Hotel der Zukunft: smart, aber unpersönlich?

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Hotel der Zukunft: smart, aber unpersönlich?

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Die Stoffpuppe mit quadratischem Kopf starrt mich an, während meine Reisebegleitung damit beschäftigt ist, auf dem PC daneben unser Zimmer auszuwählen. Wir stehen in einer farbenfrohen Londoner Hotel-Lobby, links das Restaurant, rechts eine Lounge.

Die Rezeption ist ersetzt worden durch eine PC-Insel in der Mitte der Lobby, am Kopfende sitzt ein Hotelmitarbeiter, der bei Fragen zum Self-Check-In hilft. Wir können auswählen, in welchem Stockwerk und auf welcher Seite des Hotels wir schlafen wollen. Eigentlich ganz praktisch – ähnlich wie die Selbstbezahler-Kassen im Supermarkt.

Willkommen an Board dieses Raumschiffs!

Im Hotelzimmer begrüßt der TV-Bildschirm über dem großen Bett uns mit “Welcome Citizen Ildiko” – für mich eher unheimlich als einladend. Ein bisschen fühlt sich unser Zimmer an wie ein Raumschiff oder die Zimmer aus der Black Mirror-Folge “Das Leben als Spiel”: Die Fenster lassen sich nicht öffnen und sind von außen mit einem transparenten Stoff verhangen, die Dusch-/Toiletten-Kabine aus Milchglas ist in das Zimmer integriert.

Das Zimmer ist klein, aber, abgesehen von ein paar Kleinigkeiten, sehr durchdacht – sowohl was die Raumaufteilung als auch die Technik angeht. Beleuchtung, Verdunkelung und Klimaanlage werden über ein Tablet gesteuert.

Erst der Anfang

Der Typ des Hightech-Hotels wird uns sicher auch in Zukunft immer häufiger begegnen. Eine Forschergruppe des Fraunhofer Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation beschäftigt sich in Kooperation mit der Hotelbranche schon seit Jahren mit der Frage nach dem “Future Hotel”. Wer den aktuellen Bericht “Futurehotel Building 2052. Visionen und Lösungen für das Hotelgebäude der Zukunft” liest, merkt schnell: Im Technologie-Bereich sind iPad-Steuerung und Self-Check-In nur der Anfang.

In den Visionen werden zum Beispiel Sensor-Technologien beschrieben, die Personen erkennen und automatisch Temperatur, Ventilation und Licht regeln. Zum Teil werden diese Technologien schon jetzt eingesetzt, auch in Bürogebäuden. Statt Schlüsselkarten könnte es biometrische Systeme geben, die eine Authentifizierung ermöglichen, statt Reinigungs- und Sicherheitspersonal könnten Roboter Aufgaben aus dem Facility-Management übernehmen.

Urig statt “funky”? Auch kein Problem …

Zumindest in einem bestimmten Segment des Hotelmarkts: Denn längst nicht jeder verbindet einen gelungenen Hotelbesuch mit smarten Zimmern und Self-Checks-Ins. Wer es lieber urig und ein bisschen weniger “funky” mag, der hat aber genug Auswahl. Ich bezweifle, dass es in der näheren Zukunft nur noch Hightech-Hotels geben wird. Dafür sind die Erwartungen und Vorlieben der Kunden einfach zu unterschiedlich.

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Smarte Hotelzimmer mit einfacher Klima- und Beleuchtungsbedienung finde ich persönlich super, wenig Kontakt zum Hotel-Team und Raumschiff-Feeling im Zimmer stören mich bei so einem Kurztrip auch nicht. Hauptsache, das Bett ist bequem. Was mir aber, wie anderen Reisenden auch, fehlt: Ein Fenster, das sich öffnen und eine Klimaanlage, die sich ausstellen lässt. Vielleicht wird es bei meinem nächsten Urlaub auch wieder eine kleine Pension mit Uralt-Teppich und einer quietschenden Balkontür.

Über den Autor

Ildiko Holderer ist freie Journalistin beim WDR, Digital Native (Jahrgang 1993) und generell für mehr Transparenz im Journalismus. Sie beschäftigt sich vor allem mit Plattformen und Wissenschaftsthemen. Seit ihrem Volontariat beim WDR 2013/14 lebt sie in Köln. Ihre Recherchen veröffentlicht sie bei WDR.de, in Form von (Insta-)Stories, Social Videos – und im Radio.

