Nun hat also auch das EU-Parlament die äußerst umstrittene EU-Urheberrechtsreform abgenickt. Ohne Abstriche. Alle Kritik, alle Proteste und auch alle Demos haben nichts daran ändern können. Das Urheberrecht wird reformiert – der Umgang mit urheberrechtlich geschütztem Material im Netz muss sich also ändern.
Die großen Plattformen haben eine Menge Arbeit vor sich. Vor allem deswegen, weil nun die EU-Verordnung in nationales Recht gegossen werden muss. Jedes EU-Land kann das anders handhaben. Die Plattformen müssen sich also auf viele neue Regeln einstellen.
Wir brauchen ein modernes Urheberrecht
Dass sich etwas ändert, ist richtig, wichtig und gut. Denn wenn ich Kommentare wie “Wenn jemand nicht will, dass seine Arbeit/Werke nicht weiter genutzt werden, dann soll er/sie es halt nichts ins Netz stellen”, dann ärgere ich mich. Denn: Die meisten Werke landen heute irgendwie im Netz. Darüber hat der einzelne Künstler/Rechteinhaber kaum Kontrolle.
Daraus für sich das Recht abzuleiten, einfach so alles verwenden zu dürfen, ist – gelinde gesagt – abenteuerlich. Aber leider weit verbreitet. Von daher müssen neue Regeln her. Regeln, die klar definieren, unter welchen Umständen eine Verwendung in Ordnung geht (Zitat, Satire) und wann nicht. Memes gehören meiner Ansicht nach als Kunstform ausdrücklich erlaubt.
Wie funktionieren Upload-Filter und wieso gibt es so viel Kritik?
Politik agiert kurzsichtig, tölpelhaft und stümperisch
Upload-Filter sind daher der denkbar schlechteste Weg. Sie können aus bekannten Gründen niemals zuverlässig funktionieren. Und weder die einen, noch die anderen profitieren davon. Also keine gute Lösung.
Viel besser wären beispielsweise pauschale Abgaben, die die Onlinekonzerne zahlen müssten – und die dann über die Verwertungsgesellschaften an die Urheber ausgezahlt werden. Oder geeignete Methoden, damit Urheber sich bei den Portalen melden können, um Lizenzen zu kassieren.
Nun ist Berlin gefragt. Denn im Koalitionsvertrag steht, dass Upload-Filter als unangemessenes Mittel gelten und deshalb abgelehnt werden. Die Tatsache, dass das im Koalitionsvertrag steht, hat Merkel und Barley zwar nicht davon abgehalten, die Reform durchzuwinken – aber jetzt können und müssen sie verantwortungsvoll handeln. Denn vor allem junge Menschen fühlen sich unverstanden.
Und ich kann ihren Ärger verstehen: Erst wird ihnen ein Internet angeboten, in dem alles geht. Und dann werden die denkbar schlechtesten Mechanismen auf den Weg gebracht, um den Irrsinn zu korrigieren. Die Politik diffamiert die Kritiker. Warum, erklärt die Politik gar nicht oder komplett ungeschickt. Kein Wunder, dass sich ein Generationenkonflikt auftut.
10 Kommentare
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Meines Erachtens werden hier Ursache und Wirkung verwechselt. Der Grundgedanke hinter der Reform des Urheberrechtes ist durchaus ein ehrbarer Gedanke. Schutz des geistigen Eigentums anderer gegen die kostenlose Verwertung. Nicht mehr und nicht weniger. Das Gesetz ist schlecht gemacht. Keine Frage! Das begegnet mir in meinem Beruf allerdings täglich. Diese handwerklichen Fehler müssen dann vor Gericht ausgebessert werden. Das die Berufgruppe der Influencer massiv gegen diese Reform wettert ist nur zu verständlich und sie stehen damit auf einer Stufe mit jeder anderen Berufsgruppe die Beschränkungen befürchtet. Sie machen es sich allerdings zu einfach, wenn sie den schwarzen Peter bei der Politik suchen. Jedes Gesetz hat eine Vorgeschichte. Der massenhafte Verstoß im Internet gegen das Urheberrecht hat letztendlich zu dieser Reform geführt. In der Gesetzesbegründung schreibt die EU-Kommission dazu: (…) Die Entwicklung der digitalen Technologien hat zur Entstehung neuer Geschäftsmodelle geführt und die Rolle des Internet als wichtigsten Markt für die Verbreitung und den Zugang zu urheberrechtlich geschützten Inhalten gestärkt. In diesem neuen Umfeld sehen sich Rechteinhaber mit Schwierigkeiten konfrontiert, wenn sie eine Lizenzvergabe für ihre Rechte und eine Vergütung für den Vertrieb ihrer Werke über das Internet anstreben. Dadurch könnte die Entwicklung der Kreativität und die Produktion kreativer Inhalte in Europa gefährdet werden (…). Was die Konzerne wie Youtube oder Google nun aus diesem Gesetz machen, ist doch etwas ganz anderes. Der Protest muss sich daher nicht gegen die Politiker richten, sondern gegen die Konzerne. Wenn Upload-Filter vorgeschaltet werden, sollten die Accounts bei Youtube oder Google gekündigt werden. Damit wäre der Protest an der richtigen Stelle.
