WhatsApp-Chat-Limit: Ein Tropfen auf dem heißen Stein

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WhatsApp-Chat-Limit: Ein Tropfen auf dem heißen Stein

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WhatsApp-Gerüchte können tödlich enden – so wie vergangenen Sommer, als mehrfach vermeintliche Kindesentführer in Indien von wütenden Mobs getötet wurden. Auslöser für die Selbstjustiz sollen Falschmeldungen und ein aus dem Kontext gerissenes Video gewesen sein, das via WhatsApp verbreitet wurde. Denn Nachrichten, Medien oder Links an viele Personen gleichzeitig weiterzuleiten funktioniert bei dem Messenger mit wenigen Klicks. Ähnliche Vorfälle gab es auch in anderen Ländern.

Das Facebook-Tochterunternehmen reagierte – wohl auch auf Druck der indischen Regierung hin – schon 2018 mit einem Limit für Weiterleitungen: Inhalte können seitdem weltweit maximal an 20 Chats, in Indien nur an fünf Chats gleichzeitig weitergeleitet werden. Zudem wurde in Indien der „Quick Forward“-Button, der zum schnellen Weiterleiten neben Medien angezeigt wird, entfernt. Nun will WhatsApp die Falschmeldungen und Gerüchte auch global bekämpfen: Das weltweite Fünf-Chats-Limit wird seit Montag, 21. Januar, ausgerollt: Zunächst in der Android-Version, dann auch bei iOS. Das hat das Unternehmen auf einer Konferenz in Indonesien bekanntgegeben, wo es ähnliche Fälle wie in Indien gegeben haben soll.

Das Problem…

Gut, dass da was getan wird, sollte man meinen. Das Problem: Feste Gemeinschaften wie die der wütenden Dorfbewohner aus Indien können sich auch einfach in Chatgruppen organisieren – wenn sie das nicht sowieso schon tun. Denn die Beschränkung gilt nicht pro Person, sondern pro Chat. Dazu zählt dann auch der WhatsApp-Chat einer Gruppe.

Zweitens ist die direkte Weiterleitung vielleicht der einfachere und kürzere Weg, aber längst nicht der einzige, um Falschmeldungen und Gerüchte zu verbreiten. Denn gespeicherte Medien, auch Screenshots und –casts, an eine große Anzahl von Personen zu verbreiten funktioniert nach wie vor. Es dauert höchstens drei Klicks mehr.

Stattdessen: Medienkompetenz

Vielleicht vermeiden diese drei Klicks in Zukunft die Ausbreitung einiger Falschmeldungen, vermutlich reicht das allein aber bei Weitem nicht. Der Sinn des Internets ist die Vernetzung der Menschen miteinander und die Möglichkeit, auch faktisch falsche Nachrichten schnell verbreiten zu können nun mal die Schattenseite der Medaille. Das Problem ist weniger die technische Möglichkeit als die Art des Umgangs mit ihr.

Wirkungsvoller als Limits allein könnten zum Beispiel Maßnahmen sein, die zusätzlich auch die Medienkompetenz der User verbessern. Auch da gibt es schon Bemühungen: In Indien hat WhatsApp in einer Medienkampagne informiert, auch in deutschen Schulen gewinnt Medienkompetenz als Lehrinhalt an Bedeutung. Was noch fehlt ist ein systematisiertes Vorgehen, das möglichst viele Menschen erreicht – vielleicht durch eine Kampagne, die über das Medium WhatsApp selbst ausgespielt wird.

Über den Autor

Ildiko Holderer ist freie Journalistin beim WDR, Digital Native (Jahrgang 1993) und generell für mehr Transparenz im Journalismus. Sie beschäftigt sich vor allem mit Plattformen und Wissenschaftsthemen. Seit ihrem Volontariat beim WDR 2013/14 lebt sie in Köln. Ihre Recherchen veröffentlicht sie bei WDR.de, in Form von (Insta-)Stories, Social Videos – und im Radio.

5 Kommentare

  1. Dies kann bei jeder App passieren. WhatsApp ist keine Ausnahme. Manchmal mache ich mir auch Sorgen um den Datenschutz von Facebook. Und die Videos, die ich teile, können von jedem genutzt werden.

  2. Dies kann bei jeder App passieren. WhatsApp ist keine Ausnahme. Manchmal mache ich mir auch Sorgen um den Datenschutz von Facebook. Und die Videos, die ich teile, können von jedem genutzt werden.

  3. Im_Diggi_Tal am

    Man könnte daran verzweifeln, wie gering die Zahl derjenigen ist, die begreifen, daß Dinge wie dieses WhatsApp, wie Facebook, wie Instagram, ja: wie das Smartphone als solches nichts anderes sind als
    => SUCHTMITTEL
    => VERBLÖDUNGSMITTEL
    => DEMOKRATIEZERSTÖRER
    => RECHTSSTAATSVERNICHTER
    und
    => PROFITMAXIMIERUNGSMITTEL für die Betreiber,
    und daß KEIN MENSCH DERLEI WIRKLICH “BRAUCHT”!
    Es gibt auch keine “Nutzer*innen”, sondern nur BENUTZTE, also OPFER.
    Folglich wäre auch die Steigerung der sog. “Medienkompetenz”, wie sie der Artikel sieht, nicht nur weiße Salbe, sondern würde die SUCHT noch mehr verstärken.
    Nein, wirklich “medienkompetent” ist nur, wer das Smartophone wegschmeißt und auch vom stationären Rechner alles asozialen Medien löscht und konsequent abstinent lebt.
    Lesenswert:
    Jaron Lanier: Zehn Gründe, warum du deine Social Media Accounts sofort löschen musst

  4. Unstrittig, dass die WA-Nutzung hier zur (schnelleren) Durchführung der Lynchjustiz führte. Im speziellen, im indischen Kontext betrachtet, ist jedoch davon auszugehen, dass der o. g. Mob trotzdem diese Barbarei durchgeführt hätte. Die Mund-zu-Mund-Propaganda und -Verleumdung funktionert(e) in Indien (auch ohne FB/WA/etc.) außerordentlich gut.
    Dass WA sich nun “sauber” hält bzw. halten will, ist zwar nachvollziehbar, aber letztlich nichts anderes als eine reine PR-Kampagne, die (etwas platt ausgedrückt) nur sagt: “Hey, an UNS wird’s künftig nicht mehr liegen, wenn ihr Eure Mitbürger lyncht!”. Ganz schwaches Bild, auch von der Weltgemeinschaft, die das Lynchen als Selbstjustizmittel innerhalb Indiens mehr oder weniger toleriert – von der indischen Regierungspartei BJP ganz zu schweigen.
    Indische Spannungsfelder, die zu solchen Auswüchsen führen sind nicht neu, sind historisch gewachsen und waren schon weit vor WA existent; wie beispielsweise die unantastbare Heiligkeit der Kuh, die ständig zunehmenden und ständig “befeuerten” Konflikte zwischen Hindus und Muslimen und auch die Erb- bzw. Erzfeindschaft zu Pakistan (Gebirgsregion). Eine hochexplosive Gemengelage, der allein mit geschulter Medienkompetenz nicht beizukommen sein wird. Vielmehr müssen(!) die Menschen begreifen, dass Lynchen in keiner weltlichen Kultur Konflikte löst(e), sondern diese nur verstärkte. Und das wiederum ist eine grundsätzliche Erziehungsfrage … und das wird in Indien, falls überhaupt möglich, noch ganz lange dauern.

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