8 Kommentare

  1. Spannender Beitrag! Ich erinnere mich daran, wie meine Frau und ich vor vielen Jahren in einem gehobenen Hotel im Ausland übernachtet haben. Als wir nach dem Check-In auf unser Zimmer kamen, war der Fernseher an. Auf dem Bildschirm wurden wir mit Namen Willkommen geheißen. Das hatte mich damals ziemlich beeindruckt. Natürlich ist hier eine Standard-Software im Spiel und nur einfache Netzwerk-Technik im Hintergrund. Aber für damalige Verhältnisse war es eben sehr modern. Mittlerweile sind wir viel weiter und es fahren Roboter über die Gänge, um den Gästen Getränke oder Snacks zu bringen. Das ist heute völlig normal und ich frage mich, wo wir in 10 oder 20 Jahren stehen werden.

  2. Klingt ganz schön fazinierend das ganze mal schauen wo wir da in Zukunft landen, aber schade um all die Jobs die da verloren gehen…

  3. Sehr geehrte Frau Holderer,

    vielen Dank für Ihren interessanten Artikel. Als Hotelier eines kleinen Hotels in Bad Pyrmont lese ich solche Einblicke mit großer Neugier, aber auch mit einer gewissen Skepsis.

    Das von Ihnen beschriebene Szenario eines hochtechnisierten Hotelbetriebes ist faszinierend und zeugt von den großen Sprüngen, die die Technik in der Hotellerie gemacht hat. Insbesondere die Selbstbedienungsmöglichkeiten und die automatisierte Zimmersteuerung klingen sehr fortschrittlich. Allerdings teile ich Ihre Bedenken hinsichtlich der unpersönlichen Seite solcher Einrichtungen.

    In meinem Hotel in Bad Pyrmont legen wir großen Wert auf persönlichen Kontakt und individuellen Service. Wir glauben, dass gerade diese menschliche Komponente unersetzlich ist und den Gästen ein Gefühl von Wärme und Zugehörigkeit vermittelt, das keine Maschine bieten kann. Unser Ziel ist es, eine Balance zwischen modernem Komfort und traditioneller Gastfreundschaft zu finden, die unsere Branche seit jeher auszeichnet.

    Es ist wahr, dass die Zukunft immer mehr technologische Lösungen bringen wird, und wir sind offen für Veränderungen, die den Komfort unserer Gäste erhöhen. Gleichzeitig wollen wir aber auch die traditionellen Werte der Hotellerie bewahren, insbesondere den persönlichen Kontakt und die individuelle Betreuung unserer Gäste.

    In diesem Sinne freue ich mich auf eine Zukunft, in der Technologie und Tradition Hand in Hand gehen, um unseren Gästen das bestmögliche Erlebnis zu bieten.

    Mit freundlichen Grüßen,
    Michael Höfer

  4. Tja, auch die Hotelbranche muss sich neu erfinden. Es gibt sicher einige Menschen, die das Konzept des Hightech-Hotels anspricht. In Düsseldorf gibt es jetzt ein Hotel, da kann der Gast sein Auto mit auf das Zimmer nehmen. Das funktioniert per Aufzug auch ganz automatisch. Vom Schlafzimmer aus hat man das Auto dann immer im Blick. Lohnt sich für Geschäftsleute mit wertvoller Fracht oder für Menschen, die ein sehr teures Auto fahren und es nicht auf dem Parkplatz oder in der Tiefgarage stehen lassen wollen. Verrückte Hotel-Welt.

  5. Herzlichen für diesen wunderbaren und sehr informativen Beitrag, den ihr hier veröffentlicht habt. Und ich freue mich schon jetzt weitere Artikel von euch zukünftig zu Lesen.
    Grüße Matthias

  6. Interessanter Beitrag über die Zukunft von Hotels und die Herausforderungen, die mit der zunehmenden Technisierung einhergehen. Es ist wichtig, eine Balance zwischen Komfort und Personalisierung zu finden, damit der Gast sich auch in Zukunft willkommen und zu Hause fühlt.

  7. Ildiko du hast einen guten Schreibstil. Gefällt mir. Flüssig und fesselnd.
    Man will nicht aufhören bis der Artikel zu Ende ist.

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