Crunchen: Computerspiele machen bis zum Burnout

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Crunchen: Computerspiele machen bis zum Burnout

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Am Freitag ist “The Last of Us 2” erschienen. Es ist ein in vielerlei Hinsicht hervorragendes Spiel, ein Millionen Dollar teurer Blockbuster-Titel, der die Kritiker begeistert.

Aber wir müssen darüber reden, unter welchen Bedingungen dieses Meisterwerk beim Studio Naughty Dog entstanden ist. Denn was für die Spieler ein gelungenes Unterhaltungsprodukt ist, war für viele seiner Macher eine Tortur – und ein Phänomen in der Gamesindustrie.

Die Rede ist vom Crunch. Das ist die Phase einer Spieleproduktion, in der das Team droht, von der Arbeit zermalmt zu werden, in der es auf jeden einzelnen Tag ankommt: Das Game muss auf jeden Fall zum 19. Juni erscheinen, koste es, was es wolle. Bei “The Last of Us 2” musste das Team diese Deadline ausbaden. 12 Stunden, 14 Stunden täglich arbeiten, sieben Tage die Woche, über Monate hinweg.

Anonym berichten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über Burnouts, über Kündigungen, wie körperliche und psychische Gesundheit unter der Dauerbelastung leiden. Soziale Beziehungen und das Privatleben würden auf dem Altar des Spiels geopfert, heißt es.

Der Crunch ist keine Ausnahme in der US-Spieleindustrie. Solche Berichte gibt es immer und Untersuchungen belegen, dass voriges Jahr 40 Prozent der Entwickler crunchen mussten.

Spieleentwickler Ralf Adam über die Gründe für den Crunch.

Es gibt eine ganze Reihe von Gründen, warum die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer das mit sich machen lassen. Es geht hier nicht nur um Arbeitnehmerrechte. Es ist vor allem die Leidenschaft der Entwickler: Die meist jungen Menschen in der Gamesbranche könnte in anderen IT-Jobs mehr Geld verdienen. Sie wollen keine Steuersoftware schreiben, sie sind selbst Fans und wollen ihr Lieblingsspiel schaffen. Das böse Erwachen kommt erst danach, nach dem Burnout.

Auch wir stehen in der Verantwortung

Das ist auch unsere Schuld. Wir tragen dieses System mit, indem wir “The Last of Us 2” millionenfach kaufen und in Kritiken feiern, es als Meilenstein und Meisterwerk bejubeln. Ich schließe mich da nicht aus – und damit bin ich Teil des Problems.

Denn wie es eigentlich sein müsste: Wir sollten kritisieren, nicht nur die tolle Story und schöne Grafik beklatschen, sondern den Finger in die Wunde legen, uns klar machen, was dafür geleistet worden ist.

Wir sollten milde bleiben, wenn sich ein Game schon wieder verspätet, weil es nicht fertig geworden ist. Stattdessen schreiben Userinnen und User wütende Kommentare auf Youtube und beschimpfen und bedrohen die Teams. Nicht alle natürlich. Aber einige. Die Gaming-Community gilt nicht umsonst als toxisch. Schluss damit. Geben wir keine Rechtfertigungen mehr für den Crunch.

Über den Autor

Mit "Doom" fing es an; seitdem haben digitale Spiele Thomas Ruscher nicht mehr losgelassen. Wenn er nicht gerade selbst spielt, schreibt und spricht er über Battle Royale, Open Worlds, eSport, Roguelikes und alles, was sonst noch mit Games zu tun hat.

2 Kommentare

  1. Hm, irgendwie habe ich Schwierigkeiten mir vorzustellen das die Erwartungshaltung der Community wirklich maßgeblich zum Druck beiträgt.
    Plausibel erscheint die Leidenschaft der Spiele-Entwickler.
    Und mehr noch der Druck durch das Management, welche einem dann genau vorrechnen wieviel Millionen ein Verzug kostet. Als Folge evtl. noch der Verlust des Arbeitsplatzes, ein zukünftiges attraktives Projekt, eigentlich alles was das Team so “motivieren” könnte. Ferner schafft es ein cleveres Management die zeitlichen Pläne so hinzubiegen, dass sich das Team früh selbst dazu committed. Um so effizienter wird der Verweis der Chefs, das man ja selbst die Zeitpläne mit ausgestaltet hat. An einem Verzug ist man dann ja selbst Schuld und kein schlechtes Projekt-Mgmt. oder schlicht eigetretene Risiken. Somit möchte man einen Verzug auch wieder ausbügeln.
    Last but not least möchte der einzelne das Team nicht hängenlassen. Man glaubt gar nicht wie unglaublich motivierend der Einsatz für eine Gruppe sein kann, zu der man sich zugehörig fühlt.
    Mein Fazit: Der Druck der Community hat wahrscheinlich den geringsten Anteil.

    • Thomas Ruscher am

      Ich denke, da kommt sehr viel zusammen: Angst um den Job, Leidenschaft, Teamgeist, man will die Kolleginnen und Kollegen nicht hängen lassen, irgendwie ist es ja auch cool, mit seinem Team die Nacht durchzuarbeiten. Sowas haben viele von uns ja auch schonmal miterlebt. Aber ich denke, auch wir als Kundinnen und Kunden sollten unsere Aufmerksamkeit auf dieses Thema lenken. Wir sind sicher nicht der größte Einflussfaktor in Sachen “Crunch” – es sei denn, wir würden zu uns breit angelegten Boykotten durchringen, aber das wird nicht passieren. Der Druck aus Teilen der Community mit all ihren hässlichen Ausprägungen, ist ein weiterer Tropfen, der das Fass zum überlaufen bringen kann.

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