Die Hoffnung, mit der Corona-Pandemie geht jetzt auch mit der Digitalisierung alles ganz schnell – wie haltbar ist sie eigentlich noch?
Die Krise sorgt für einen deutlichen Schub bei der Digitalisierung der Arbeitswelt, hieß es im vergangenen Jahr von der Bertelsmann-Stiftung. Die Pandemie beschleunigt Innovationen, betonte Microsoft-Gründer Bill Gates noch vor ein paar Wochen auf einer Konferenz. “Und siehe da: Es funktioniert!”, heißt es in der “Welt”, der damit ein digitaler Stein vom anlogen Herzen fällt. Das, was 2020 passiert ist, bezeichnet die Zeitung als “Zwangsdigitalisierung”.
“2020 wird als das Jahr in die Geschichte eingehen, in dem in Deutschland der digitale Dammbruch begann”, schreibt Stefan Münz bei Twitter. Denn “die ewigen Blockierer, Verweigerer und Analog-Kokettierer” bekämen jetzt endlich Gegenwind.
2021 wird ein Backlash – ein Schritt zurück
Mittlerweile bin ich mir sicher: So wird es nicht. Wir werden 2021 nicht als das Jahr erleben, in dem Deutschland volldigitalisiert wieder aus der Krise aufwacht. Wir werden 2021 als Backlash erleben, als Schritt zurück nach einem Ausnahmejahr.
Zeichen dafür gibt es viele: Die vielen Menschen, die sich nach fast einem Jahr Pandemie noch immer nicht auf den digitalen Raum einlassen. Die vielen Sätze, die mit “Wenn wir dann wieder in Präsenz sind …” anfangen. Die laut der Hans-Böckler-Stiftung nur noch 14 % der Menschen im Homeoffice – trotz aller Appelle an Unternehmen, das Zuhausebleiben möglich zu machen, und an Menschen, dann auch zu Hause zu bleiben.
Deutschland nimmt die Digitalisierung nicht an
Die Kultusminister, die um jeden Preis zur Präsenzpflicht in Schulen zurück möchten, obwohl die Leopoldina sie als “wesentlichen Teil des Infektionsgeschehens” einschätzt. Die Lockdown-Gewinner wie Peloton und Zoom, deren Aktien ordentlich verloren haben, als Biontech den Durchbruch beim Corona-Impfstoff bekanntgegeben hat. Die Pläne einer Paketsteuer für den Onlinehandel, verbunden mit dem Aufruf von Ministerpräsident Laschet, keine Weihnachtsgeschenke online zu kaufen – kurz vor dem neuen Lockdown.
Ende 2020 habe ich einen vieldiskutierten Kommentar auf WDR 5 gesprochen: über das tief verwurzelte kulturelle Problem der Deutschen, mit der Digitalisierung umzugehen. Selbst eine Pandemie “hilft” nicht darüber hinweg.
Das Jahr 2020 mag vielleicht ein Wendepunkt für das digitale Deutschland gewesen sein. Aber dass er das war, wird sich vielleicht erst sehr viel später bemerkbar machen.
7 Kommentare
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Bildungsmesse DIDACTA. Im Jahre 2022 sagte mir die Empfangs-Mitarbeiterin in Köln-Deutz: “Sie müssen sich online registrieren, wenn Sie hier eintreten wollen!” Ich fragte nach dem Grund, war ich doch über 20 Jahre lang zuvor stets mit dem barbezahlten Ticket eingelassen worden, auch in Stuttgart.
Die Erklärung der Messe-Angestellten 2022: “Es ist wegen CORONA! Falls an einem Stand das Virus ausbricht, werden Sie sofort digital darüber informiert”.
Mittlerweile ist Corona nicht mehr aktuell. Vorhin rief ich den Messe-Service in Köln-Deutz an. Dieser teilte mir mit, dass der Eintritt auch nach Corona nur über das online gebuchte Ticket möglich sei. Barzahler-Besucher müssten draußen bleiben! – So hatte ich es gleich vermutet: Corona als Argument zur heimlichen Zwangs-Digitalisierung unseres Landes.
Es wird sich sicher wieder vieles Zurückentwickeln. Wenn Leute aus Zwang heraus etwas machen, dann werden sie sich von diesem auferzwungenen Wandel schnell wieder lösen wollen. Auch ist die “Digitalisierung” nicht wirklich vorangeschritten. Es hat sich wenig getan ausser etwas Laptops kaufen, VPNs aufbauen und hier und da mal ein Online-Meeting.
Wahre Worte. Deutschland ist und bleibt in Sachen Digitalisierung zu behäbig… 8 Monate nach Pandemiebeginn haben die Gesundheitsämter noch gemütlich ihre Daten gefaxt. Sagt ja schon alles.
Das sieht nach Corona-Tunnelblick aus, der ausgerechnet in Digistalistan die Infektionsgefahr mit Computerviren völlig übersieht.
Die „Bedrohung durch Cyber-Attacken nimmt dramatisch zu“ sagte Jörg Schieb noch vor kurzen und jetzt soll „alles ganz schnell“ gehen? Erst werden Schmuddelfilme angesehen, dann kommen die Kinderchen mit Spielen aus zweifelhaften Quellen und dann soll mit dem Familien-PC der Zugriff auf die Firmen-EDV ermöglicht werden?
Estland hat „ganz schnell“ die Digitalisierung eingeführt was Hacker mal getestet haben. Dabei denke ich auch an Patientendaten, die ahnungsloses Personal in Arztpraxen ungesichert im öffentlichen Zugriff ließ. Die der Erfahrungen der Uniklinik Düsseldorf oder der Funke Gruppe liegen auch noch nicht so weit zurück. Und wer an Forschung und Entwicklung sparen will soll gefälligst Unternehmen für viel Geld kaufen und nicht mehr Möglichkeiten haben billig in die EDV einbrechen zu können.
Bei so verbreitet naiven Vorstellungen sind „ewige Blockierer, Verweigerer und Analog-Kokettierer“ als Verantwortungsträger in Unternehmen die bessere Alternative. Ein bis zwei „Schritte zurück“ und erst mal nachdenken was man da macht ist dringend notwendig.
Homeoffice muss nicht immer schlecht sein und Sicherheit ist nur ein wichtiger Punkt. Das Netz muss auch dafür geeignet sein aber ausreichend Geschwindigkeit ist auf dem Land gar nicht da; das wäre der bessere Ansatzpunkt der aber hier nicht das Thema ist.
Ich habe zuerst kommt der Backslash gelesen und habe mich über die kreativität gefreut, bis ich merkte: dort steht backlash, das musste ich dann erstmal nachschauen.
Könnt ihr nicht endlich mal Deutsch reden und schreiben? Flashback, Backlash…… Lockdown, Flashdown…. Klingt alles auf Englisch, als wäre es nicht so schlimm. Dabei ist ein Lockdown eine Ausgangssperre, ein Backlash ein Gegenschlag. Das klingt viel martialischer.
Ich stimme dem Verfasser zu. Es wird nicht “alles digital” im Jahr 2021. Es wird getuschelt, dass jene Unternehmer “verlieren” und “abgehängt” werden, die den Schritt in die Digitalisierung immer noch nicht gegangen sind. Stimmt auch nur teilweise… Viele deutsche Unternehmen haben eben noch einen Kernkundenstamm. Nach der Pandemiezeit, so denke ich, wird Online Marketing (nur teilweise) wieder an Bedeutung einbüßen und alte Strukturen werden hoffentlich wieder aufleben können. Wer jedoch den Schritt zu den digitalen Kanälen wagte, gewinnt trotzdem oft – aber eben nicht immer…