@Stefan Ludwig: Ich bin ohne Internet aufgewachsen, habe darum mit vollem Bewußtsein miterlebt, wie es sich nach und nach von einer Platform für freie Kommunikation und Wissensverbreitung zu einer Platform des Kommerz gewandelt hat. 99% des Internets dienen heute dazu, damit auf irgendeine Weise Geld zu machen. Das letzte 1% der ursprünglichen Intention wurde gestern zu Grabe getragen.
Jetzt geht es richtig los – mit dem Ende der allgemeinen Wissensgesellschaft. Denn auch das Zitieren, selbst kleiner Schnipsel, wird problematisch, sobald eine Plattform als “kommerziell” eingestuft wird (§11) – was regelmäßig passiert, wenn auch nur das kleinste Werbebanner auftaucht, um die Betriebskosten zu decken. Es wird bald nicht mehr heißen “google doch mal”, sondern wieder, wie früher, “geh in die Bibliothek und suche dort nach Antworten”. Google wird keine Antworten mehr liefern dürfen. Für eine Hightech-Gesellschaft, die davon lebt, daß Wissen sich verbreitet, ist eine solche Einschränkung der Wissensverbreitung ein Todesurteil. Das wird uns gewaltig auf die Füße fallen.
@Off_Leiner
Soetwas sagen nur Leute die ohne Internet aufgewachsen sind und es daher bis heute nicht richtig verstanden haben.
Sehr geehrter Herr Stefan Ludwig,
ich danke Gott, daß ich nicht mit dem – oder, wie manche ja allen Ernstes von sich sagen: im – Internet aufgewachsen und somit nie in Gefahr des suchthaften kritiklosen Konsumierens aller Inhalte geraten bin.
Exakt und nur daß ich OHNE dieses Sucht- und Manipulationsmittel aufgewachsen bin, ermöglicht mir die für einen kritischen Blick notwendige Distanz und damit, das Internet richtig zu verstehen.
Diejenigen, die mit dem Internet aufgewachsen sind und nach ihrer erschreckenden Eigenwahrnehmung sogar “in” ihm leben, sind es, die es für selbstverständlich halten, alles und jedes umsonst und sofort und überall und jederzeit zu bekommen.
Wo Musik, Filme, Literatur (sofern sie überhaupt noch richtig lesen), bildende Kunst kommen und vor allem, WER sie macht und wovon die UrheberInnen leben sollen – DAS interessiert die “im” Internet lebenden Menschen nicht.
Alles dieses nennt man Regression in ein Säuglingsdasein: Alles immer überall sofort und ohne daß ich selbst etwas dafür tun müßte.
Bei Säuglingen ist das ein normales Stadium der menschlichen Entwicklung – bei Erwachsenen ist es eine behandlungsbedürftige schwere psychische Störung…
Wie sagte Holger Beckmann heute abend im DLF (siehe hier: https :// www . deutschlandfunk.de / kommentare-und-themen-der-woche.719.de.html):
Mit der “Kost-nix-Mentalität” ist jetzt Schluß.
Und das ist auch gut so.
Entgegen den Jammerrufen der Internetfetischist*innen handelt es sich beim Urheberrecht auch keineswegs um Zensur, denn alle können ja auch weiterhin lesen, hören und schauen, was sie wollen – nur eben nicht mehr “für lau”.
Das ist doch schon immer so gewesen, bei Büchern, Schallplatten, Kinofilmen etc.
Wie kommen die Leute bloß auf die Idee, bloß, weil alles und jedes verdigitalisiert werden kann, dürften sie anderen Menschen deren geistiges Eigentum wegnehmen, ohne dafür irgendeine Gegenleistung zu erbringen?!
