Schwarze Wände, schwarzer Tisch, Latops, Einplatinencomputer – und fünfzehn Kinder, die konzentriert einen kleinen Würfel programmieren. Ich bin auf der Tincon in Düsseldorf, eine Art Mini-Republica für Kinder und Jugendliche bis 21 Jahre. Hier geht es um digitale Kompetenz und Teilhabe. Und: In Workshops wird programmiert.
OECD-Bildungsexperte Schleicher hat in einem Heise-Interview gesagt: “Niemand kann sagen, ob es Programmierung in 20 Jahren überhaupt noch gibt” – und das als Argument dafür angebracht, dass Programmieren nicht als Schulfach angeboten werden sollte.
Das sehe ich anders: Selbst, wenn neuronale Netze irgendwann (und die Betonung liegt auf “irgendwann”) das Programmieren selbst für uns übernehmen sollten – beim Programmieren geht es um mehr als nur die Programmiersprachen selbst.
Kernkompetenzen durch Programmieren
Vielmehr können Lehrerinnen und Lehrer Kernkompetenzen vermitteln, die für die digitale Welt wichtig sind. Ein Klassiker, den auch Tincon-Gründerin Tanja Hauesler im Gespräch nennt: Die vier “C”s, beziehungsweise “K”s im Deutschen: Kommunikation, Kollaboration, kritisches Denken und Kreativität. Durch das Programmieren lernen Kinder, ein Problem zu analysieren und die Lösung in Form logischer Abfolgen zu formulieren.
In einer Welt, die immer mehr mit messbaren Werten, Informationsverarbeitung und binären Entscheidungen funktioniert, sind solche Kompetenzen für Schulkinder ohne Frage von Vorteil, zum Beispiel (aber nicht nur) im Beruf.
Dabei darf es aber nicht bleiben
Ethische und moralische Fragen sind jedoch unter Umständen viel komplexer. Etwa, wenn es darum geht, wie ein Programm konzipiert wird. Das ist der Schritt, der vor dem eigentlichen Coden erfolgt. Es kommt immer darauf an, wer dem Computer die Anweisungen gibt. Welche Möglichkeiten eingebaut werden oder nicht, liegt in der Hand der Programmiererinnen und Programmierer.
Nur ein altbekanntes Beispiel ist hier das selbstfahrende Auto: Muss für unvermeidbare Unfälle auch festgelegt werden, welcher Unfallteilnehmer “bevorzugt” wird (Oma-Kind-Debatte)? Auch wenn dieses Dilemma von einigen Entwicklern als überkonstruiert bewertet wird: Durch neue technische Möglichkeiten stellen sich neue Fragen.
Mehr Ethik im Informatik-Unterricht?
Wenn die konzipierenden ITler nichts auf Ethik geben, dann werden am Ende im schlimmsten Fall Massenvernichtungswaffen oder Rape Games programmiert (siehe auch den aktuellsten Skandal um das Rape Game auf Steam). Das Programmieren selbst ist aber erstmal nur ein Werkzeug. Ob mehr Ethik in den Informatik-Unterricht gehört oder ethische Fragen allgemein mehr in der Schule diskutiert werden sollten – da scheiden sich die Geister.
In jedem Fall wichtig wird Ethik aber, wenn künstliche Intelligenz ins Spiel kommt. Auf der Tincon habe ich darüber auch mit Wirtschaftsinformatiker Philipp Koch gesprochen, der im Bereich Machine Learning entwickelt. Er sagt: “Entscheidend ist Ethik bei den Daten, die ich für die Künstliche Intelligenz brauche: Was habe ich für Daten, wie verwende ich die Daten, wie sind die Daten erhoben?”. Denn maschinelles Lernen beruht immer auf großen Datensätzen, mit denen man den Computer trainiert.
Es müssen nicht alle Jugendlichen Programmierer werden. Aber je weniger Menschen die Grundlagen der Codes verstehen, desto weniger Menschen können auch bei der ethischen Konzeption von Programmen und der Weiterentwicklung von künstlicher Intelligenz mitreden. Wer nicht weiß, wie ein Algorithmus funktioniert, kann auch bei den Diskussionen um Facebook und Google nicht mitreden. Für unsere Demokratie ist das ein Problem.
