalb gibt es Grenzen. Ich finde nicht, dass jeder alles sagen/schreiben darf. Beleidigung, Hetze, Diffamierung – warum sollte das erlaubt sein und folgenlos bleiben?

      Was man in einem öffentlichen “echten” Raum nicht darf, das sollte man auch im Netz nicht dürfen. Anonymität einzuschränken ist zumindest ein denkbares Modell. Bei dem vorgeschlagenen Modell können Sie ja weiterhin Ihren Arbeitgeber kritisieren – oder auch mich hier -, auch anonym. Nur wenn es strafrechtlich relevante Aspekte gibt, könnte eine Behörde den Urheber ermitteln. Scheint mir ein guter Kompromiss zu sein, egal wer es vorschlägt. Und würde garantiert dazu führen, dass deutlich weniger gepöbelt würde im Netz.

    • Der “Vorwurf” bezog sich auf Ihre o. g. Aussage “Aber wir haben kein Grundrecht auf Anonymität.”. Hätten Sie es um “… bei freier Meinungsäußerung im Internet” ergänzt, wäre die Lage klarer. Anonymität ist Bestandteil der Privatsphäre und Privatsphäre ist Bestandteil der Anonymität. PUNKT. So “unsinnig” und befremdlich das Ihnen vielleicht auch vorkommen mag.

      • Es ist wohl weniger eine Geschmacksfrage. Privatsphäre und Anonymität haben nichts miteinander zu tun. Ich bin absolut der Ansicht, dass Privatsphäre geschützt sein muss. Eben das, was privat ist. Sobald man sich öffentlich äußert, ist es das Gegenteil von privat – eben WEIL man sich öffentlich äußert. Das liegt doch völlig auf der Hand.

Einen Kommentar schicken

Die mit * gekennzeichneten Felder müssen ausgefüllt werden.

Top