Das spricht doch sehr für die These, daß die Smombies nicht mehr die wirkliche Wirklichkeit wahrzunehmen im Stande sind, sondern nur noch, was sie dafür halten…
Holger Beckmann hat einfach die Kritik nicht verstanden. Wirklich niemand ist gegen ein neues Urheberrecht mit fairer Vergütung für Rechteinhaber. Bei der Kritik an Artikel 13 geht es ausschließlich um die technische Umsetzung und deren Folgen.
Die “Kost-nix-Mentalität” kann man allenfalls den Plattformbetreibern unterstellen. Mit den Nutzern hat die Reform direkt erstmal nichts zu tun. Diese Aussage zeugt deshalb von völligem Unverständnis des Problems.
Die Nutzer leiden darunter, weil sie in Zukunft legitime Inhalte nicht mehr hochladen können, weil sie von Filtern blockiert werden und nicht weil Youtube deshalb aufeinmal Geld für das anschauen von Videos verlangen wird.
Ich verstehe Ihren Einwand gegen Beckmanns und damit meinen Kommentar, vermag ihn aber nicht zu teilen, und zwar aus einem ganz einfachen Grund:
Ihre Einwände unterstellen, daß das Internet die einzige und die alleinseligmachende Quelle für alles ist, und daß das Internet die einzige Möglichkeit auf der Welt ist, sich mitzuteilen.
Beides stimmt aber nicht.
Wer im Internet etwas nicht findet, kann in Buchhandlungen, Bibliotheken und Schallplatten(die ja gerade wiederkommen)- resp. CD-Läden gehen.
Und sich mitteilen konnte man, Sie werden es nicht glauben, auch vor Internetzeiten vermittels vieler Kanäle – da braucht man nichts “hochzuladen”.
Ich bitte dringend, doch zur Kenntnis nehmen zu wollen, daß es durchaus noch ein echtes und wirkliches Leben gibt – und zwar NUR “offline”!
Erstmal habe ich das nirgendwo behauptet das Internet sei “die alleinseligmachende Quelle für alles”.
Nichtsdestotrotz bietet das Internet in manchen Bereichen einen unbestreitbaren Mehrwert gegenüber den von Ihnen genannten Mitteln. Gerade dass jeder Mensch mit Internetanschluss seine Bilder, Texte und andere Medien mit Anderen teilen (“hochladen”) kann ist ein großer Vorteil. Es kann einfach nicht jeder dazu ein Buch schreiben oder einen Plattenvertrag abschließen um soetwas zu veröffentlichen.
Der Vorschlag einfach wieder das zu machen was man vor 50 Jahren getan hat erscheint mir extrem rückwärtsgewandt. Wir wechseln ja auch nicht von Autos wieder zu Pferdekutschen, weil es noch keine gute Lösung für die Abgasproblematik gibt.
Genau wie Autos als Fortbewegungsmittel ist das Internet als Kommunikationsmittel mittlerweile ein wichtiger Teil unserer Gesellschaft. Die Antwort auf dieses rechtliche Problem ist meiner Meinung nach weder eine schlecht durchdachte und technisch nicht durchführbare Maßnahme, noch der Rückschritt in eine Zeit vor dem Internet.
Ich bin mir nicht sicher was sie mit dem letzten Satz aussagen wollen. Aber um nocheinmal die Metapher von oben zu bemühen: Dass man manchmal die Vorteile eines Autos nutzt, um seinen Einkauf zu erledigen, heißt doch nicht, dass man nicht auch zu Fuß einen Spaziergang im Park machen kann.
Wenn man gerne die Bücher seines Lieblingsautoren lesen will, dann geht man vielleicht in die Bibliothek. Wenn man nur schnell wissen will, wie der letzte Kaiser von China hieß, dann schaut man das vielleicht auf Wikipedia nach, anstatt sich gleich ein ganzes Geschichtsbuch zu kaufen.
“Wir wechseln ja auch nicht von Autos wieder zu Pferdekutschen, “:
Das wäre aber besser, aber wir tun es nicht, weil das Automobil, wiewohl mehr Pestilenz denn Segen, für die allermeisten – insbesondere: Deutschen – genau so ein Fetisch, ein Ersatzgott und ein Suchtmittel ist wie das Suchtphone und der Digital-Götze.
Daher vergleichen Sie m.E. lediglich ein Suchtmittel mit einem anderen.
(Lies z.B. Micha Hilgers, Psychoanalyse des Autofahrens, Herder-Verlag – ein echtes Buch aus richtigem Papier).