14 Kommentare
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Wir sind in einem digitalen Zeitalter, wo jedes Kind ein Smartphone oder PC nutzt. Das Kind sollte daher verstehen, wie diese IT funktioniert und auch über die Gefahren sich ein Bild machen können.
Glad to found this information. Thank you for sharing. Keep sharing the informative content.
Spannender Artikel, im Prinzip müsste man das nicht nur Kindern beibringen, sondern auch den älteren. Ansonsten werden Generationenunterschiede noch viel größer.
P.S.: Warum sprechen Sie eigentlich nur von “Schülern” und “Lehrern”?
Sind Mädchen und Frauen auch da außen vor…?
Ich hoffe nicht, das wäre auch für mich persönlich schlimm.;) Danke für den Hinweis, die Stellen sind mir durchgegangen.
“Wer nicht weiß, wie ein Algorithmus funktioniert, kann auch bei den Diskussionen um Facebook und Google nicht mitreden. Für unsere Demokratie ist das ein Problem.” ?!
Meinen Sie das ernst?
Auch ohne IT-, Programmier- oder Algorithmenkenntnisse kann doch jeder fühlende und denkende Mensch ohne Weiteres wahrnehmen, was für gefährliche Suchterzeugungs-, Überwachungs- und Verblödungsmaschinen sowie demokratigefährdende (Stichwort Wahlbeeinflussung durch Bots) kriminelle Organisationen wie dieses Facebook, dieses Google und ihre Spießgesellen und Komplicen – und damit auch Smartphones als solche sind.
Ich muß doch auch nicht Chemie studiert haben, um zu wissen, daß man von Crystal Meth besser die Finger läßt!
Kinder programmieren lernen zu lassen und sie überhaupt in einem so jungen Alter in hirnschädigender Weise mit Digitalität in Kontakt zu bringen, kommt mir so vor, als wolle man sie so früh wie möglich den Umgang mit den modernen Drogen lehren – zum Nutzen der Dealer wie eben FB und Guhgl…
Hallo,
um zunächst auf Ihre rhetorische Frage zu antworten: Ja, ich meine das ernst ;) Und finde es gut, dass wir uns hier austauschen können – ganz im Sinne der Demokratie. Ihre Argumentation ist für mich an einigen Stellen allerdings nicht ganz nachvollziehbar.
Digitalität mit Chrystal Meth zu vergleichen halte ich persönlich für gewagt, aber gut, bleiben wir mal bei dem Bild. Wir wissen doch nur, dass Chrystal Meth schädlich ist, weil es Forschung zu dem Thema gibt (oder aus eigener Erfahrung, was ja aber vermieden werden soll). Diese Erkenntnisse führen zu einem gesellschaftlichen Konsens – aber auch nur dann, wenn die Gesellschaft versteht, was die Erkenntnisse bedeuten.
Abgesehen davon kommen Kinder und Jugendliche in der Realität so oder so früh mit digitalen Produkten in Berührung. Nur sind sie eben Anwender und verstehen meist nicht, was eigentlich dahinter steckt. Tabea Glindemann erklärt das im Video mit dem Beispiel Instagram: Wer nicht weiß, was mit den eigenen Daten passiert, wenn er oder sie zB ein Bild hochlädt, der kann auch keine fundierte Entscheidung darüber treffen, ob er oder sie sich dafür oder dagegen entscheidet.
Interessant finde ich außerdem, dass Sie als Offliner die “Suchterzeugungs-, Überwachungs- und Verblödungsmaschinen” mit Hilfe eben dieser Maschinen online (!;)) kritisieren. Denn das bedeutet, dass auch Sie sich mit den Funktionsweisen beschäftigt haben müssen – was ja auch gut ist, wenn Sie Digitalität grundsätzlich kritisieren wollen. Ich finde es problematisch, Konzerne und Digitalität an sich in einen Topf zu werfen. Und möchte gerne von Ihnen wissen: Was verstehen Sie eigentlich unter Digitalität? Nur, damit wir uns hier nicht missverstehen.
Viele Grüße!
Sehr geehrte Frau Holderer,
danke für diese ausführliche Antwort.
