Auch Facebook hat seine eigene Messe. Sie findet einmal im Jahr in Kalifornien statt. Diesmal in San José. Für Entwickler, Partner und Anhänger des Konzerns. Auch jetzt wieder. Bei der F8-Konferenz kündigt das Unternehmen richtungsweisende Veränderungen, Neuheiten und Kurskorrekturen an.
Damit all jene, die dem Unternehmen besonders verbunden sind (etwa durch Kooperationen), auf Kurs gebracht werden. Klar, dass Facebook-CEO Mark Zuckerberg hier auftaucht und die Anwesenden einschwört. Und verführt: Jeder einzelne Besucher hat eine Ocolus-Rift-VR-Brille im Wert von 400 Dollar geschenkt bekommen. Mann, das macht gute Laune!
Sieger in der Kategorie “Pokerface”
Fast zwei Stunden spricht der Facebook-Lenker auf der Bühne und stellt dem Publikum diverse Neuerungen vor. Etwa ein Redesign bei Facebook – nicht nur optisch. Zuckerberg kündigt zum wiederholten Mal einen Totalumbau an – diesmal von Facebook, WhatsApp, Messenger und Instagram. Sie alle sollen noch enger zusammenrücken. Und – dann der Gag schlechthin: Zuckerberg kündigt eine “auf Privatsphäre ausgelegte Plattform” an. Alle nicht vollständig Sedierten warten auf die Pointe – aber es kommt keine.
“The future is private”, behaupten die Facebook-Manager/innen ernsthaft. Die Zukunft ist privat. “Wir sind heute hier, um darüber zu sprechen, wie wir ein auf Privatsphäre fokussiertes Soziales Netzwerk bauen”, sind Zuckerbergs ersten Worte auf der Bühne. Natürlich. Dieser wirklich vorzügliche Gag, eisern zwei Stunden vorgetragen, qualifiziert Mark Zuckerberg nun vollends für den Titel als “Comedian des Jahres”. Und zwar in der Kategorie “Pokerface”.
Es ist unglaublich: Das Unternehmen, das am aktivsten an der Aufhebung der Privatsphäre arbeitet, behauptet ernsthaft, der Privatsphäre gehöre die Zukunft. Das ist in etwa so, als würde ein Metzger sich den Schlachtruf erlauben: “Die Zukunft ist vegan!” Zukunftsforscherin Amy Webb ist da realistischer: Sie spricht längst vom Ende der Privatsphäre.
Mark Zuckerberg geht in seiner Keynote mit keinen Wort auf die Skandale ein
Alle Probleme und Herausforderungen totgeschwiegen
Von diesem Gag-Feuerwerk muss man sich erst mal erholen. Aber auf der F8 lacht niemand. Die Anwesenden nehmen das ernst. Sie akzeptieren offensichtlich auch, dass Zuckerberg und seine Kohorte auf der Bühne mit keinem Wort auf die dramatischen Ereignisse und Unverschämtheiten des Unternehmens in den letzten zwölf Monaten eingeht.
Diverse Skandale wie ausspionierte Jugendliche, im Klartext herumliegende Passwörter, gehackte Facebook-Konten – ganz zu schweigen von der Frage der Verantwortung für Hate Speech, Lynchmorden und Live-Übertragung von Terroranschlägen über das Facebook-Netzwerk. Für Zuckerberg kein Thema.
Man(n) muss halt Prioritäten setzen.
4 Kommentare
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Ich weiß nicht, was er für eine Religion hat, wahrscheinlich nur die des ‘make money’, wird er NIE ein Paulus … alles kapitalistische Nebelkerzen zur Verblödung der ‘Community’ – Abstand halten wegen Mundgeruch! Hoffentlich kommen nicht irgendwann mal so ‘Body-Bilder’ wie von Putin – eben nur alles digital …… Leider ist Europa aber auch blöd, da es kein Pendant schafft – armes Europa! Aber die, die Diesel-Werte 10 Jahre lang aus Brüssel bislang bekämpften, brüllen sich jetzt penetrant die Seele für Europa aus dem Leib … verkehrte Welt!
Also, mal abgesehen, das mir diese sogenannten sozialen Netzwerke irgendwie nie so richtig angesprochen haben, finde ich die angebliche Privatsphäre von Gesichtsbuch eher ein schlechter Witz ist, als ein ernst gemeinter Entschluss. Denn würde das passieren, dann könnte sich das Gesichtsbuch direkt abschaffen, denn wo mit verdient denn diese Datenkrake sein Geld? ich würde es nicht vermissen.
Jörg Schieb: Du sprichst mir aus der Seele!
Ein Skandal fehlt meiner Meinung noch: Niemand kann sich gegen Kommmentare und “Postings” auf Facebook wehren, ohne dort selbst ein Konto zu besitzen und den diktatorischen Geschäftsbedingungen zuzustimmen. Ich selbst versuche seit über 5 Jahren eine Facebookseite, die von Dritten zu unserer Firma eingerichtet wurde – und auf der tatsächlich überwiegend nur gutes berichtet wird – löschen zu lassen, weil ich Facebook komplett ablehne. Dies ist nicht möglich, weil Leute auf Facebook dieser Ort / diese Firma interessiert und sie ihnen wichtig scheint. Ich kann nicht verstehen, dass ein solches Vorgehen von einem milliardenschweren Konzern, der in Europa so gut wie keine Steuern zahlt, von Politik und Staat gestattet wird.
Hm, vielleicht fehlt mir nur die Phantasie oder der fehlende politische Kontext.
Warum spricht Herr Zuckerberg überhaupt darüber?
Diejenigen welchen Privatsphäre am Herzen liegt, haben das Vertrauen in Facebook sowieso verloren und werden gelernt haben ohne auszukommen.
Der Masse ist Privatsphäre gleich.
Sprich Facebook müsste sachlich gesehen eigentlich nichts tun.
Außer es gibt politischen Druck oder hm, meint es der Herr Zuckerberg am Ende Ernst?
Schwer zu glauben, in der Tat, doch ich kenne Ihn nicht, wie ich so viele andere Unternehmer, Politiker nicht kenne. Über deren Motivation, Persönlichkeit kann man nur anhand deren Außenwirksamkeit spekulieren.