Vielleicht habe ich versehentlich ein Mißverständnis verursacht, falls ja, täte mir das leid – ich versuche es hiermit auszuräumen:
Mit “Suchterzeugungs-, Überwachungs- und Verblödungsmaschinen” meinte ich NICHT “das” Internet oder “die” Digitalsierung insgesamt oder pauschal!
Denn Sie haben ja ganz recht: Ich schreibe hier auf der WDR-Webseite sehr gerne und weiß digitale Möglichkeiten sehr zu schätzen. Beispielsweise wäre ich als “kleiner” Freiberufler ohne die Möglichkeiten der online-Recherche und der E-Mail-Kommunikation regelrecht aufgeschmissen, denn für Angestellte, etwa Schreibkräfte, reicht der Umsatz nicht und für ständige Gänge zu einer Bibliothek meine Zeit nicht.
Und nur positiv ist natürlich auch die Digitalsierung in der Medizin zu sehen, beispielsweise was die zunehmende Möglichkeit betrifft, Organe im 3-D-Drucker herzustellen.
Nein, mein Ausdruck “Suchterzeugungs-, Überwachungs- und Verblödungsmaschinen” – ich hätte auch “Maschinerie” sagen können – meint die Gesamtheit desjenigen Apparates , der sich zusammensetzt aus den vorsätzlich und absichtliche Sucht, Verblödung, Manipulation und Überwachung erzeugenden Konzernen wie diesem Facebook, diesem Google und all’ ihren Spießgesellen und Komplicen, die es ja tatsächlich eingestandenermaßen genau darauf abgesehen haben und deren Anführer sogar auch noch offen zugeben, daß sie ihre eigenen Kinder nur auf Schulen mit Handy-Verbot schicken: Na, wenn DAS nicht zu denken gibt…
Und daß das Smartphone ein SUCHTphone ist und seine sog. “Apps” SUCHTmittel – das kann doch niemand mehr ernsthaft bestreiten, der oder die Anspruch auf Glaubwürdigkeit erheben will.
Hier eine kleine Auswahl durchaus seriöser Literatur, die dies, die manipulatorisch-demokratiegefährdenden Potentiale und die Gefahren für unsere seelische Gesundheit durch das SUCHTphone belegt:
=> Cachelin, Joël Luc, Offliner – Die Gegenkultur der Digitalisierung, Bern 2015
=>Diefenbach, Sarah; Ullrich, Daniel, Digitale Depression – Wie neue Medien unser Glücksempfinden
verändern,
=>Evers-Wölk, Michaela; Opielka, Michael, Neue elektronische Medien und Suchtverhalten,
Forschungsbefunde und politische Handlungsoptionen zur Mediensucht bei Kindern, Jugendlichen
und Erwachsene,
=> Lanier, Jaron, Zehn Gründe, warum du deine Social Media Accounts sofort löschen musst
=> Keen, Andrew, Das digitale Debakel – Warum das Internet gescheitert ist – und wie wir es retten
können,
=> Markowetz, Alexander, Digitaler Burnout – Warum unsere permanente Smartphone- Nutzung
gefährlich ist; Mitarbeit: Ann-Kathrin Schwarz u. Jan F. Wielpütz,
=> Welzer, Harald, Die smarte Diktatur – Der Angriff auf unsere Freiheit,
Spitzer, Manfred, Cyberkrank! – Wie das digitalisierte Leben unsere Gesundheit ruiniert,
ders., Die Smartphone-Epidemie Gefahren für Gesundheit, Bildung und Gesellschaft
te Wildt, Bert, Digital Junkies – Internetabhängigkeit und ihre Folgen für uns und unsere Kinder,
– allesamt zu finden unter buecher.de – man MUSS keineswegs den Gangsterkonzern “‘Amazon” ansteuern!
Über die genannten Aspekte hinaus bin ich mittlerweile regelrecht ENTSETZT, wie viele Menschen aus allem, was auch nur von Weitem nach “Digitalisierung” aussieht, einen Götzen und eine Ersatzreligion machen und sich beidem völlig kritiklos und willenlos hingeben und ausliefern – bis “hinauf” (?) zu politischen Entscheidungsebenen – jetzt sollen sogar die armen Grundschülerinnen und -schüler digital verseucht werden – wo soll das enden…?
Sie sehen: Man kann sehr wohl eine Menge mitreden, auch wenn man nicht weiß, wie ein Algorithmus funktioniert….! :-)
In der Hoffnung, wenigstens ein Mißverständnis beseitigt und vielleicht zudem Ihre Frage im Ansatz beantwortet zu haben, was ich denn wohl unter “Digitalität” verstehe:
Viele Grüße
Der Off_Leiner
Sehr geehrte Frau Holderer,
schade! Ich hatte gedacht, Sie wollten mit mir diskutieren, und jetzt antworten Sie gar nicht mehr.
Da hatte und habe ich wohl etwas mißverstanden.
Na, sei’s drum.
VG
Off_Leiner
Sehr geehrter Off_Leiner,
Ihren Kommentar habe ich tatsächlich nicht gesehen und entschuldige mich für meine späte Antwort. Dass Konzerne mit Wirtschaftsinteressen in erster Linie in irgendeiner Form mit ihren Produkten auf Profit aus sind brauchen wir aus meiner Sicht nicht zu diskutieren – auch nicht, dass bei Apps verschiedene Suchtfaktoren eingesetzt werden, um den User zur Nutzung zu manipulieren und ihn abhängig zu machen (hierzu gibt es übrigens auch eine “Die Story”-Sendung, die eben diese Aspekte beleuchtet: https://www1.wdr.de/mediathek/video/sendungen/die-story/video-wie-uns-soziale-medien-abhaengig-machen-100.html).
Meiner Ansicht nach ist es aber nicht zielführend, die Technologie als solche zu verteufeln. Sie haben ja eben auch angeführt, welche positiven Effekte Digitalisierung haben kann. Alle die von Ihnen als positiv ebenso wie als negativ bewerteten digitalen “Produkte” beruhen doch auf Programmen.
Und: Ich bleibe bei meinem Argument, dass es immer besser ist, ein Risiko oder einen Nutzen auf Basis von Fakten und Hintergrundwissen beurteilen zu können. Denn eine kritik- und willenlose Hingabe gibt es doch erst dadurch, dass nur wenige Anwender Lust haben, sich mal wirklich fundiert mit der Technik auseinanderzusetzen. Würden sie das nämlich tun, käme es gar nicht erst zu einer Überschätzung von Informationstechnologien wie beispielsweise im Bereich des maschinellen Lernens.
Beste Grüße!
Mein Kommentar hat nichts mit der Realität der Fähigkeiten zu tun, die sie erlernen, und alles, was sie mit der Wahrnehmung der Schüler zu tun haben. Offensichtlich ist Scrat bei al echte Programmierung. Aber bei unzähligen Gelegenheiten hatte ich Studenten, die das nicht glauben. Eine nicht ungewöhnliche Auffassung ist, dass die blockbasierte Programmierung eine weniger authentische Fähigkeit ist als die textbasierte Programmierung.
Danke für Ihre Erfahrungen! Inhaltlich stimme ich Ihnen vollkommen zu. Vielleicht könnte man auch argumentieren, dass die textbasierte Programmierung im Endeffekt ebenfalls aus Blöcken in Form von logischen Schritten besteht? Einige WDR-Kollegen von mir haben auch den visuellen Ansatz mit Scratch genutzt beim Projekt “Programmieren mit der Maus”: https://programmieren.wdrmaus.de/ .
Ich denke es sollte nicht unerwähnt bleiben das “Selbstbestimmung” ebenfalls ein Schatz von größtem Wert ist, welcher damit einhergeht das man ein wenig Kompetenz auf einem Gebiet hat.
Denn wirklich Alternativen im Umgang mit den eigenen Daten hat nur der, der auch Alternativen kennt und zu nutzen weiß. Doch es ist Notwendig die Sprache und Logik der IT zu kennen, um sich per VPN zu verbinden, einen Browser mit Trackingschutz zu verwenden oder seine Kontakte per eigenem Cloud-Speicher zu sichern und zu synchronisieren.
Guter Punkt! Über Selbstbestimmung im Umgang mit Daten habe ich auch mit Tabea Glindemann gesprochen, sie geht darauf kurz im Video-Beitrag oben ein.